Mit Gebet gegen Terror

«Adoptiere einen IS-Kämpfer»

Facebook ist um eine ungewöhnliche christliche Initiative reicher: In der Gruppe «Adoptiere einen Kämpfer des IS» vernetzen sich zurzeit 3'500 Christen unterschiedlicher Herkunft, um für jeweils einen «adoptierten» Terroristen zu beten.
ISIS-Anhänger in Falludscha
Betende Muslime und Terroristen in Moschee

Das Ziel ihrer Facebook-Gruppe, zu der sich Interessierte anmelden müssen, stellen die fünf Initiatoren folgendermassen dar: «Herzlich Willkommen zu unserer Gemeinschaft des Gebetes! Wir laden Euch ein, mit uns einen Siegeszug der Liebe zu beginnen! … Bringen wir Gott unsere Welt – lasst uns Gott die bringen, vor denen wir uns fürchten und die uns hassen!»

Feindesliebe konkret …

3'500 Christen unterschiedlicher Couleur schlossen sich seit November 2015 dem Aufruf an. Sie wollen etwas unternehmen gegen die Gräueltaten der Terrororganisation «Islamischer Staat» (IS). Die Teilnehmenden folgen dabei der Aufforderung von Jesus Christus in der Bergpredigt: «Liebt eure Feinde! Betet für die, die euch verfolgen!» (Die Bibel, Matthäusevangelium Kapitel 5, Vers 44) Gleichzeitig orientieren sie sich an ähnlichen Initiativen, die weltweit seit Mitte 2015 entstehen. Gemeinsame Ziele sind: eine christliche Antwort auf Terror und Gewalt geben, die eigene Furcht überwinden, einfach etwas tun …

«Feindesliebe» steht hier nicht für ein überschwängliches Gefühl für IS-Kämpfer, die in Syrien, im Irak und anderswo auf der Welt eine blutige Spur der Vernichtung hinter sich herziehen. Sie bedeutet vielmehr, die militanten Islamisten in Gottes Gegenwart zu bringen und damit zu rechnen, dass Gott sie verändern kann. Der US-Theologe Walter Wink forschte viel im Bereich der Gewaltlosigkeit. Er sah es als unabdingbar an, feindliche, gewalttätige Menschen nie auf «Monster» zu reduzieren, denn die könnten sich nicht verändern. Und sie würden letztlich keine Verantwortung für ihre Unmenschlichkeit übernehmen, weil es keine Menschen sind. Dieser Sicht widersprach Wink. Und dieser Sicht tritt auch «Adoptiere einen Kämpfer des IS» entgegen. Durch das Gebet für einzelne Kämpfer rechnen die Beter nicht nur mit Gottes veränderndem Eingreifen, sondern sie geben den Terroristen auch ein Gesicht.

… mit praktischen Schwierigkeiten

Dieses Gesicht-Geben beleuchtet allerdings auch eine Schwierigkeit, wenn das Beten praktisch werden soll. Denn: Wer kennt schon einen IS-Kämpfer mit Namen? Abhilfe kann hier die eigene Recherche schaffen. Manche Medienberichte nennen Namen. Webseiten wie «Adopt a Terrorist» enthalten sogar zusammengestellte Fotogalerien, die aber schwerpunktmässig nur die prominenten Terroristen erfassen. Doch natürlich kann man auch für das Gesicht eines unbekannten IS-Anhängers beten und ihm – so ein Vorschlag der Gebetsinitiative – gleich einen neuen Namen geben, ihn quasi adoptieren und in eine neue Bestimmung hinein «taufen». Der Anspruch des regelmässigen Gebets für Feinde ist recht hoch. Die Gründer der Initiative halten denn auch fest, dass sie nicht in erster Linie Facebook-Freunde sammeln, sondern eine verbindliche Gemeinschaft an Betern sein wollen.

Feindesliebe als Reformation

Schon lange vor dem Lutherjahr und dem Reformationsjubiläum stellte Walter Wink einen Bezug zwischen Reformation und Feindesliebe her. Einen Bezug, der gut zum Beten für IS-Kämpfer passt: «Ich gebe zu bedenken, dass die entscheidende religiöse Frage heute nicht mehr die Frage der Reformation sein sollte, 'Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?', sondern vielmehr 'Wie finden wir Gott in unseren Feinden?' Was die Schuld für Luther war, ist für uns der Feind geworden: der Stecken, der uns zu Gott treiben kann. Was oft eine reine Privatangelegenheit war – Rechtfertigung aus Gnade durch Glauben – ist in unserem Zeitalter so gross geworden, dass es die Welt umgreift. Wie John Stoner anmerkte, können wir uns vor unseren Feinden ebenso wenig retten wie vor unseren Sünden, aber Gottes erstaunliche Gnade rettet uns vor beidem. Tatsächlich gibt es für unsere Zeit keinen anderen Weg zu Gott als durch unseren Feind, denn den Feind zu lieben ist zum Schlüssel geworden, sowohl für das Überleben der Menschheit im Atomzeitalter als auch für persönliche Veränderung.»

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Datum: 25.09.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / kath.net

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