Karriere in der Bibel: Jonathan

Die Spannung zwischen Loyalität und Freundschaft

Kann es sich lohnen, den Lebenstraum aufzugeben und die vorgesehene hohe Stellung einem anderen zu überlassen? Jonathan hat die Wahl. Er setzt auf Freundschaft.
Freunde in der Zerreissprobe: Jonathan und David

Aussergewöhnliche Qualitäten zeichnen Jonathan aus. Sein Vater Saul, der erste König der Israeliten im 11. Jahrhundert vor Christus, überträgt ihm früh das Kommando über einen Teil der Streitkräfte. Doch die Israeliten sind die Underdogs, zahlenmässig schwach und kaum organisiert. Ohne geschmiedete Waffen sind sie den Philistern, dem kriegerischen Nachbarvolk im Westen, hoffnungslos unterlegen (Die Bibel, 1. Samuel, Kapitel 13).

Im Gottvertrauen furchtlos

Doch Jonathan hat Mut. Wenn andere sich aus Angst verkriechen, gibt ihm die Gefahr Anlass zu einer kühnen Tat. Bei einem Aufmarsch der Philister wagt er mit dem Burschen, der seine Waffen trägt, eine Kommandoaktion gegen ihren Vorposten. Er vertraut dabei auf Jahwe, den Gott der Israeliten und spricht die Hoffnung aus: «Vielleicht tut Jahwe etwas für uns, denn nichts kann Jahwe daran hindern zu helfen, mit vielem oder wenigem» (14,6).

Der Tag des Triumphes

Doch die Philister auf dem hochgelegenen Posten verhöhnen die zwei Herausforderer unten im Tal und rufen sie übermütig herauf. Und: Sie bezahlen ihre Verachtung mit dem Leben. In ihrem Camp greifen Verwirrung und – durch einen Erdstoss – Schrecken um sich. Kopflos schlagen die Philister aufeinander ein; viele ergreifen die Flucht. Saul eilt mit seinen Truppen herbei und verfolgt sie. Die Truppe feiert Jonathan als Helden und hält Saul davon ab, ihn zu strafen. Denn Jonathan hatte gegen einen unsinnigen Befehl Sauls verstossen, der ihm jedoch wegen der bereits laufenden Kommandoaktion gar nicht bekannt war (14,24-45).  

Vom Exploit zur Zerreissprobe

Seine Eignung zum Leader hat Jonathan also mit einer kühnen Tat belegt. Bemerkenswert ist dabei: Der von Gottvertrauen genährte Mut paarte sich mit Loyalität zum zögerlichen Vater. Doch schon bahnt sich für Jonathan eine Zerreissprobe an, aus der es keinen Ausweg gibt. Saul hat in David einen anderen verwegenen Heerführer erhalten. Der sensationelle Triumph über den Philister-Riesen Goliath, der Jahwe verhöhnte, hat den jungen Mann aus Bethlehem auf einen Schlag berühmt gemacht. Er ist ein Multitalent: Wenn Saul depressiven Stimmungen verfiel, heiterte ihn David mit der Leier auf (16,23).

Kämpferherzen

Am Hof werden die beiden Kämpferherzen unzertrennliche Freunde. Laut der Bibel liebt Jonathan David «wie sein eigenes Leben» (18,1). Sie werden auch Schwager: David kann Sauls Tochter Michal heiraten. Doch die Wolken über Saul verdüstern sich, seit ihm der Prophet Samuel nach einer schweren Kompetenzüberschreitung mitgeteilt hat, dass Jahwe ihm als König keine Zukunft gibt. Saul wird zunehmend von Angstattacken geplagt. Seine Wertschätzung für David weicht Argwohn und Hass.

Wann kostet Freundschaft zu viel?

Jonathan warnt David und kann seinen Vater umstimmen – für eine Zeitspanne (19,4-7). Dann siegt das Misstrauen wieder: Saul will den Musiker mit dem Speer an die Wand nageln. David muss fliehen. Und Jonathan? Er verrät den Freund nicht – und wird selbst von Saul in Wutanfällen als Hurensohn beschimpft und mit dem Speer beworfen. Den Geächteten trifft Jonathan im Geheimen. Sie verbünden sich und schwören einander Treue (20,2-42).

Reifeprüfung

Jonathan hat in Lebensgefahr Kühnheit bewiesen. Er besteht auch die aufreibende, entwürdigende Reifeprüfung. Auf die Verwirklichung seines Lebenstraums, selbst König zu werden, verzichtet er. Jonathan erkennt an, dass Gott einen anderen ausgewählt für den Thron erhalten soll. Bis zum bitteren Ende  (31,1-2) bleibt er der loyale Mitstreiter seines Vaters. Zugleich hält er zu David, allen Belastungen und Drohungen zum Trotz. Statt als Fürst geht Jonathan als der treue Freund in die Geschichte ein.

Datum: 19.10.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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