«Warum heiraten Paare heute noch, Herr Dreyer?»
Herr Dreyer, ist die Ehe heute in oder out?
Martin Dreyer: In Zeiten, die von Unsicherheit und Krisen geprägt
sind, ist Ehe immer «in». Und wir leben gerade in solchen Zeiten. Ehe
verspricht als kleinste Zelle einer Gesellschaft Sicherheit. Zu zweit,
so glauben viele, sind alle Probleme leichter zu bewältigen. Die
Statistik verzeichnet einen Rückgang der Eheschliessungen im Jahr des
ersten Lockdowns um 0,5 Prozent, dann im Folgejahr noch mal um 0,8
Prozent. So habe ich es auch erlebt, fast alle Hochzeiten wurden
abgesagt. Aber die werden jetzt alle nachgeholt und ich vermute, dass
die Zahlen am Ende dieses Jahres wieder nach oben gehen.
Warum heiraten Paare heute noch?
Das ist eine gute Frage. Nach meiner Erfahrung aus hunderten
Traugesprächen lässt sich die Antwort in wenigen Worten zusammenfassen: Es
ist die Liebe! Diese wunderbare Energie, diese Kraft, dieses so starke
Gefühl, das zwei unterschiedliche Menschen wie Magnete plötzlich
zusammenzieht, wirkt immer noch. Ich predige auf meinen Hochzeiten gerne
über den 1. Korintherbrief, Kapitel 13, wo Paulus über die Liebe
schwärmt. Es ist die ultimativste Kraft im ganzen Universum. Und
Christen wissen, dass die Bibel Gott selbst als Liebe bezeichnet.
2021 haben in Deutschland so wenige Paare geheiratet wie noch
nie. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen? Sind die Anfragen seltener?
Wie gesagt hatte ich sehr viele Absagen aufgrund von Corona. Die
Hochzeiten wurden aber nur nach vorne geschoben, wie in einer Bugwelle,
auf das nächste oder übernächste Jahr. So bestätigte es auch meine
Agentur «Rent-a-Pastor». In 2022 verzeichnen wir bisher eine deutliche
Tendenz nach oben bei Freien Trauungen.
Als Sie 2012 ein Paar auf dem Festival «Wacken» getraut
haben, haben Sie das explizit «vor Gott» getan. Wollte das Paar den
christlichen Segen für seine Beziehung?
Ja, beide wollten das. Ich erlebe es oft, dass zumindest ein Partner
das will. Viele Paare kommen zu mir, bei denen einer von beiden eine
christliche Sozialisation erfahren hat, der andere aber nicht. Dann ist
es immer spannend, wie das Trauversprechen aussehen wird. Ob «mit» oder «ohne» Gottes Hilfe.
Sie haben in der Sendung «Hochzeit auf den ersten Blick»
als Seelsorger mitgewirkt. Bei der Show heiraten Menschen, die sich
nicht kennen. Wollten die Sendungsmacher explizit einen Pastor?
Die wollten unbedingt einen Pastor. Ich vermute, weil man Angst vor
der Kritik von Kirchenseite hatte. Es gab aber auch Bewerber, die sich
einen Geistlichen als Ratgeber explizit gewünscht hatten. Ich kann
übrigens nach wie vor zu meiner Funktion in der Sendung stehen, auch als
Christ. Arrangierte Ehen gab es in der Kirche noch bis ins 19.
Jahrhundert hinein. Die Liebesheirat ist eigentlich eine Erfindung aus
der Zeit der Frühromantik. Es war wichtig für die Paare, dass dort
jemand steht, der eine andere Perspektive auf die Teilnehmer hat als der
Rest der Crew. Die wollten nämlich nur schöne Bilder. Mir ging es
darum, die Paare zu schützen. Ob mir das gelungen ist, sehe ich
mittlerweile aber auch kritisch.
Sie sind freier Trauredner und führen regelmässig Traugespräche. Ist der Wunsch nach Segen auch bei Nichtchristen da?
Die Statistik zeigt, dass mehr als jede zweite Ehe geschieden wird.
Das wissen auch die Paare. Scheidung ist fast immer ein sehr
schmerzhafter Prozess, denn man hat sich ja versprochen: «bis dass der
Tod uns scheidet». Vor diesem Schmerz will man sich schützen und hofft
auf göttliche Hilfe durch einen Segen. Dabei finde ich das eigentlich
erstaunlich. Kirche und christlicher Glauben stehen doch heute nicht
mehr für eine höhere Moral. Schaut man sich alleine die
Missbrauchsskandale an. Die Scheidungsrate ist unter Christen übrigens
genauso hoch wie unter Nichtchristen.
Was würden Sie sagen: Haben Ehen, die sich auf Gott stützen, dennoch eine bessere Überlebenschance?
Ja, das haben Sie. Wer als Christ lebt, hat sich seiner Sünd- und
Fehlerhaftigkeit hoffentlich irgendwann einmal gestellt. Wir brauchen
Vergebung, immer wieder neu. Damit Ehen überleben können, braucht es
auch genau das. Ein immer wieder neues Eingeständnis, dass man Fehler
macht und die Bitte, dies zu verzeihen. Ehen können nur funktionieren,
wenn man immer wieder zur Vergebung bereit ist. Was ich feststelle ist,
dass in einer Ehe eben doch zwei oft völlig unterschiedliche Menschen
aufeinandertreffen. Da muss es Konflikte geben, zwangsläufig. Spätestens
dann, wenn die feurige erste Liebe erloschen ist. Eine Ehebeziehung
sollte eben auf mehr aufgebaut sein, als nur auf einem Gefühl. Eine
gemeinsame Basis in einem Gottglauben kann da ungemein helfen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei PRO Medienmagazin.
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Datum: 27.08.2022
Autor: Anna Lutz
Quelle: PRO Medienmagazin