Früher geächtet, heute geliebt

«Die Medizin heilt die Haut, aber nur Liebe kann das Herz heilen»

Amar Timalsina
Amar Timalsina (rechts) mit Shovakar Kandel, Leiter der Lepra-Mission Nepal (wird im Artikel nicht erwähnt)

erkrankte im Alter von zehn Jahren an Lepra. Er wurde geächtet und isoliert. Niemand wollte ihn mehr berühren. Seine vielen Verwandten wurden über Nacht zu Fremden. Er wollte nicht mehr leben. Doch die heimtückische Krankheit hatte nicht das letzte Wort… Heute setzt sich der engagierte Christ für andere Menschen ein, die unter dem Stigma leiden.«Der Ausdruck auf dem Gesicht meiner Eltern sagte mir alles. Mein Leben war dem Untergang geweiht», erinntert sich Amar Timalsina. «Als ich nach dem Spitalaufenthalt nach Hause kam, wurde aus dem Meer meiner Verwandten eine Wüste von Fremden.» Niemand wollte mehr in der Nähe des damals zehnjährigen Amar sein. «Ich war ein Ausgestossener mitten unter meinen Leuten. In diesem Alter bedeutet das Fehlen einer Berührung durch die Mutter und den Vater fast den Tod.»

Zu Festen und Partys, die er liebte, hatte er plötzlich keinen Zutritt mehr. «Die Lehrer in der Schule sagten nicht direkt, dass ich nicht mehr zum Unterricht kommen soll, aber sie rieten mir, dass ich daheim bleiben könne und sie mir den Unterrichtsstoff weiterleiten würden. Sie wollten nicht in meiner Nähe sein.»

Amar wollte sterben

Die Ablehnung war so stark, dass Amar nicht mehr leben wollte. «Ich betete jeden Abend, dass ich sterben möge.» Doch er erwachte am Morgen jeweils wieder. «Jeder Tag bestand aus schlechter Behandlung, Ausgrenzung, üblen Worten und Verfluchungen.»

Als sein Gesundheitszustand sich zusehends verschlechterte, suchten seine Eltern Hilfe bei Hexendoktoren, doch alles war vergeblich. Sie konnten nicht helfen und auch nicht herausfinden, woran er litt. Eineinhalb Jahre dauerte die Irrfahrt, bis er ins Anandaban-Spital in der Nähe der nepalesischen Hauptstadt Katmandu kam. Hier im Lepra-Spital wurde die Diagnose gestellt. Drei Monate wurde er dort behandelt. «Als ich zurück in unser Dorf kam, wussten alle Bescheid.» Umgehend setzte die oben beschriebene Ablehnung ein.

Im Lepra-Spietal dagegen ging man völlig anders mit ihm um. Dort konnte die Krankheit behandelt werden und er erlebte Wertschätzung durch das Personal – er wurde als Mensch mit Wert behandelt. «Ich bekam wieder Hoffnung.»

Harte Jahre

Von 1989 bis 1995 nahm er die Medizin. Es sei eine sehr schwere Zeit gewesen. «Ich litt unter den Nebenwirkungen. Es dauert lange, sich von Lepra zu erholen. 40 Mal musste ich in dieser Zeit ins Spital gehen. Manchmal war der Schmerz so unerträglich, dass ich auf dem Heimweg gleich wieder kehrt machte.»

Hoffnung gefunden

Die Behandlung schritt voran und seine Bekannten stellten fest, dass Lepra nicht ein Fluch der Götter ist, sondern dass es eine Krankheit ist, die geheilt werden kann. «Das Spital war ein Ort der Hoffnung.»

Ein Arzt im Spital sorgte dafür, dass Amar die Schule in einem Waisenhaus weiterführen konnte. Drei Jahre verbrachte er dort. «Wichtig zum Überleben war nicht einzig die Medizin. Ich erhielt auch Liebe und Inspiration von den Mitarbeitern, das war gleichwertig wichtig.» Zudem fand er zum christlichen Glauben, durch den er ebenfalls Hoffnung und Würde erlebte – immerhin hatte Jesus einst Lepra-Kranke berührt.

Amar bildete sich weiter. Heute ist er zum Fürsprecher für andere Lepra-Kranke geworden. Er ist Mitglied im internationalen Vorstand der Lepra-Mission und setzt sich bei NGOs, Regierungen und in Kirchen für die Anliegen dieser Leidgeplagten ein.

Heute respektiert

Heute ist Amar zudem zweifacher Familienvater. «Und ich bin in jede Ecke meines Landes gereist.» Er steht anderen Betroffenen bei. «Durch die Medizin heilen die Zeichen auf unserer Haut. Doch nur Liebe und Leidenschaft können unsere Herzen heilen.»

Neben seiner Arbeit für die Lepra-Mission wirkt er als Vorsitzender einer Schule in Katmandu.

Heute ist Amar in seiner Gesellschaft geliebt und akzeptiert. «Ich geniesse Respekt und bin in jedermanns Haus willkommen. Die ökonomischen Umstände spielen eine grosse Rolle und ich bin gebildet. Der soziale Status hilft enorm, das Stigma zu ändern.»

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Datum: 19.06.2018
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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