Fussballbegeisterte Theologen erklären den Kult um den Fussball

Kölner Kulturkirche
Sabine Demel

Statt eines Kreuzes strahlte ein silberner Fussball vom Altar. Ein siebenköpfiges Team von Theologieprofessoren lief in den zur Bühne umfunktionierten Altarraum ein. Für die Dauer von zwei Halbzeiten befassten sich die Wissenschaftler, die sich allesamt als Fussballfans zu erkennen gaben, mit dem Fussballgott, Stadiongesängen und weiteren Verwandtschaften zwischen Stadion und Kirche.

So wurde die Kölner Kulturkirche Austragungsort einer Begegnung zwischen Theologie und Fussball, zu der das Literaturfestival «lit.Cologne» eingeladen hatte.

Nach Auffassung des Grünen-Politikers Michael Vesper, der als Trainer und Moderator auftrat, gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Fussball und Kirche: Gesänge und Schlachtengesänge etwa, oder Gebete vor dem Elfmeter. Fussballfans hätten auch einen Gott, öfter auch mehrere, die wechseln könnten, sagte der frühere nordrhein-westfälische Sport- und Kulturminister. Und schliesslich seien heutzutage fast nur noch der Deutsche Fussballbund und die katholische Kirche in der Lage, «einen wirklichen Event auch echt zu zelebrieren».

Bei Gott gewinnen auch die Verlierer

Der Regensburger Dogmatikprofessor Erwin Dirschel erkennt im Spiel denn auch Ähnlichkeiten mit der Liturgie. Der Stadionsprecher bete die Litanei der Mannschaftsaufstellung herunter und die Akteure auf dem Rasen tragen allesamt liturgische Kleidung, so die Expertenrunde. Allerdings setze Fussball meistens auf die Sieger, Gott habe dagegen immer auch die Verlierer im Blick, machte der FC-Bayern-Fan Dirschel auch die Unterschiede deutlich.

Flucht

Fussball werde für viele Menschen zunehmend zum Religionsersatz, ist die Beobachtung des Theologen und Herausgebers des Buches «Fussballgott - Elf Einwürfe», Andreas Merkt. Der Fan fliehe regelmässig aus den geistigen und emotionalen Enttäuschungen seines Lebens in eine Welt, die Sinn zu geben scheint: «Mit Ritualen, klaren Ergebnissen und der Möglichkeit von Auferstehung und Wiedergeburt.»

Der Name „Arena“ weckt schlechte Erinnerungen

Das Verhältnis zwischen Christen zum Stadion sei nicht immer so harmonisch gewesen wie heute, erinnerte Merkt. Inzwischen beherberge Schalke eine Kapelle, die Allianz-Arena sei eingeweiht worden und der Papst lasse ein Kleinfeld-Turnier für Kinder auf dem Petersplatz austragen. Merkt wies darauf hin, dass die Fussballstadien neuerdings auch wieder Arena hiessen und damit den Namen eines Kampfplatzes tragen. In den Arenen der alten Römer seien früher auch Christen getötet worden, gab Merkt zu bedenken.

„Typische Männerclubs“

Die Kirchenrechtlerin Sabine Demel, die selbst beim fränkischen TSV Kleinrinderfeld kickt, sieht die katholische Kirche und den Fussball als «typische Männerclubs, die sich – gedanklich und lebenspraktisch – nur sehr ungern für Frauen öffnen».

Die Abseitsregel ist nach Auffassung Demels für die Kirche ein «Lebenselixier». Diese Volk-Gottes-Regel bewahre die Kirche «vor dem Abgleiten in die Belanglosigkeit und vor ihrer eigenen Entfremdung». In der Vergangenheit habe sie mehrfach den Zeichen der Zeit angepasst werden müssen.

Päpstliche Fussballweisheit

Dass das Spiel inzwischen auch päpstliches Wohlwollen geniesst, illustrierte ein Satz von Papst Benedikt XVI: «Fussball ist das Heraustreten aus dem versklavten Ernst des Alltags in den freien Ernst dessen, was nicht sein muss und deshalb so schön ist.»

Datum: 24.05.2006
Quelle: Epd

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