Spitzensport von seinem Schatten eingeholt

Wer (vermutlich eben doch noch) Pillen schluckt und spritzt, schadet dem globalen Image. (Foto: DPA/G. Breloer)
Patrick Sinkewitz
Verantwortung der Medien

Die Sorge ums Image war stärker: Die Deutsche Telekom gibt ihr Radsportteam wegen Doping auf. „Man muss sich distanzieren von dem, was passiert ist“, sagte ihr Sprecher Christian Frommert am Dienstag der ARD.

16 Jahre hatte die Deutsche Telekom mit ihren Mannen in einer der härtesten Sportarten der Welt mitgemischt und diverse Erfolge eingefahren. Nun ist Schluss, per sofort. Man habe dies entschieden, „um uns und die Marke T-Mobile von den jüngsten Doping-Erkenntnissen im Sport und speziell im Radsport zu distanzieren", formulierte Telekom-Vorstand Hamid Akhavan.

Findet sich noch ein Sponsor?

Die bislang in Magenta radelnden Sportler werden sich wohl nach einer neuen Farbe – und jedenfalls nach einem neuen Geldgeber und Namen umsehen müssen. Manager Bob Stapleton will das Team angeblich in gleicher Besetzung weiter führen. "Wir hoffen, dass die Mannschaft als unabhängige Einheit weiterarbeiten kann, um nicht nur die sportlichen Ziele zu erreichen, sondern auch weiter die Führungsrolle im Anti-Doping-Kampf einzunehmen", sagte der Kalifornier.

Ob das Team diese Führungsrolle einnimmt, ist fraglich. Stapleton hatte umstrittene Profis wie George Hincapie verpflichtet und sich von dem geständigen Doper Rolf Aldag als Teamchef nicht trennen wollen. Die Geständnisse von Dietz, Zabel und Sinkewitz stürzten den deutschen Radsport tief in die Krise; Jan Ullrich glaubt niemand mehr, wenn er Doping bestreitet.

Kommentar

Biochemie-Roulette als Gleichnis

Von Peter Schmid

Mit ihrem Anti-Doping-Aktivismus hat die Deutsche Telekom die verscherzten Sympathien nicht zurückgewinnen können. Wer (vermutlich eben doch noch) Pillen schluckt und spritzt, schadet dem globalen Image. Die Bosse mussten handeln, wie Phonak-Chef Andy Rihs vor 15 Monaten.

Allerdings bleiben – dies eine eher beunruhigende Erkenntnis in der Fernsehgesellschaft – von Ullrich und Co. eher die Sprints und Siege als die Spritzen in Erinnerung. Damit hätte sich Doping für die Telekom-Manager doch noch gelohnt…

Ohne Übertragungen keine Werbemillionen: Die Verantwortung der Medien, namentlich des Fernsehens, für die Dopingseuche ist nicht gering einzustufen. Und eine Seuche ist es, die Sponsoren kapitulieren lässt und Sportsfreunde ekelt. Muss Spitzensport mit Betrug einhergehen? Wir können nicht stolz sein auf ‚unser‘ Team, wenn es in einem russischen Biochemie-Roulette mitspielt, das einige früher oder später das Leben kosten wird.

Die Unfähigkeit des Radsports zur Selbstreinigung ist eine klaffende Wunde im Bewusstsein der Sport- und Freizeitgesellschaft, die sich mit Erfolgsmeldungen in Stimmung hält.

Sie ist zudem ein Gleichnis: für die Unfähigkeit des Menschen überhaupt, welche in der Bibel mit dem Wort Sünde umschrieben wird. Unfähigkeit sich von dem zu befreien, was nicht nur unfair, sondern verderblich ist. Der Zwang zu leisten, der Wille zu siegen, Rivalität, verschworene Teams, die dem Erfolg alles opfern, Lüge und Heuchelei – all dies findet sich seit Urzeiten bei Menschen.

Die letzten Jahre des Radsports verdeutlichen nun einmal mehr: Mit Doping kann man nicht leben, weder der Sportler noch die Gesellschaft. Schliesslich muss sogar die Deutsche Telekom kapitulieren. Die Bibel macht klar, dass ein Neuanfang im umfassenden Sinn, im Leben einzelner Menschen, in Teams, Familien und Völkern, durch Jesus Christus ermöglicht wird. Den Stars der Passstrassen, die vor den Kameras weinten, ist ein solcher Neuanfang zu wünschen.

2007 hat uns mehrfach vor Augen geführt, dass auch der Sport keine heile Welt ist. Je mehr wir an den Spitzenathleten haben wollen, desto mehr gefährden wir sie; desto eher treiben wir sie in den Sumpf. Gute Aussichten fürs Euro-Jahr 2008.

Datum: 29.11.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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