Das Leben ruht nicht

"Wenn ich vollständig gelähmt bin, dann falle ich nur bis in den Rollstuhl"

Dieser Mann ist hart im Nehmen. Hans Eberhard blickt 40 Jahre zurück in ein Leben voll schrecklicher Überraschungen und einer Heilung von Krebs.
Hans Eberhard.
Hans und seine Frau Eliane beim Gleitschirmfliegen. Er macht auch heute noch verrückte Dinge, solange er noch kann.

Es begann mit einem schweren Skiunfall im Tösstal. Hans Eberhard war damals gerade mal 17 Jahre alt. Er sprang über eine kleine Schanze, kam in den Neuschnee und brach sich das Bein. Hans Eberhard wurde am Bein operiert. Alles verlief normal, bis sich die Wunde entzündete. Man vermutet heute, dass zwei der sieben Schrauben, die eingepflanzt wurden, nicht steril waren. Mit Cortison wurde die Entzündung bekämpft. Eine weitere Notoperation sollte Hans Eberhards Bein retten. Doch die Entzündung war dermassen schwer, dass die Niere überfordert war, die Gifte im Körper abzubauen. Es kam zur Nierenvergiftung.

Monatelang ans Bett gefesselt

Für Hans Eberhard begann eine Krankenhausodyssee. Er musste immer wieder monatelang das Bett im Krankenhaus hüten, um dazwischen für kurze Zeit zu Hause ein mehr oder weniger normales Leben führen zu können. Immer weniger Freunde und Kollegen der Schule meldeten sich bei ihm. Schliesslich hatte er alle Freunde verloren und war allein auf sich gestellt.

Hans wuchs katholisch auf und hatte eher einen über Jahre eingeübten und unpersönlichen Glauben an Gott. Heute spricht Hans Eberhard, 56, sehr distanziert über die Zeit im Krankenhaus:" Ohne Glaube wäre ich schon lange nicht mehr am Leben, ich hatte keine andere Option, keine Vision, ich wäre damals einfach dahinvegetiert. Ein katholischer Pater hat mir in meiner Krankenhauszeit beigerbacht, dass ich eine persönliche Beziehung zu Jesus haben könnte. Meine Beziehung zu Jesus ist stark gewachsen in dieser schweren Zeit. Ich habe immer wieder erlebt, dass Gott mich nicht fallen lässt."

Sein Leben hing an einem Faden

Nach einigen Jahren Einsamkeit im Krankenhaus lief ihm Eliane, seine heutige Ehefrau, über den Weg. "Eliane ist eine extrovertierte Persönlichkeit. Geht auf Menschen zu. Sie ist genau das Gegenteil von mir. Sie hat mich fasziniert," berichtet Hans. Mit 24 Jahren heiratete Hans. Drei Jahre lang versuchten Hans und Eliane ein normales Leben zu führen und sich eine Zukunft, in der auch eine Familie geplant war, aufzubauen.

Mit 27 Jahren erfuhr Hans überraschend, dass er Hodenkrebs habe. Im ganzen Körper wurden Metastasen nachgewiesen. Eine Operation und eine Bestrahlungstherapie folgten. Sein Körpergewicht schwand auf 45 kg. Er war so schwach, dass er nicht mehr aus dem Bett steigen konnte. Sein Leben hing nur noch an einem Faden. Die Ärzte wussten nicht mehr weiter. Hans Eberhard vertraute auf das Gebet und er sagte sich: "Ich will mich jetzt ganz Gott anvertrauen. Entweder heilt er mich oder ruft mich zu sich." So lehnte er im Blick auf Gott alle zusätzlichen Medikamente ab, die keine Heilung herbeiführen konnten, sondern nur noch die Krankheit hinausgezögert hätten. Eliane und seine Freunde unterstützten ihn in dieser Entscheidung.

Der Grossteil der Ärzte hingegen fand es anmassend, in dieser Situation auf Gott zu vertrauen. Doch es blieb kaum mehr Zeit. Hans Eberhard: „Als es mir sehr schlecht ging, und die Ärzte mir nur noch einige Wochen einräumten, beteten wir gemeinsam mit Freunden in der Spitalkapelle nach Jakobus 5. (Krankensalbung). Von diesem Moment an verschlechterte sich mein Zustand nicht mehr. Einige Wochen später bekam ich nach einer Untersuchung sogar die Diagnose: vollständig geheilt.“ Hans und Eliane waren ausser sich vor Freude. Die Ärzte waren irritiert, konnten sich die Heilung nicht erklären.

Ein weiterer Schicksalsschlag

Nach den vielen Spitalaufenthalten und Auf und Ab in seinem Leben arbeitete Hans als Lehrmeister für verhaltensauffällige Jugendliche. Hans und Eliane führten ein ganz normales Leben, leider ohne Kinder. Einige Jahre später, 1994, zeigten sich als Langzeitfolge der vielen Bestrahlungen des Hodenkrebses Beinlähmungen.

1998 wurde Hans Eberhard von der IV 98,6% als arbeitsunfähig eingestuft. "Als ich diesen Bescheid bekam, dass ich total arbeitsunfähig bin, sagte ich mir: Jetzt kannst du dich in den Abfall schmeissen. Jetzt bringst du keine Leistungen mehr. Ich musste mich als Mann sehr stark damit auseinandersetzen. Fragen wie: Was bist du noch wert als Mann? Was kannst du noch bringen? beschäftigten mich Tag und Nacht."

Für Hans Eberhard war diese Einstufung zur totalen Arbeitsunfähigkeit der absolute Tiefpunkt in seiner Anamnese. "Heute habe ich meine Einstellung zur Leistungsfähigkeit total geändert. Allerdings musste ich zuerst lernen, damit umzugehen. Mit Krankheit umzugehen war ich gewohnt, aber nicht mehr leistungs- und- arbeitsfähig zu sein, war für mich eine ganz neue Herausforderung.“

Vom Schicksal weich geklopft

Heute ist Hans Eberhard als Seelsorger im CEVI Zentrum Hasliberg, welches seine Frau gemeinsam mit einer Kollegin leitet, tätig. Die Arbeit liegt ihm sehr. Seine breite Lebenserfahrung ist ihm in der seelsorgerlichen Betreuung von Menschen zur Hilfe geworden. Erstaunlich ist, dass sich kein bisschen Bitterkeit in seinen Aussagen zeigt, trotz seiner tragischen Vergangenheit.

Doch das Leben ruht nicht. Bereits ein weiterer Schicksalsschlag blüht ihm: der Rollstuhl. Das Zitat von Marie von Ebner- Eschenbach "Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft. Es kommt auf das Material an." trifft auf das Leben von Hans Eberhard genau zu. Auf die Frage, wie er denn zu seinem Schicksal im Rollstuhl stehe, sagt er erneut: "Ich habe immer wieder erlebt, dass Gott mich nicht fallen lässt, "und fügt an, "wenn ich vollständig gelähmt bin, dann falle ich nur bis in den Rollstuhl."

Datum: 24.02.2006
Autor: Iris Muhl
Quelle: Livenet.ch

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