Noch lägen zwar erst vollständige Zahlen aus 22 Kantonen vor. Doch die verfügbaren Daten liessen einen klaren Schluss zu: 2003 – im ersten vollen Jahr nach Inkrafttreten der Fristenregelung – sei die Zahl der Abtreibungen mit 11’000 ziemlich genau gleich hoch gewesen wie im Vorjahr. Dies meldete die Schweizerische Depeschenagentur SDA aufgrund einer Umfrage bei den Kantonen. In katholischen und früher in der Abtreibungspraxis restriktiven Kantonen hätten die Schwangerschaftsabbrüche zugenommen, während sie in den liberaleren Kantonen zurückgegangen seien. Die Zahlen werden von den drei angefragten Lebensschutzorganisationen angezweifelt. Für „Ja zum Leben“ ist das Zahlenmaterial zumindest sehr ungenau, weil die Kantone eine unterschiedliche Meldepraxis hätten. Hansruedi Mettler von „LEA Schweiz“ vermutet, dass lediglich die chirurgischen Schwangerschaftsabbrüche gezählt worden seien, nicht aber die Abtreibungen in den ersten sieben Schwangerschaftswochen mit der Abtreibungspille Mifegyne. Hier setzt auch die Kritik des Vereins „Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind“ an: Die Frühabtreibungen erschienen kaum in der Statistik. Ein Indiz, dass aber gerade sie sehr zugenommen hätten, so Mediensprecher Christoph Keel, seien die Verkaufszahlen der „Pille danach“, die sich beispielsweise im letzten Quartal 2003 verdoppelt hätten. Keel glaubt, dass Abtreibungen heute auch unter andern Diagnosen „abgebucht“ werden. Mettler und Keel fordern, die Statistiken müssten detaillierter und plausibler werden. Die Abtreibungsarten und die Angabe der Motive, die sogenannten „Notlagen“, wie es im Gesetz heisst, gäben erst ein klareres Bild. Die Umfrage der SDA zeigt im Weiteren, dass Ausländerinnen weitaus öfter abtreiben als Schweizerinnen. Dies deckt sich mit den Erfahrungen des Vereins „Mutter und Kind“. Gemäss Christoph Keel ist dies hauptsächlich ein Informationsproblem und damit auch ein Problem der Sprache. Die Chance, dass Ausländerinnen über Alternativen zur Abtreibung und über Hilfsangebote genügend aufgeklärt würden, sei wohl zu klein. Hansruedi Mettler vermutet auch gesellschaftliche Gründe dahinter: Finanzielle Probleme könnten da ebenso mitspielen wie ein anderes Rollenverständnis der Frau, beziehungsweise Druck des Partners und fehlende Eigenständigkeit der Frau. Nach Angaben von Heinz Hürzeler plant „Ja zum Leben“, Ausländerinnen mit gezielten Informationen in ihrer Muttersprache zu erreichen. Auch „Mutter und Kind“ anerkennt, dass hier noch Handlungsbedarf sei und mehr getan werden müsste. In der Umsetzung des Fristenregelungsgesetzes in den Kantonen läuft die Beratungspraxis sehr unterschiedlich. Dies zeigen die Erfahrungen der Lebensschutzorganisationen. Obwohl die Hürde für Abtreibung gering ist – die Schwangere kann bei ihrem Arzt eine „Notlage“ ohne Begründung geltend machen –, nehme die Nachfrage nach Beratungen in verschiedenen Kantonen zu, sagt Christoph Keel und nennt als Beispiele Luzern und Thurgau. Dem Verein „Mutter und Kind“ sei es gelungen, bisher in zwölf Kantonen als Beratungsstelle auf die kantonale Informationsbroschüre zu kommen. In den Kantonen St. Gallen, Zürich und Tessin bestünde immerhin ein finanzielles Hilfsangebot für Frauen in Notlagen, die ihr Kind austragen wollten. „LEA Schweiz“ wurde bisher nur in wenigen Kantonen als Beratungsstelle anerkannt, da die klar christliche Ausrichtung offenbar ein Hindernis sei, wie Hansruedi Mettler sagt. Trotzdem bestünden Kontakte zu öffentlichen Stellen und Sozialämtern, um Frauen und Familien zu unterstützen, die durch unerwartete Schwangerschaften in Not geraten seien. Hotline für Schwangere: 031 961 27 27 Ja zum Leben: LEA Schweiz: Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind:Unterschiedliche Meldepraxis
Wenig Information für Ausländerinnen
Beratung je nach Kanton unterschiedlich
www.schwanger-wir-helfen.ch/
www.ja-zum-leben.ch/
www.lea-schweiz.ch/home.html
www.mamma.ch
Datum: 03.06.2004
Autor: Fritz Herrli
Quelle: ideaSpektrum Schweiz