Nichts gesagt ist genug gelobt?
Das Klima einer einladenden und anziehenden Gemeinde hängt entscheidend davon ab, ob wir miteinander in einer Atmosphäre der Wertschätzung unterwegs sind. Wertschätzung ist die Art und Weise, wie wir einander achten und respektieren, wie wir übereinander denken, miteinander reden und übereinander sprechen. Es geht dabei um eine Haltung, die immer zuerst den Menschen meint. Das macht die Kultur einer Gemeinde aus.
Zum Aufblühen bringen
In der Berufungsgeschichte von Jesus sehen wir, dass der Vater seinem Sohn gegenüber ausdrückt, wie wichtig und wertvoll er ihm ist: «Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.» Noch bevor Jesus seine Aufgabe antritt, spricht ihm der Vater sein Wohlwollen und seine ganze Liebe zu. Wertschätzung hat eine zutiefst geistliche und bevollmächtigende Bedeutung. Jedes Mal, wenn wir einem Menschen Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen, machen wir ihn wertvoll. Wertschätzung kann zur Befreiung führen von einem Leben hinter der Maske, zur Befreiung von Festlegungen. Wertschätzung kann Menschen zum Aufblühen bringen!
Gute Konfliktkultur notwendig
Ich erlebe immer wieder, dass wir über unseren Umgang miteinander reflektieren, wenn es einen Konflikt gibt. Dann sind die Beziehungen aber oft schon so belastet, dass es schwer fällt, konstruktiv miteinander umzugehen. Ich ermutige Gemeinden und Gemeindeleitungen, nicht nur darüber zu sprechen, was man miteinander tun will, sondern auch zu reflektieren, wie man miteinander unterwegs ist. Wenn man grundsätzlich formuliert, was man aneinander schätzt und wo man sich ergänzen kann, kann man auch in Konflikten wertschätzender miteinander umgehen.
Ich habe übrigens noch niemanden erlebt, dem Wertschätzung nicht gut täte. Jeder wünscht sich das, aber es selber sagen ist oft nicht so einfach. Weil viele es nicht gelernt haben, emotionale, wertschätzende Worte auszusprechen, muss man sich Zeit und Raum nehmen, um es zu lernen. Es gibt viele Gründe dafür, warum es uns schwer fällt, anderen eine wertschätzende Nähe zu vermitteln. In christlichen Kreisen wurde lange Zeit eine Demut gepredigt, die Angst hatte, dass wir stolz werden könnten, wenn wir uns zu sehr loben. Und im Schwäbischen heisst es: «Nix g'schwätzt isch gnug g'lobt» (zu Deutsch: nichts gesagt ist genug gelobt). Das klingt zwar originell, aber in einer solchen Atmosphäre von Sprachlosigkeit zu leben, das ist sehr schwer! Viel wichtiger ist es, eine konstruktive Feedbackkultur zu lernen – auch und gerade in einer Gemeinde.
Wertschätzung kann man üben
Wertschätzung kann man üben, zum Beispiel im Hauskreis oder in der Gemeindeleitung: Jeder schreibt seinen Namen auf einen Zettel und gibt ihn seinem Nachbarn. Jeder in der Runde schreibt auf, was er an dem anderen schätzt. Am Ende hat jeder aus der Gruppe eine ganze Liste von wertschätzenden Aussagen. Das tut gut, motiviert und löst neue kreative Energie aus. Wenn man das öfter gemacht hat, kann man auch miteinander aufschreiben, was einem nicht so gut gefällt an dem anderen. Im richtigen Rahmen ist Kritik eine Variante von Wertschätzung. Eine solche Feedbackkultur ist eine gute Vorbereitung dafür, auch in Konflikten respektvoll miteinander umzugehen. So kann man Wertschätzung einüben und bekommt ein ganz neues Gemeindeklima, in dem nicht nur wichtig ist, was man miteinander tut, sondern wie man miteinander unterwegs ist.
Erwin Siefkes ist Regionalleiter im Chrischona-Gemeinschaftswerk Deutschland.
Datum: 22.04.2013
Autor: Erwin Siefkes
Quelle: Chrischona Panorama