Jesus als Vorbild (6): Jetzt können Versager hoffen

Ein Gespenst! Der Sturm peitscht die Wellen ins Boot – und nun erscheint eine Gestalt, die übers Wasser geht. Schockiert starren die Männer in die Dunkelheit. Da dringt die vertraute Stimme ihres Meisters an ihre Ohren: „Habt Mut! Ich bin es. Fürchtet euch nicht!“
Mann kann hoffen

Tatsächlich: Jesus kann übers Wasser gehen. Am Abend hat er seine Freunde über den See Genezareth vorausgeschickt. Er wolle in der Einsamkeit beten nach dem turbulenten Tag, hat er gesagt, und werde sie auf der anderen Seite des Sees wieder treffen. Die Überfahrt verläuft nicht wie erwartet. In der zweiten Nachthälfte kommt ein unheimlicher Sturm auf. Doch da – mittendrin – kommt Jesus zu seinen Freunden. So hoch die Wellen, er geht auf ihnen, als hätte er einen Steg unter den Füssen.

Petrus hat einen Gedanken, der ihn in seiner Kühnheit erschreckt: Wenn Jesus das tut… – kann ich das auch? Kann ich übers Wasser zu Jesus gehen? Während die anderen Jünger noch mit offenem Mund dastehen, ruft Petrus in den Sturm: „Herr, wenn du es bist, befiehl mir, zu dir zu kommen – auf dem Wasser.“

„Komm!“ antwortet Jesus. Und Petrus steigt aus dem Boot. Es trägt ihn! Er versinkt nicht! Irgendwie hält er das Gleichgewicht über der bodenlosen Tiefe und geht auf Jesus zu. Leuchtend das Gewand in der Dunkelheit, fest der Blick des Meisters; Petrus fixiert ihn mit den Augen. Doch der Wind peitscht die Wellen auf – er blickt zur Seite und fürchtet sich. Und beginnt zu versinken…

„Hilf mir, Herr, rette mich!“ schreit er in höchster Angst. Höher die Wellen, das Wasser… Doch Jesus ist da, streckt seinen Arm aus und packt ihn. „Warum ist dein Glaube so schwach? – Du brauchst doch nicht zu zweifeln!“ So gut fühlt er sich an, der feste Arm von Jesus. Schon gelangen sie zum Boot und steigen ein. Und seltsam: der Sturm legt sich in diesem Augenblick. Es wird ruhig, als wäre nichts gewesen.

Auf Jesus ist Verlass. Noch nie hat er seine Freunde im Stich gelassen. Wie sie den Knaben, der von schweren epileptischen Anfällen geplagt wird, nicht heilen können, greift er ein. Er heilt ihn – nicht ohne sie wegen ihres mangelnden Glaubens an Gottes Kraft zu schelten.

Doch manchmal begreifen sie seine Reaktionen nicht. Sein Freund Lazarus ist todkrank – und Jesus beeilt sich nicht, ihn zu besuchen und zu heilen. Er bleibt mehrere Tage weg – und kommt zu spät: Lazarus ist verschieden, schon beigesetzt. Jesus befiehlt, den Stein vom Grab im Felsen wegzurollen. Lazarus’ Schwester Martha wendet ein, die Verwesung habe schon eingesetzt. Jesus entgegnet ihr: „Habe ich dir nicht gesagt, dass du, wenn du ganz auf Gott vertraust, seine Herrlichkeit sehen wirst?“ Und ruft den Toten: „Lazarus, komm heraus!“ Der Tote hört die Stimme und erscheint in der Öffnung des Felsens.

Auf Jesus ist Verlass. Er lässt die nicht fallen, die bei ihm bleiben. Der Gemeinschaft steht allerdings ein fast unerträglicher Test bevor. Drei Tage lang wissen die Jünger nicht, wo ihnen der Kopf steht. Denn Jesus, der zuvor allen Paroli bieten konnte, wird in einem Garten ausserhalb Jerusalems verhaftet. Er wehrt sich nicht, lässt sich anklagen, geisseln, verurteilen – und hinrichten. Ist damit alles zu Ende, worauf sie gesetzt haben?

Nein! Am ersten Tag der neuen Woche tritt Jesus, der im Grab lag, als der Auferstandene unter sie. Dieser Tag – Ostern – gibt der Gruppe neuen Boden unter den Füssen. Bis auf den einen, der ihn verraten und sich in der Verzweiflung darüber erhängt hat, sammelt Jesus seine zwölf Freunde wieder. Er enttäuscht nicht, verstösst nicht. Petrus hat in der fatalen Nacht dreimal behauptet, ihn nicht zu kennen. Auch ihn, der sich überschätzt und im entscheidenden Moment versagt hat, lässt Jesus nicht fallen, sondern nimmt ihn wieder an.

Er war „aus dem Land der Lebenden weggerissen“, wie ein Prophet gesagt hat. Aber jetzt hat er den Tod überwunden, denn Gott, treu wie er ist, hat sich hinter ihn gestellt und ihn auferweckt. Nun setzt Jesus den Versager wieder in die Gemeinschaft ein, indem er ihm vergibt. Aufs Neue beauftragt er Petrus, für die Menschen zu sorgen. Treue, die Untreue überwindet, den Schmerz und die Scham wegnimmt und Mut zu neuen Schritten macht.

Zur Artikelserie:
Jesus als Vorbild (1): Freude am Leben – und Sehnsucht nach mehr
Jesus als Vorbild (2): Er liebt die Menschen
Jesus als Vorbild (3): Friedensstifter in unruhiger Zeit
Jesus als Vorbild (4): Ein grosses Herz für die Menschen
Jesus als Vorbild (5): Die Freundlichkeit Gottes in Person
Jesus als Vorbild (7): Kraftvoll und gelassen
Jesus als Vorbild (8): Der Mann, der aneckt, weil er das Gute will
Jesus als Vorbild (9): Ein Diener, der alles auf den Kopf stellt
Jesus als Vorbild (10): König der Herzen
Jesus als Vorbild (11): Perspektiven für ein gelingendes Leben

Datum: 17.12.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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