«Bedrohung für Privatsphäre»

Amnesty International bedauert Ja zum Nachrichtendienstgesetz

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bedauert, dass das Nachrichtendienstgesetz (NDG) angenommen wurde. Es ermögliche «unverhältnismässige Überwachungsmassnahmen» und stelle eine Bedrohung für die Privatsphäre und die Meinungsäusserungsfreiheit dar. Das Stimmvolk nahm die Vorlage am 25. September mit 65,5 Ja- zu 34,5 Nein-Stimmen an.
Büro mit Computerbildschirmen und grosser Leinwand

«Dass die Mehrheit der Stimmberechtigten dem Nachrichtendienstgesetz zugestimmt hat, zeigt wohl, dass die Angst vor Terroranschlägen auch in der Schweiz überwiegt», sagt Patrick Walder, Kampagnenkoordinator bei Amnesty International Schweiz, gemäss Mitteilung. Er bezweifelt allerdings, dass mehr Überwachung automatisch auch mehr Sicherheit bringe. «Sicher ist hingegen, dass unverhältnismässige Überwachung unsere Rechte und Freiheiten bedroht.»

Der recht hohe Anteil Nein-Stimmen zeige, dass viele Menschen in der Schweiz ernsthaft über den Schutz ihrer Privatsphäre besorgt seien. «Die Regierung muss diese Bedenken bei der Umsetzung des Gesetzes berücksichtigen.»

Kabelaufklärung und Vorratsdatenspeicherung

Amnesty International Schweiz kritisiert insbesondere zwei Massnahmen als unverhältnismässige Verletzung der Privatsphäre: Die Kabelaufklärung und die Vorratsdatenspeicherung. Die Kabelaufklärung ermögliche dem Nachrichtendienst des Bundes, «grenzüberschreitende Signale aus leitungsgebundenen Netzen zu erfassen». Das heisst laut AI, dass der Nachrichtendienst alle Datenströme, die über die Schweizer Grenze fliessen, anzapfen und mit Stichworten durchsuchen könnte. Der Geheimdienst hätte damit Zugriff auf Metadaten und auf sämtliche Inhalte der elektronischen Kommunikation wie Mails, Suchanfragen oder Internet-Telefonie.

In der Schweiz sind laut Amnesty sämtliche Anbieterinnen von Post-, Telefon- und Internetdiensten verpflichtet, das Kommunikationsverhalten ihrer Kunden für sechs Monate aufzuzeichnen. Erfasst würden sämtliche Kommunikationsmittel wie Telefon, Internet oder E-Mail. Eine solche Überwachungsmassnahme stelle «einen schweren Eingriff in den verfassungsmässig garantierten Schutz der Privatsphäre dar».

Diskussion begrüsst

Die Menschenrechtsorganisation war nicht Teil des Referendumskomitees gegen das Gesetz, begrüsste aber, dass dank des Referendums eine breite Diskussion über Überwachung und den Schutz der Privatsphäre geführt werden konnte.

Auch der Islamische Zentralrat der Schweiz bedauert die Annahme des Gesetzes. Er bewertet den hohen Anteil an Ja-Stimmen als Ausdruck «einer durch die anhaltende Islam-Debatte weit verbreiteten Verunsicherung der Gesellschaft», heisst es in einer Mitteilung vom 25. September.

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Datum: 26.09.2016
Quelle: kath.ch

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