Atheismus

Auf der unbewussten Suche nach Gott?

Wie kann man mit Atheisten reden? Darüber gibt eine neue Studie der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) Auskunft. Sie trägt den Titel «Dialog und Auseinandersetzung mit Atheisten und Humanisten».
«Danke Gott, ich bin Atheist.»

Für das Gespräch mit Atheisten empfiehlt die Studie, die Prinzipien des interreligiösen Dialogs anzuwenden: Atheisten sollte mit Respekt begegnet und das Recht auf eine eigene Weltanschauung zugestanden werden. Wörtlich heisst es: «Atheisten und Konfessionslose sollten von Christen weder als Bedrohung für ihren Glauben angesehen noch als Menschen mit einem Mangel an religiöser Begabung deklassiert werden. Vielmehr ist immer wieder nachzufragen, woran der glaubt, der nicht glaubt, wie er in seinem Leben Sinnfragen beantwortet, ethische Entscheidungen begründet und Lebenskrisen bewältigt.»

Auf die Leute eingehen

Christen sollten nicht als Besserwisser auftreten, wohl aber deutlich machen, dass für sie selbst der christliche Glaube der beste Weg sei, Orientierung, Sinn und Trost zu finden. Die Studie rät Christen ferner, offen für Kritik an den Schattenseiten der eigenen Tradition und gegenüber Fehlformen des Glaubens zu sein.

Den Autoren zufolge ist der Atheismus «der Stiefbruder des Gottesglaubens. Er lebt vom Protest, vom Widerspruch, vom Bekenntnis zum Nichtglauben, vom Anti-Credo: ‚Der Herr ist kein Hirte’. ‚Niemand hat die Welt geschaffen.’ ‚Es gibt kein Leben nach dem Tod.’»

Ein Tempel für Atheisten?

Der plakative Spruch: «Kein Glaube, ist auch ein Glaube» erhält neue Nahrung. Der gebürtige Schweizer Philosoph und Atheist Alain de Botton will gemäss der Zeitung «The Guardian» im Herzen des Finanzdistrikts in London einen Tempel für nichtgläubige Menschen errichten lassen.

Auch wenn Atheisten in Kirchen oder Synagogen willkommen seien, seien diese Gebäude immer noch Orte des Glaubens und damit nicht der richtige Platz für Leute, die nicht an Gott glaubten, so Alain de Botton.

Gefühle und Bedürfnisse

Atheisten hätten aber unter Umständen die gleichen Gefühle und Bedürfnisse wie religiöse Menschen. Deshalb sei es wichtig, dass sie einen Ort hätten, wohin sie gehen könnten. Das zeigt, dass es auch Atheisten gibt, die irgendwie auf der Suche nach Gemeinschaft sind.

Wie «The Guardian» berichtet, soll der Tempel umgerechnet rund 1,2 Millionen Franken kosten und im Finanzdistrikt Londons gebaut werden. Etwa die Hälfte des Geldes kommt von anonymen Spendern.

Alain de Botton wurde 1969 in der Schweiz geboren. Er stammt aus einer jüdischen Familie, bezeichnet sich aber selbst als nicht gläubig. In seinem jüngst erschienenen Buch «Religion for Atheists» geht de Botton der Frage nach, was Atheisten von Religionen lernen können.

Gewagte These

Warum reagieren viele Atheisten aggressiv auf Religion? Der Wiener Psychiater Raphael M. Bonelli hat dafür eine Erklärung: Atheisten haben ein idealisiertes Weltbild und empfinden jeden Hinweis auf die Wirklichkeit als Bedrohung. «Viele Atheisten empfinden zudem Neid und Eifersucht gegenüber Menschen, die im Glauben Geborgenheit finden.»

Bei vielen Atheisten fände man eine «irrationale, unkontrollierte Affektivität», sagte Bonelli gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Sie sei Grundlage für eine «diffuse Religionsfeindlichkeit» im Alltag. Sie sorge dafür, dass sich viele Atheisten bereits über ein Jesus-Plakat aufregen.

«Sehnsucht nach Geborgenheit»

Bonelli ortet die Gründe vor allem bei drei Ursachen: Einerseits, dass Gott nach wie vor nicht tot sei. Die Religionen seien immer noch weltweit präsent. Der Atheist könne nicht akzeptieren, dass jedem Menschen eine «natürliche Religiosität» innewohne, weil das seiner «Vernunft» entgegenstehe.

Ein anderer Grund beziehe sich auf die Moral. Alternative Ethikangebote seien beliebig, während die Religionen mit Geboten und Pflichten die Schuld des Menschen aufzeigten. «Es kränkt den Atheisten, nicht unfehlbar zu sein und sich verantworten zu müssen.»

Der dritte Widerspruch bestehe darin, dass ein Atheist die Realität Gottes einerseits ablehnen möchte. Zugleich sehne er sich nach der Geborgenheit, die ein Gottesglaube bieten könne. «Die Kränkung besteht darin, gottlos zu sein, obwohl man sich unbewusst nach Transzendenz sehnt.»

Datum: 03.02.2012
Quelle: Livenet / EZW / Kipa / idea / pro / Tagi

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