Mann und Frau: Ist die Bibel von vorgestern?

Denn Gott hat den Menschen „als sein Bild, als Mann und Frau“ geschaffen.
Jesus achtete Frauen als gleichwertige Gegenüber.

Frau sagt heute selbst, was sie will, wer sie ist. Sie steht „ihren Mann“: Die Redensart deutet an, dass es einmal anders war. Hierzulande haben Frauen im Zuge der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, im Zeichen des Feminismus und der Pille, grosse Freiheiten errungen. – Was sollen da die Gebote und Geschichten der Bibel, Tausende Jahre alt?

Die Unsicherheit über das Zusammenleben der Geschlechter nimmt zu, da der Feminismus in manche Sackgassen geführt hat. Nostalgie kommt auf nach der Zeit, in der die Rollen von Mann und Frau klar waren. Doch können die Aussagen der Bibel heute noch ernst genommen werden?

Grundsätzlich dürfen die Aussagen nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Sie sind miteinander und vor dem Hintergrund der patriarchalen Gesellschaftsverhältnisse in der Antike zu lesen. Frauen waren damals generell stark benachteiligt; Männer konnten über sie verfügen; besonders wohlhabende Griechen nahmen sich alle Freiheiten. In der römischen Kaiserzeit war Ehebruch ein Delikt von Frauen, nicht aber von Männern.

Ganz anders: Jesus

Jesus lehrte und lebte ganz anders. Er achtete Frauen als gleichwertige Gegenüber. Für ihn begann der von Mose verbotene Ehebruch (des Mannes!) bereits mit dem begehrlichen Blick. Als eine rituell unreine Frau ihn berührte, verurteilte er sie nicht, sondern heilte sie. Er liess sich auf Gespräche mit unbekannten Frauen ein; unter seinen Nachfolgern waren Frauen akzeptiert.

Die jüdischen Gelehrten seiner Zeit debattierten, wie ein Mann eine Scheidung begründen konnte (der Frau stand es nicht zu, ihren Gatten zu verlassen). Jesus wies sie zurecht: Gott hatte dies nicht gewollt, nur zugelassen. Er zitierte Sätze aus der Schöpfungsgeschichte: „Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie von Anfang an als Mann und Frau geschaffen hat? Und dass er gesagt hat: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die beiden werden ein Fleisch sein. Also sind sie nicht mehr zwei, sondern sie sind ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden“ (Matthäus 19,4-6).

Ergänzung

Grundlegend ist für die ganze Bibel, dass Adam, der erste Mensch, ein Gegenüber brauchte. Ohne Frau war er allein, einsam. Gott schuf Eva als seine Ergänzung, ihm gemäss (1. Mose 2,18-25). Die Bibel macht deutlich, dass das lebenslange exklusive Miteinander, die Ehe eines Mannes und einer Frau, von Gott gewollt ist. Denn er hat den Menschen „als sein Bild, als Mann und Frau“ geschaffen (1. Mose 1,27). Gemeinsam, einander ergänzend – und sich fortpflanzend – sollen sie seine Schöpfung gestalten und verwalten. Die Ehe entspricht diesem Schöpfungsauftrag. Dies wertet die Single-Existenz nicht ab: Frau und Mann können einzeln Grossartiges leisten, einander freundschaftlich begegnen und in Arbeitsgemeinschaften bereichern.

In der Antike, in Mesopotamien und Ägypten wie später in Griechenland und Rom, kam diese Absicht Gottes – dass Mann und Frau einander als Ergänzung wertschätzen sollten – im sozialen Leben und in der Religion wie erwähnt nicht zum Ausdruck. Die allermeisten Frauen mussten sich fügen und hart arbeiten. Die Juden hoben sich durch ihre Sorge um die Familie ab.

Langfristig revolutionär: Paulus

Wenige Jahre nach Ostern, als die ersten (jüdischen) Christen Kontakt mit Nichtjuden aufnahmen, begann ein Prozess, der die Welt verändern sollte – und es überall dort tut, wo das Evangelium Fuss fasst (derzeit etwa in Indien). Wir können heute kaum wahrnehmen, welche Sensation es für jene Zeit bedeutete, als der Apostel Paulus den Heidenchristen in Galatien schrieb: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus“ (Galaterbrief 3,27,28). Gemeint ist nicht, dass der schöpfungsmässige Unterschied zwischen Mann und Frau verschwimmt, sondern: Sie gelten in Christus gleich viel und haben in seiner Gemeinde darum gleiche Würde.

Schweigen im Gottesdienst?

Nun finden sich in zwei Briefen von Paulus Sätze, die heute von manchen als ärgerlicher, ja inakzeptabler Gegensatz zu dieser grandiosen Proklamation des Einsseins in Jesus Christus gelesen werden. Die unreife Christen-Gemeinde von Korinth brauchte Anweisungen zum Umgang mit prophetischen Äusserungen im Gottesdienst. Paulus hielt in diesem Zusammenhang fest, Frauen sollten in der Versammlung schweigen und sich unterordnen – und zu Hause ihren Mann fragen, sollte ihnen etwas unklar sein (1. Korinther 14,34,35). Man muss berücksichtigen, dass Frauen im Korinther Gottesdienst beteten und prophetische Worte weitergaben (11,5). Wenn es aber ums autoritative Bewerten prophetischer Worte ging, sollten sie schweigen. Offenbar suchte Paulus so einem Benehmen zu wehren, das in der damaligen Gesellschaft die Christen in Misskredit gebracht hätte (14,40).

Die zweite Stelle, die Paulus für viele Feministinnen zum Feindbild macht, findet sich im ersten Brief an seinen Freund Timotheus (2,8-15). Auch da geht es primär um das Verhalten im Gottesdienst. Eine Frau dürfe nicht lehren oder über einen Mann bestimmen, sondern habe still zuhörend zu lernen, schreibt Paulus. Er begründet diese Weisung mit der Rolle Evas im Sündenfall (1. Mose 3), doch ist sie in eine konkrete Situation hinein gesprochen: Timotheus hatte die Gemeinden in Ephesus und Umgebung zu beaufsichtigen, wo der Kult der Göttin Artemis das öffentliche Leben prägte und die Frauen beeinflusste.

Voll dabei – und geschätzt

Paulus arbeitete regelmässig mit Frauen zusammen, wenn er Gemeinden aufbaute. Er schätzte ihr Wirken und die Gaben, die darin zum Tragen kamen, hoch ein. In den Grüssen, mit der er den Brief an die Römer Gemeinde beschliesst, stehen die Sätze: „Grüsst die liebe Persis; sie hat viel geleistet für den Herrn. Grüsst Rufus, der sich im Dienst für den Herrn ausgezeichnet hat, und seine Mutter, die auch mir eine Mutter geworden ist“ ( Römer 16,12.13). Andronikus und Junia, ein Ehepaar, bezeichnet Paulus als „angesehen unter den Aposteln“ (16,7). Die Stellen zeigen insgesamt, dass für Paulus das Miteinander von Männern und Frauen in der Gemeinde selbstverständlich war und Frauen prominent wirken konnten, dass aber in der Leitung des Gottesdienstes auf die patriarchale Prägung der damaligen Gesellschaft Rücksicht genommen wurde.

Dieser kurze Überblick kann die Vielfalt der biblischen Aussagen über das Verhältnis von Mann und Frau bloss andeuten. In den Geschichten des Buchs der Bücher schimmert das Thema in zahllosen Nuancen: Verlangen und Liebe, Neid und Eifersucht, Glück und Einsamkeit. Wer die Bibel liest, hat die Chance, blinde Flecken in seiner Wahrnehmung zu erkennen – und dem Schöpfer zu begegnen, der mehr ins Miteinander von Frau und Mann gelegt hat, als Worte ausdrücken können.

Weitere Infos: Ratgeber-Texte zum Zusammenleben in der Ehe

Datum: 03.06.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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