Nomen est omen

Die Refik-Veseli-Schule – Ein Zeichen für Völkerverständigung

Und Namen haben doch eine Bedeutung! Diese Erfahrung machen gerade Schüler und Lehrer einer Berliner Schule. Seit kurzem heisst sie Refik-Veseli-Schule – und seitdem herrscht hier Aufbruchsstimmung. Was ist geschehen? Und wer bitte ist Refik Veseli?
Das ist die Refik-Veseli-Schule (Sekundarschule Skalitzer Strasse)
Veseli und Fatima Veseli und ihre Kinder Refik, Hamid und Xhemal
Eine Schulklasse in der Refik-Veseli-Schule

Alles begann mit einer Austauschreise von Berliner Schülern nach Israel. Beim Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem stiessen Schüler der 8. Integrierten Sekundarschule Berlin-Kreuzberg auf die Geschichte eines «Gerechten unter den Völkern», nämlich Refik Veseli (sprich: Wesélli).

Ein Albaner zeigt Zivilcourage

Im Zweiten Weltkrieg war die jüdische Familie Mandil auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. Sie verliessen ihre Heimat Jugoslawien und flohen nach Tirana in Albanien. Dort fand Moshe Mandil mit seiner Frau Ela und den Kindern Gavra und Irena zunächst eine Unterkunft und auch Arbeit in einem Fotogeschäft. Als die Nazis 1942 auch nach Albanien vorrückten, waren sie dort nicht mehr sicher. Der siebzehnjährige Refik Veseli, Lehrling im Fotogeschäft, führte sie daraufhin in das Dorf seiner Eltern. Nachtsüber ritten sie auf Maultieren über Schleichwege, die Tage verbrachten sie in Höhlen versteckt. Im abgelegenen Bergdorf Kruja konnten sie sich bis zur Befreiung 1944 verbergen.

Ein «Gerechter unter den Völkern»

1987 schrieb Gavra Mandil an Yad Vashem und erzählte seine Geschichte. Er wollte das albanische Volk, besonders aber seine Retter würdigen. In der Begründung erklärte er: «Mag sein, dass sie nicht mit dem Erbe Goethes und Schillers heranwuchsen, aber sie massen dem menschlichen Leben auf die natürlichste und selbstverständlichste Weise die grösste Bedeutung bei.» Noch im gleichen Jahr wurde Familie Veseli als Gerechte unter den Völkern anerkannt – als erste Albaner, die von Yad Vashem geehrt wurden.

Ein Vorbild für heute

Die hauptsächlich türkischstämmigen Schüler aus Berlin zeigten sich so beeindruckt von dieser Geschichte, dass sie entschieden: Unsere Schule soll nach Refik Veseli benannt werden. Sie liessen nicht locker mit ihrem Anliegen, und seit Anfang Oktober trägt die Schule ihren neuen Namen. Schüler, Eltern und Lehrer sehen die Herausforderung, die daraus für sie erwächst. Der Deutsche Bundespräsident Joachim Gauck unterstrich diese Verantwortung in seiner Rede zum 60. Jahrestag von Yad Vashem, indem er betonte, dass man immer die Wahl habe, das Gute zu tun. In ihrem Leitbild formulierte die Refik-Veseli-Schule daraufhin: «Sei mutig, schau hin, misch dich ein, sei solidarisch und handle! Du hast immer eine Wahl.»

Ein Signal für Hoffnung und Zukunft

Bis vor kurzem galt die Schule an der Skalitzer Strasse in Kreuzberg als Problemschule. Doch ein neuer Name, eine neue Ausrichtung und eine neue Schulleiterin bewirken Wunder: Es herrscht Aufbruchsstimmung in der Refik-Veseli-Schule: Für die Schüler ist es jetzt «ihre» Schule, die Eltern bringen sich ein, ein Montessori-Zweig wird gerade eingerichtet und eine gymnasiale Oberstufe ist in Planung. Damit wäre die Schule die erste in der Umgebung, auf der das Abitur auf direktem Weg möglich wäre.

Versöhnung, Veränderung und multikulturelles Zusammenleben geschehen nicht automatisch. Sie geschehen auch nicht, wenn sich «der Islam» oder «die Politik» bewegen. Sie geschehen, wenn einzelne Menschen trotz Widerständen für andere da sind – wie Refik Veseli.

Zur Webseite:
Schule Skalitzer
Refik-Veseli-Schule

Zum Thema:
Moderne Sexualpädagogik: «Schamlos im Klassenzimmer» oder Sieg der Toleranz?
Wissenschaftliche Bestätigung: Kein Klischee: Jungen spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen
Zweite Fremdsprache?: Primarschüler nicht zu Opfern der Bildungspolitik machen

Datum: 28.10.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung