Die erste Reise der Brüder Josephs nach Ägypten

In den Kapiteln 39 und 40 wird kein Wort von Jakob und seinen übrigen Söhnen gesagt. Jetzt wechselt die Szene von Ägypten nach Kanaan hinüber. Während der weltweiten Hungersnot hörte Jakob, in Ägypten solle es genügend Nahrung geben. So beschloss er, alle seine Söhne, ausser Benjamin, auszuschicken, damit sie Getreide kauften. Sie hatten auch keine andere Wahl. Es hiess: kaufen oder verhungern.Sie kamen nach Ägypten und standen vor dem Herrn des Landes; keiner ahnte, dass es Joseph war. Er redete sie zunächst hart an und bezichtigte sie, Spione zu sein. Als sei es nur zufällig, fragte er sie, ob ihr Vater noch lebe und ob sie noch mehr Brüder hätten (43,7). Von allen möglichen Fragen hätten keine beunruhigender sein können!Die Brüder sind ein Bild des Volkes Israel in der gegenwärtigen Zeit. Sie sind beiseite gestellt, doch nicht für immer. Sie sind mit Blindheit gestraft, weil sie den Messias nicht annehmen wollten. Paulus sagt:Aber ihr Sinn ist verstockt worden, denn bis auf den heutigen Tag bleibt dieselbe Decke auf der Vorlesung des Alten Testaments … Aber bis heute, sooft Mose gelesen wird, liegt eine Decke auf ihren Herzen« (2. Kor. 3,14.15).Wenn aber der Herr als König wiederkommt, wird die Decke in Christus beseitigt werden und sie werden Ihn annehmen: »Dann aber, wenn es sich zum Herrn wendet, wird die Decke weggenommen« (2. Kor. 3,14.16)Trübsale haben ein Ziel (1. Mose 42 - 45)Es mögen fünfundzwanzig Jahre vergangen sein, seit die Brüder Joseph in die Grube geworfen hatten. Jetzt begann eine Zeit der Trübsal und des Kummers für diese zehn Männer, die aber dazu dienen sollte, sie zur Busse und zu ehrlichem Bekenntnis zu führen. Höchst wahrscheinlich hatte Joseph ihnen in seinem Herzen längst verziehen; aber das konnte er ihnen nicht sagen, bevor sie ihre Sünde bekannt hatten.All dies weist auf die Zerstreuung der Stämme Israels und auf die Drangsalszeit hin, die sie vor der Rückkehr des Messias in Herrlichkeit durchmachen müssen (Jer. 30,7; Matth. 24,3-31). Er wird an ihrem Gewissen arbeiten, bis sie auf Den schauen, den sie durchbohrt haben, dann werden sie über Ihn wehklagen wie über einen einzigen Sohn (Sach. 12,10).Was die Vergebung angeht, besteht heutzutage ein schreckliches Durcheinander. Eine Mutter z. B. geht ins Gefängnis und sagt dem als Mörder ihrer Tochter Überführten, sie wolle ihm vergeben. Ist das Gerechtigkeit? Er hat weder seine Sünde bekannt, noch um Vergebung gebeten. Wie muss man sich da der Bibel gemäss verhalten?Wenn einem Menschen Unrecht angetan wurde, so sollte er dem Schuldigen in seinem Herzen vergeben, ihm aber nicht sagen, ihm sei alles verziehen. Das wird nur dessen Bosheit Vorschub leisten, weil es so aussieht, als habe er nichts wirklich Schlimmes getan.Der nächste Schritt ist die Zurechtweisung des Bösen. »Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht … » (Luk. 17,3). Am besten tut man das, wenn man ihm anhand der Bibel zeigt, was er Böses getan hat. Die richtige Anwendung des Gesetzes ist die Überführung von Sünde (1. Tim. 1,8).Niemals darf man dem Schuldigen die Vergebung zusprechen, solange er nicht Busse getan hat. »Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht, und wenn er bereut, so vergib ihm« (Luk. 17,3). Wir sehen, dass Joseph dieser Regel im Umgang mit seinen Brüdern folgt. Er offenbarte sich ihnen erst, als sie ihre Schuld anerkannt hatten.Viele Menschen meinen irrtümlich, dass als der Herr gebetet hatte: »Vater, vergib ihnen!«, Seinen Feinden automatisch Vergebung zuteil wurde. Das stimmt nicht. Judas ist nicht vergeben worden. Das Gebet galt nur solchen, die für diesen Mord Busse tun würden.Brüder, die ihn aber nicht erkannten (1. Mose 42,8)Als Josephs Brüder ihn bei ihrem ersten Besuch sahen, erkannten sie ihn nicht. Es ist wahr, sie waren alle fünfundzwanzig Jahre älter geworden, doch sollte man meinen, dass auch dann noch einige Erinnerung vorhanden ist. Ein wenig Familienähnlichkeit kann man eigentlich voraussetzen, oder ein anderes bleibendes Merkmal, das auf Josephs Identität hinwies. Doch schweigt die Schrift darüber. Es gibt nicht den leisesten Hinweis, dass sie etwas von der Blutsverwandtschaft mit dem Herrn Ägyptens ahnten.Das weist deutlich auf den Zustand des Judenvolkes bei Christi erstem Advent hin. Sie verwarfen den Messias, obwohl Er Seinem Stammbaum nach rechtlichen Anspruch auf den Thron Davids hatte (Matth. 1). Sie verwarfen Ihn sogar, obgleich Er die Wunder tat, die von dem Messias geweissagt waren. Sie verwarfen Ihn, obwohl viele andere messianische Voraussagen durch Ihn erfüllt wurden.Ja, trotz all dieser Tatsachen erkannten Ihn Seine jüdischen Brüder nicht. Sie nahmen Ihn nicht als ihren Messias an. Wegen dieser Ablehnung liegt jetzt eine Decke auf ihren Augen, wenn sie das Alte Testament lesen (2. Kor. 3,14-15). Diese Blindheit ist eine Strafe, wie schon Jesaja vorausgesagt hat (Jes. 6,9-10). Sie ist ein Gericht, das über sie verhängt wurde.Wenn sich ein einzelner Jude zu dem Herrn wendet, zerreisst der Vorhang (2. Kor. 3,16) und die messianischen Schriften beginnen für ihn zu leuchten und werden voller Bedeutung. Aber über dem Volk als Ganzem wird der Vorhang bestehen bleiben, bis der Herr in grosser Kraft und Herrlichkeit wiederkommt.Bekannte Gesichter (1. Mose 42,8)Obwohl sie älter geworden waren, muss ihre Ähnlichkeit erhalten geblieben sein. Vielleicht gab der Herr dem Joseph auch eine besondere Gabe des Erkennens. Seine Brüder erkannten ihn nicht, er aber erkannte sie.Als Jesus auf die Erde kam, begriff Sein Volk nicht, wer Er wirklich war. Er sagte zu Philippus, einem Seiner ersten Jünger: »So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus« (Joh. 14,9). Er aber kannte sie und Er wusste, ob sie ungläubig oder wirklich Seine Schafe waren (Joh. 10,27). Bei einer Gelegenheit sagte Er den Pharisäern: »Ihr kennt weder mich noch meinen Vater« (Joh. 8,19). Ein anderes Mal sagte Er dem Volk: »Ich kenne euch …« (Joh. 8,42).Bekümmerte Gewissen (1. Mose 42,21)Zunächst beugten sich Josephs Brüder vor ihm, so wie er ihnen bei der Deutung des Traumes vorhergesagt hatte (1. Mose 37,8). Nun müssen wir beachten, wie er ihr Gewissen weckt.Als sie ihn baten, Nahrung kaufen zu dürfen, klagte er sie der Spionage an. Das hatten sie damals sicher auch getan (1. Mose 37,17-18). Als sie ihre Familienmitglieder aufzählten, sagten sie: »Der Jüngste ist heute bei seinem Vater (geblieben), und der eine – er ist nicht mehr.« Die Erwähnung des Jüngsten gab dem Herrn über Ägypten Anlass zu der Forderung, ihn herbeizuschaffen, und die vielsagende Bemerkung: »der eine – er ist nicht mehr« zeigte ihm deutlich, dass sie wirklich nicht wussten, mit wem sie es zu tun hatten.Der Herr Ägyptens ordnete an, einer der Brüder solle den jüngsten Bruder holen, während die anderen im Gefängnis darauf warten müssten. Das reichte, um ihre Herzen verzagt zu machen. Benjamin seinem Vater wegzunehmen, hätte dessen Tod bedeutet. Nachdem sie drei Tage im Gefängnis gesessen hatten, änderte Joseph die Bedingungen. Einer der Brüder sollte im Gefängnis bleiben, und die anderen durften nach Kanaan ziehen, um den Jüngsten zu holen. Der Vater trauerte immer noch um Joseph, und nun sollten sie ihm auch Benjamin fortnehmen, dieser Gedanke erfüllte sie mit Angst und Verwirrung.Sie hatten Joseph vielleicht auch drei Tage lang in der Grube fest gehalten. Ihre dreitägige Gefangenschaft gab ihnen Zeit, ihren augenblicklichen Kummer mit dem zusammenzubringen, was sie ihrem Bruder angetan hatten. Der Herr Ägyptens richtete alles auf solche Weise ein, damit ihre Erinnerung wach und ihr Gewissen durchbohrt wurde, und dass sie darüber nachdachten, warum es zu diesem Elend gekommen war. »Um ihr schlafendes Gewissen aufzurütteln, wiederholte Joseph so gut wie möglich die Behandlung, die sie ihm hatten widerfahren lassen« (F.B. Meyer). Die Methode hatte Erfolg. Zuerst bekannten sie voreinander ihre Schuld:Fürwahr, wir sind schuldbeladen wegen unseres Bruders, dessen Seelenangst wir sahen, als er uns um Gnade anflehte, wir aber nicht hörten. Darum ist diese Not über uns gekommen (1. Mose 42,21).Blutschuld (1. Mose 42,22)Ruben stimmt in das Schuldeingeständnis der Brüder ein:Habe ich nicht zu euch gesagt: Versündigt euch nicht an dem Jungen? Aber ihr habt nicht gehört; doch siehe, sein Blut wird gefordert! (1. Mose 42,22).Seine Erwähnung der Blutschuld hat einen überaus traurig bekannten Klang. Wir werden dadurch an das Geschrei der wütenden Volksmenge erinnert, die Pilatus zurief: »Sein Blut (komme) über uns und über unsere Kinder!« (Matth. 27,25).Diese Worte bestätigen auch ein gewisses Mass an Busse unter den Brüdern, und sie weisen auf die Zeit hin, wenn Israel auf den Messias blicken wird, den sie durchbohrt hatten. Dann werden sie über Ihn die tiefste Trauer empfinden (Sach. 12,10).Keine Geheimnisse (1. Mose 42,23)Sie meinten sicher, dieser hohe Herr sei ein reinblütiger Ägypter, der kein Hebräisch verstand. Er selbst hatte ja einen Dolmetscher gebraucht. Aber er verstand jedes Wort, was sie untereinander sprachen. Er hörte, wie sie sich gegenseitig bekannten, dass sie ihn so schrecklich behandelt hatten.Auch unser Herr wusste, was im Geheimen geredet wurde. Als die Jünger miteinander überlegten, was es mit dem vom Herrn erwähnten Sauerteig auf sich habe, erkannte Er, was sie verhandelten (Matth.16,7-8). Als die Schriftgelehrten leise übereingekommen waren, der Herr habe Gott gelästert, weil Er Sünden vergab, wusste Er jedes einzelne Wort (Mark. 2,8). Bei anderer Gelegenheit wusste Er sogar, was sie dachten (Matth. 12,14-15,25; 27,18; Luk. 6,8; 9,46-47).Barmherzigkeit und Gnade (1. Mose 42,25)Obwohl Joseph hart mit ihnen geredet hatte, versorgte er sie mit Getreide, Geld und Wegzehrung. Simeon, den man für einen der grausamsten unter den Brüdern hält, musste im Gefängnis bleiben, während die anderen nach Hause ziehen durften. Man darf nicht vergessen, dass Simeon der älteste anwesende Bruder war, als man Joseph an die Midianiter verkaufte.Josephs reichliche Vorsorge erinnert uns an die Grosszügigkeit des Herrn Jesus Christus. Obwohl Er reich war, wurde Er um unseretwillen arm, auf dass wir reich würden (2. Kor. 8,9).Auf der Heimreise fand einer der Brüder sein Geld in seinem Sack. Sehr beunruhigend! – um nicht mehr zu sagen. Konnte der hohe Herr sie nun des Diebstahls bezichtigen? Aber wie wuchs erst das Erschrecken, als alle zu Hause die Säcke öffneten und ebenfalls ihr Geld fanden. Das liess Zweifel an ihrer Beteuerung aufkommen, ehrliche Leute zu sein. Die Strategie Josephs, sie zur Busse zu leiten, setze sich wirksam fort.Noch weitere Spannungen entstanden, als sie Jakob eröffneten, Benjamin müsse beim nächsten Mal mit ihnen gehen. Der alte Mann reagierte wie erwartet; er war von tiefem Schmerz erfüllt. Darum wollte er ihnen den Jüngsten nicht mitgeben. Ruben versprach, die Sicherheit Benjamins zu garantieren, und bot im Falle des Versagens das Leben seiner beiden Kinder an. Aber auch das half nichts. Jakob blieb felsenfest. Erst als die Hungersnot ganz bedrohlich wurde und Juda sich selbst als Sicherheit für Benjamin anbot, gab Jakob, wenn auch wehklagend, nach.Der alte Patriarch gab ihnen Früchte, Nüsse, Balsamharz, Honig und Gewürze für den Herrn Ägyptens mit, und das zurückgebrachte Geld verdoppelte er.Gottes suchende Liebe war unermüdlich hinter den Brüdern her.Fortsetzung: Die zweite Reise der Brüder Josephs nach Ägypten

Datum: 02.10.2007
Autor: William Mac Donald
Quelle: Joseph erinnert mich an Jesus

Verwandte News
Werbung
Werbung
Livenet Service