«KörperReaktionen»: Ein Arzt gibt Auskunft
Simon Berger ist seit 2018 Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und arbeitet am Kantonsspital Münsterlingen (Kanton Thurgau) als Oberarzt. Er ist verheiratet mit Franziska und seit kurzem Vater von Raphael.
Herr Berger, wie lassen sich körperliche
Reaktionen erklären?
Simon Berger: Der
Mensch ist mit Sinnesorganen ausgestattet, um sich selbst wahrzunehmen und mit der
Umwelt zu interagieren. Die inneren und äusseren Reize lösen im Körper
physiologische Mechanismen aus, dies sind normale, insbesondere physikalische, chemische und biochemische
Vorgänge. Als Folge kommt es zu einer Reaktion oder Gegenreaktion, wie zum Beispiel die Anregung des
Stoffwechsels, Bewegung, Wachstum, Fortpflanzung usw.
Welchen Stellenwert haben Körperreaktionen im
Sport?
Die aktivierenden Körperraktionen braucht der Sportler, um
seine maximalen Potentiale und Leistungen abzurufen. Das autonome Nervensystem
besteht aber nicht nur aus dem sympatischen (aktivierenden) Nervensystem,
sondern auch dem Gegenspieler, dem Parasympatikus. Er wird auch als «Ruhe-Nerv» oder «Erholungs-Nerv»
bezeichnet, da er der Erholung und dem Aufbau körpereigener Reserven dient.
John Steinbeck, ein amerikanischer Schriftsteller sagte: «Die Kunst des
Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.» Das gilt für den
Leistungssportler sowie für den Freizeitsportler. Besteht
aber eine dauernde Stressbelastung durch einen anhaltenden Zustand von
Anspannung und Erregung durch Übertraining, äussere Ereignisse und
Lebensbelastungen (Stress) oder innere Konflikte, Befürchtungen, Kränkungen und
Vorstellungen, werden die aktivierenden sympathischen Mechanismen
aufrechterhalten. Das Risiko für überlastungsbedingte körperliche Verletzungen
steigt. Schätzungen zeigen, dass 25-50 Prozent der Sportler, die eine medizinische
Klinik aufsuchen, eine Überlastungsverletzung erlitten haben. Am häufigsten
treten sie im Alter von 20-29 Jahren auf, werden aber auch bei
Freizeitsportlern im Alter von 30-49 Jahren beobachtet.
Weshalb sind SportlerInnen besonders gefährdet,
ihren Körper zu sehr zu belasten?
Ich
denke, die Gründe und Motive sind unterschiedlich und müssen im individuellen
Fall angeschaut werden. Erstaunlich finde ich die Studie von Breuer und
Hallmann (2013) mit Befragungen von Leistungssportlern: Sie zeigten, dass über
40 Prozent der Athleten bereit waren, Gesundheitsrisiken bewusst in Kauf zu nehmen und
daher wahrscheinlich auch wenig Rücksicht auf ihre psychische Integrität und
nicht Sport assoziierte Bedürfnisse nehmen. Wir leben in einer
wettbewerbsorientierten, zielstrebigen Gesellschaft. Durch besondere Leistungen
erhalten wir Anerkennung, Wertschätzung und der Sport mag uns eine
beeindruckende Identität verleihen.
Welchen Einfluss haben wir auf diese Prozesse im
Körper?
Durch
wiederholtes, gezieltes, körperliches und mentales Training sowie bewusste Entspannung
können wir unseren Körper auf bestimmte Belastungssituationen vorbereiten und
prägen. Die Leistungsfähigkeit ist ein individuelles Persönlichkeitsmerkmal,
sie lässt sich durch Lernen und Trainieren steigern. Lernen und Trainieren
vermitteln nicht nur entsprechende Erfahrung, sondern führen auch zu jeweils
spezifischen Anpassungen des Organismus mit den erwähnten Körperreaktionen.
Das vegetative Nervensystem können wir nur indirekt und nicht willentlich steuern. Mit grundlegenden Prinzipien wie ausgewogener Lebensführung mit gesunder Ernährung, Erholung (Schlaf-Wachrhythmus), Entspannung (mentales Training, Atemübungen usw.), gegenseitig bereichernden Beziehungen mit Freunden, Familie können wir unseren Körper positiv beeinflussen. Weiter beeinflussen wir unseren Körper mit unseren Gedanken, und zwar weit mehr als uns bewusst ist!
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Autor: Florian Wüthrich / Denise Weidlein
Quelle: Livenet / SRS Pro Sportler