Kommentar

Die Sehnsucht nach gläubigen Promis

Sie ist kaum im Amt, da betonen christliche Nachrichten bereits, dass Theresa May «eine von uns» ist, eine gläubige Christin. Was über die neue britische Premierministerin verbreitet wird, sagt allerdings mehr über die christlich geprägten Empfänger dieser Nachricht aus als über sie selbst. Ein Kommentar von Hauke Burgarth.
Theresa May
Angela Merkel

Theresa May (59) ist die neue britische Premierministerin. Direkt mit Bekanntgabe ihrer neuen Verantwortung unterstrich die christliche Presse: «Natürlich werden viele Menschen zu Recht feiern, dass May eine Frau ist. Aber vielleicht noch interessanter ist, dass die neue Führerin Grossbritanniens eine engagierte Christin ist. Sie ist die Tochter eines Vikars der Kirche von England und bereits ihr ganzes Leben lang eine aktive Christin.» Was steckt hinter solchen Äusserungen?

Einer von uns

Zunächst einmal tut es gut festzustellen, dass ein Prominenter «jemand von uns» ist. Das stärkt das christliche Wir-Gefühl. Vielfach werden Christen in der Gesellschaft als Menschen dargestellt, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen und deshalb den Glauben brauchen. Da ist es wohltuend, den Schulterschluss mit Menschen zu suchen, die berühmt, bekannt und kompetent sind. Und als Christen leben. So wird schnell weitergegeben, dass Theresa May Pfarrerstochter ist und «regelmässig eine anglikanische Kirche besucht». Auch das Bekenntnis der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zum christlichen Glauben findet eine breite Leserschaft – ein Artikel darüber gehört zu den meistgelesenen Livenet-Texten des letzten Jahres. Dasselbe gilt für Stars und Sternchen unter Musikern, Sportlern oder Wirtschaftsgrössen. Zunächst einmal ist daran auch gar nichts negativ. Wenn jemand Prominentes bekennt, dass er an Gott glaubt, ist das für Christen tatsächlich ein Grund zur Freude. Nur warum sollte die Freude grösser sein als über den gläubigen Max Mustermann?

Heraus aus der Kritik

Wirklich schwierig wird das Herausstellen von scheinbar christlichen Persönlichkeiten, wenn es dazu dient, die eigene Macht zu stärken oder Prominente vor Kritik zu schützen, nur weil sie «gläubig» sind. Aktuell lässt sich dies im US-Wahlkampf beobachten, besonders an der Person von Donald Trump. Da der republikanische Präsidentschaftskandidat offensichtlich gemerkt hat, dass er die Wählerstimmen der Christen braucht, bezeichnet er sich inzwischen als «enorm gläubig». Und weil Christen in den USA traditionell stark zu den Republikanern halten und ihren Einfluss nicht verlieren wollen, stellen viele Evangelikale Trump als die christliche Alternative zu Hillary Clinton dar. Es soll hier nicht darum gehen zu entscheiden, welcher Kandidat tatsächlich der bessere oder der geistlichere ist, aber wenn ein christlicher Bestsellerautor wie Eric Metaxas für den «Christen» Trump wirbt und Clinton als «Hitlery» verteufelt, dann wird sehr deutlich, dass der Glaube hier nur ein vorgeschobenes Argument ist.

Der Blick über den Ozean darf allerdings nicht davon ablenken, dass dieselben Mechanismen auch hier in Europa funktionieren. Aus der Entfernung sind sie nur manchmal leichter wahrzunehmen. So dient ein «aber er ist doch Christ» gegenüber Prominenten oft dem eigenen Vorteil oder dem geistlichen Rosinenpicken – wenn ein Politiker zum eigenen Lieblingsthema die «richtige» Meinung vertritt, dann werden andere Bereiche gern ausgeblendet. 

Ein falscher Schein von Grösse

Der Schreiber des Jakobusbriefs hat seine Empfänger sehr deutlich vor Personenkult in der Gemeinde gewarnt: «Liebe Brüder, haltet den Glauben an Jesus Christus, unsern Herrn der Herrlichkeit, frei von allem Ansehen der Person …» (Die Bibel, Jakobus, Kapitel 2 Vers 1). Reiche oder Prominente sollen unter Christen nicht mehr gelten als Arme oder Unbekannte. Allerdings auch nicht weniger. Ein Bekenntnis zu Gott von Sportlern oder Politikerinnen ist weiterhin ein Grund zur Freude. Christen müssen allerdings der Versuchung widerstehen, sich mit einem Promi-Bonus zu schmücken. Sich selbst wichtiger zu fühlen, nur weil ein prominenter Mensch auch Christ ist.

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Datum: 18.07.2016
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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