«Wer betet, kann etwas bewegen!»
Laurent Wehrli: Ich
empfand sehr grossen Respekt und auch grosse Freude. Jetzt war ich
nicht mehr nur Zuschauer, sondern Akteur. Ich war gekommen, um mich
wirklich zu engagieren und nicht nur zuzuhören.
Im Bundeshaus begegnen Ihnen gleich die Statuen von Bruder Klaus und Arnold Winkelried. Wer liegt Ihnen näher?
Schon
Bruder Klaus. Arnold Winkelried war auch ein grosser Schweizer. Doch
Bruder Klaus ist ein wunderbares Symbol für den echten Schweizer Spirit,
für gute Kompromisse und ein friedvolles Zusammenleben.
Ihre Bilanz nach bald vier Jahren im Nationalrat?
Ich habe
viel gelernt! Wir haben sehr viele Aufgaben angepackt. Und ich habe
festgestellt, dass unser Parlament immer wieder zu guten Lösungen
gekommen ist.
Welches war Ihr persönlicher Höhepunkt?
Ich habe mich immer
stark für die Aussenpolitik interessiert. Ich bin überzeugt, dass ein
kleines Land wie die Schweiz eine aktive Aussenpolitik braucht, wenn es
international wahrgenommen werden will. Und ich habe festgestellt, dass ich
auch für die Medien ein interessanter Partner in aussenpolitischen
Fragen bin.
Und Ihre grösste Enttäuschung?
Im Parlament gelten andere
Zeitbegriffe als in der Wirtschaft! Bis eine Idee in einem Gesetz
verankert ist, kann es Jahre dauern. In der Politik braucht es einen
langen Atem.
Was können Sie als überzeugter Christ im Bundeshaus bewegen?
Meine
spontane Antwort: Wer betet, kann etwas bewegen! Ich bin in Bern
Politiker und kein Vertreter einer Kirche. Ich bin auch nicht in Bern,
um für meinen Glauben zu werben. Doch ich möchte als Christ glaubwürdig
leben und politisieren. Ich bin gerne auch bereit, über den Glauben zu
diskutieren. Vielleicht kann ich mithelfen, dass der Glaube ein Thema
bleibt im Bundeshaus.
Warum politisieren Sie für die Radikalen, wie die FDP bei Ihnen heisst, und nicht für eine E-Partei?
Die
Radikalen entsprechen stark meinen politischen Überzeugungen. Für sie
sind Eigenverantwortung, Solidarität und das öffentliche Engagement sehr
wichtig. Das sind auch christliche Grundsätze.
Sie sind Vizepräsident der Parlamentarischen Gruppe «Christ und Politik». Warum braucht es im Bundeshaus engagierte Christen?
Christus
sagt: «Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.» Engagierte Christen beachten beide Seiten der Münze. Es ist wichtig,
dass es im Bundeshaus Christenleute gibt, weil sie andere
Orientierungspunkte und Werte vertreten. Manchmal sprechen Christen aus
verschiedenen Parteien über einzelne Geschäfte. Und an den
überkonfessionellen Andachten am Mittwochmorgen beten sie auch zusammen.
Das bleibt nicht verborgen.
Zur Person
Laurent Wehrli (54), verheiratet, fünf Kinder im Alter von 19 bis 26 Jahren, wohnhaft in Glion/Montreux VD, ist seit Juli 2011 Stadtpräsident von Montreux (Pensum 80 Prozent). Daneben ist er Inhaber eines Unternehmens, das vor allem internationale Projekte und Konferenzen leitet und Öffentlichkeitsarbeit leistet. Seit 2015 ist Wehrli Nationalrat der FDP. Mit seiner Familie besucht er die freie evangelische Kirche La Chapelle de Clarens.
Lesen Sie das ausführliche Gespräch mit Laurent Wehrli im Wochenmagazin ideaSpektrum 14-2019.
Zum Thema:
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Datum: 07.04.2019
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: idea Schweiz