Wahlen in Israel

Netanjahus Stuhl wackelt

Israel hat in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal gewählt. Doch auch die jüngste Wahl am 17. September 2019 führte zu keiner klaren Mehrheit.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Bild: Facebook)
Benny Gantz

Es war eine Wahl, in der es um die Zukunft von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und um die Frage der säkularen Ausrichtung des Staates Israel ging.

Zersplitterte Parteienlandschaft

In Israel ist die Parteienlandschaft zersplittert. Selbst die zwei grossen Parteien kommen gerade mal jeweils nur auf einen Viertel der Stimmen. Der konservative Likud erreichte bei der jüngsten Wahl 31 Sitze und das Mitte-Bündnis Blau-Weiss 33; sie liegen nach den letzten Wahlen fast gleichauf, sind aber auf weitere Parteien angewiesen, um eine Regierung bilden zu können. Für eine Mehrheit im israelischen Parlament, der Knesset, braucht es 61 der 120 Sitze.

Drittstärkste Partei wurde die arabische «Vereinigte Liste» mit 13 Sitzen. Es folgen Schass (9), Israel Beiteinu (8), das Vereinigte Tora-Judentum (8), Jamina (7), die Arbeitspartei (6) und das Demokratische Lager (5). 

Netanjahu fordert «demokratische und jüdische Einheitsregierung»

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nun eine «demokratische und jüdische Einheitsregierung» gefordert, die aus dem Likud, Blau-Weiss und religiösen Parteien gebildet werden soll. Es ist allerdings sehr fraglich ob Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiss sich darauf einlässt.

Denn Gantz kritisiert den Einfluss der Religiösen und lehnte bisher eine Zusammenarbeit mit Netanjahu ab, weil dieser vor einer Anklage wegen Korruption steht. Auch andere Parteien aus der Mitte und dem linken Spektrum sind nicht bereit mit Benjamin Netanjahu zu koalieren, anders die rechten und religiösen Parteien.

Generalstaatsanwalt ermittelt gegen Netanjahu wegen Korruption

Benjamin Netanjahu muss befürchten, dass der Generalstaatsanwalt in drei Fällen wegen Korruption gegen ihn Anklage erhebt; es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung darüber, wird es Anfang Oktober eine Anhörung geben. Kommt es nicht nur zur Anklage, sondern dann auch zu einer Verurteilung, droht Netanjahu eine Gefängnisstrafe.

Der Regierungschef bestreitet seine Schuld. Beobachter gehen davon aus, dass er auch deswegen wieder zur Wahl antrat, um eine Regierung zu bilden, die ein Gesetz beschliesst, das ihm eine Strafverfolgung ersparen könnte.

Avigdor Liebermann kündigte die Zusammenarbeit auf

Seit 2009 ist Benjamin Netanjahu Ministerpräsident. Er regierte mit religiösen Parteien und der Partei «Unser Haus Israel», unter ihrem Vorsitzenden Avigdor Lieberman. Dieser war Verteidigungsminister im Kabinett Netanjahu, kündigte die Koalition aber auf, weil er den wachsenden Einfluss der Religiösen nicht länger hinnehmen wollte. Nach der letzten Wahl im April scheiterte eine Koalition unter Führung von Benjamin Netanjahu mit ihm, weil er nicht länger mittragen wollte, dass Ultra-Orthodoxe keinen Wehrdienst leisten müssen.

Liebermann:«Macht Israel wieder normal»

Die Partei «Unser Haus Israel» konnte die Zahl der Sitze bei der jüngsten Wahl von 5 auf 9 steigern. Die Partei wird von vielen Juden aus der früheren Sowjetunion gewählt, die vom Oberrabbinat oftmals nicht als vollwertige Juden anerkannt werden. Etwa 1,5 Millionen der 6,3 Millionen israelischen Wähler stammen aus Ländern der früheren Sowjetunion, viele von ihnen sprechen russisch.

Liebermanns Motto im Wahlkampf lautete «Make Israel normal again – Macht Israel wieder normal». Damit kämpfte er gegen den zunehmenden Einfluss der Rabbiner und religiöser Parteien. Einige von ihnen fordern, dass der Einfluss des Obersten Gerichts beschnitten wird und künftig das Parlament durch Mehrheitsentscheidung dessen Urteile aufheben kann.

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Datum: 19.09.2019
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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