MBT-Mogul Karl Müller

Der Mann mit dem Goldenen Schuh

Karl Müller machte viel Geld in Korea. Zurück in der Schweiz verarmt er, arbeitet sich aber wieder hoch zum Multimillionär. Wie das geht, erzählt er hier.
Karl Müller
Karl Müller
MBT Schuh

Mit seiner Familie im Schlepptau kehrte Karl Müller 1990 aus Seoul, Korea, heim. Noch eine Woche vorher fuhr er einen teuren Wagen, verdiente haufenweise Geld und krampfte sich fast zu Tode. Karl Müller, ein wichtiger Mann – alle machten vor ihm den Hofknicks und hätten seine Hand geküsst, wenn er darauf bestanden hätte. „Kennen Sie diese Geschichte noch nicht?“, fragt er mich beim Interview. Natürlich kenne ich sie, aber ich will sie von ihm selber hören.

Der reiche Unternehmer

The man with lots of money: Er besass vier Restaurants, darunter ein «Swiss Chalet», und acht weitere Unternehmen. Doch sein Magen wollte nicht mehr, weil er, der Restaurantbesitzer, den ganzen Tag – und der dauerte rund 20 Stunden – nichts Vernünftiges ass. Eine Stunde Schlaf genügte ihm. Im Büro putschte er sich wieder mit Schokolade auf und liess Hochprozentigen ins Blut laufen, schon früh am Morgen.

„Ich habe in Korea 12 Jahre geschäftet und hatte einen Riesenerfolg. Dort bist du erst wer, wenn du viel Geld verdienst. Vorher will dich keiner kennen. Aber dann standen die Leute Schlange vor dem Swiss Chalet. Während der Olympiade 1988 hatten wir dort alle Medaillenfeiern der Schweizer. Ich wurde jeden Abend von Unternehmern eingeladen, weil ich der einzige Ausländer weit und breit war. Wir haben nicht getrunken; wir haben gesoffen. Langsam, aber sicher, wurde ich zum Wrack.“

Sein Magen war kaputt. Auch wenn er wollte, konnte nicht mehr essen. Seine Ehe stand vor dem Abgrund. Jung-Suk, seine Ehefrau (eine Koreanerin), wollte sich in dieser Zeit mehrmals scheiden lassen. Für seine Kinder war er mehr ein ferner Verwandter, der sich ab und zu mal blicken liess. „Aussen fix und innen nix. Aber das wollte in Korea niemand sehen“, sagt Müller mit den Augen auf dem Tisch. Trotzdem spricht er gerne über diese Zeit.

Flucht ins Grüne

Mit einem Flug in die Schweiz versuchte er 1990 vor dem ganzen Desaster zu flüchten. Am Flughafen Kloten nahm er den Zug und fuhr mit seiner neunköpfigen Familie hinaus ins Grüne nach Roggwil, Kanton Thurgau. Dort kaufte er für alle ein altes Bauernhaus. Im Garten pflanzte er eigenen Salat, Rüebli und Bohnen. Liess das grosse Geschäften hinter sich wie eine Krankheit, die ihn verfolgt hatte. Nach und nach konnte er wieder essen. Sein Magen wurde grösser und war nicht mehr chronisch entzündet. „Körperlich ging es wieder bergauf, doch in der Ehe wurde es nicht besser.“

Was ihn in Korea so schwer enttäuscht hatte, erlebte er auch im tiefen Thurgau: Die wenigsten wollten etwas mit dem Einsiedler zu tun haben. Er hatte nichts und war nichts. Trotzdem kam eines Tages eine Nachbarin zu den merkwürdigen Selbstversorgern zu Besuch. Sie erzählte von ihrem Glauben und lud die Familie in eine sogenannte „Sekte“ ein. Es war eine Chrischona-Gemeinde. Die Nachbarin war eine der wenigen, die mit den Müllers sprach. Das werden Karl Müller und seine Frau ihr nie vergessen.

Die Predigten klangen für Müller vernünftig

Entspannt steht er in seinem winzigen Büro am Stehpult auf einer Gummimatte. Der Tisch ist übersät mit Bankauszügen, Rechnungen und Briefen. Unter dem Tisch liegen verschiedene Schuhpaare MBT («Massai Barfoot Technology»). Er erzählt weiter.

Weil die Leute nichts mit ihm zu tun haben wollten, fühlten sich Karl Müller und seine Frau einsam auf ihrem Bauernhof. Doch in der sogenannten Sekte, der Chrischona-Gemeinde, begann er, über Gott nachzudenken und eine Heimat zu finden. „Für mich klangen die Predigten vernünftig; ich konnte es zusammenbringen mit dem, was ich von der Bibel sonst schon kannte.“

Müller kannte nicht nur die Bibel, er hatte auch Erfahrungen gesammelt in anderrn Religionen: im Buddismus, Konfuzianismus und Taoismus. Doch was die Bibel vermittelte, klang für ihn logisch. Das Ehepaar Müller entschied sich für den Glauben. Doch viel veränderte sich immer noch nicht in der Ehe.

Seine Frau verschwand

Als Müller mit seinem letzten Geld aus Korea ein Drogenheim eröffnete, ging es erst recht bergab. Die Drögeler lebten in seinem Haus, wohnten mitten in der Familie von Müller, dessen kleinste Kinder damals erst drei und fünf Jahre alt waren. Bis seine Frau eines Tages verschwand. „Ich hatte nicht gemerkt, wie schwer es für sie war mit diesen Drogenabhängigen und den 7 Kindern. Ich habe gar nichts gesehen und musste sie aus Korea zurückholen“, sagt Müller nachdenklich. Wochen später schloss er das Heim und begann, Holzspielzeug auf dem Markt zu anzubieten, weil er kein Geld mehr hatte.

„Ich verkaufte auch einen absatzlosen Schuh von einem Geschäftsmann aus Korea.“ Doch das Geschäft lief harzig. Seine Familie lebte von 1800 Franken pro Monat. Mehr kam nicht rein. Wie denn das geht? „Ich habe nur Haferflöckli gekauft im Migros. Wir haben einfach gelebt. Es war trotz allem eine gute Zeit“, schwärmt Müller, obwohl er sozusagen am Hungertuch nagen musste. Seine Ehe aber begann gesund zu werden.

Der goldene Schuh

Doch Müller gab nicht auf. Innerhalb von zwei Jahren entwickelte er einen neuen Schuh, der die Rückenmuskulatur stärken und gleichzeitig entspannen sollte, und legte dem Hersteller des absatzlosen Schuhs alles pfannenfertig vor. Doch dieser wollte nicht. „Ich wurde gezwungen, diesen Schuh selber herzustellen. Dann musste und wollte ich auch wieder geschäften." Gesagt, getan.

Heute tragen VIPs wie Julia Roberts, Arnold Schwarzenegger, Cher und Bono von der Band U2 den MBT, der tatsächlich Wirkung zeigt, wenn man ihn regelmässig trägt. «MBT Technologies» verkauft pro Tag einen Lastwagen voll von den Medizinalschuhen. Mittlerweile ist auch das Design attraktiver geworden. Die Schuhe lassen sich sehen auf der Strasse, obwohl die Sohlen immer noch an einen halbierten Michelin-Reifen erinnern. Müller ist als MBT-Mogul mit seinem „goldenen Schuh“ berühmt und reich geworden – schon zum zweiten Mal in seinem Leben. Im Gegensatz zu früher plagen ihn aber keine Ehe- und Magenprobleme mehr. Seine Frau Jung-Suk: "Ohne Glaube wäre alles anders gekommen. Ich bin sehr dankbar für die gute Familie, die wir heute haben." Das Leben hat die beiden gelehrt.

„Alle kennen mich“

Deshalb meint Karl Müller feixend: „Heute "kennen" mich wieder alle und winken mir zu. Ich weiss aber noch, wer schon damals mit uns geredet hat, als wir kein Geld hatten und täglich Haferflöckli assen. Genau das zählt für mich. Das sind echte Freunde. Alles andere ist Theater.“

Die Millionen kleben nicht auf seiner Stirn. Nach seinem Erfolg ist er geblieben, wie er schon immer war: ideenreich und menschlich und mit tiefem Bezug zu Jesus, von dem er immer wieder spricht. Zehn Prozent seines Gewinns fliessen in die Stiftung «Korea Müller (KM) Foundation», eine Stiftung, die 2005 gegründet wurde. Sie unterstützt Hilfsorganisationen in ihrer Arbeit.

Neue Ideen

Doch der Wind weht bereits wieder aus einer anderen Richtung: „Ich werde die Firma nun verkaufen. Niemand will das verstehen. Ich habe das Produkt mit meinen Mitarbeitern hochgebracht, und nun habe ich genug geschäftet.“ Wichtigere Dinge sollen endlich zum Zug kommen, findet der der 54 Jährige. Sein Glaube, seine Familie, seine Mitmenschen und am Ende er selber.

Beim Fotografieren streicht er sich verlegen über den dichten Haarschopf. „Ich sollte schon lange zum Coiffeur, habe aber nie Zeit dazu.“ Als wir auf die Strasse treten, vertraut er mir an, dass ihm schon wieder neue Projekte im Kopf herumgeistern. Er tippt sich an die Stirn: „Da drin läuft es ununterbrochen. Ständig habe ich neue Ideen. Früher war das hilfreich. Heute wünschte ich mir einen Kippschalter, um das abzustellen.“

Ich nehme ihm das nicht hundertprozentig ab. Er juxt noch mit den kleinen Nachbarkindern herum und trottet gemütlich mit Rucksack und MBT heimwärts zum Mittagessen. Etwas verlegen scheppere ich mit Absätzen neben ihm her und denke: „Vermutlich wird sein Coiffeur doch noch länger warten müssen.“

Datum: 19.02.2013
Autor: Iris Muhl

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