Taufe (des Johannes)

Die Taufe des Johannes war das Begräbnis des bisherigen Gottesdienstes

Die Taufe des Johannes war eine sinnbildliche Haltung. Das völlige Untertauchen ins Wasser des Jordan bedeutete, dass der Mensch seine ganze bisherige Daseinsweise, namentlich auch seine bisherige Art, Gott zu dienen, als erledigt ansah.

Johannes taufte zur Busse (Matth. 3,11); Busse bedeutet: Wiederkehr, Rückkehr zu Gott, zu der Gottesnähe, die der Mensch ursprünglich hatte.* Diese Rückkehr hatte zur Voraussetzung die radikale Abkehr von der herrschenden gottfernen Frömmigkeit.

Es handelte sich bei der Busse nicht nur um die persönliche Schuld des einzelnen. Der Ruf zur Busse war ein Gericht über die damaligen öffentlich-kirchlichen Zustände. Diese waren so heillos, dass, wer Gott nahe kommen wollte, sich von ihnen abwenden musste.

Johannes forderte mit seiner Predigt nicht zum Kirchenaustritt auf: Das wäre nur eine Form gewesen, und damit hätte er samt seinen Hörern die Verantwortung fürs Ganze abgelehnt.

Die Taufe des Johannes räumt auf mit dem eingebildeten kirchlichen Reichtum

Johannes und Jesus fordern die völlige Absage an die in der Kirche ihrer Zeit herrschende Grundauffassung.

Diese Grundanschauung oder Grundstimmung war folgende: Wir stammen von Abraham, wir haben das Gesetz. Wir haben unsere herrlichen Feiern im Tempel, wir haben das Kirchenjahr mit seinen erhebenden Festen. Wir haben die Bibel mit allen ihren Verheissungen, wir haben unsere grosse Geschichte, unsere berühmten theologischen Traditionen. Wir haben ein reichentwickeltes Gemeindeleben in den Synagogen. - Sollte das alles uns nicht Gott nahe bringen? Sollte er nicht unter uns gegenwärtig sein?

Dieser »kirchlichen« Grundauffassung seiner Zeit setzt Johannes ein stahlhartes Nein entgegen. Er fühlt sich nicht berufen, bestehende religiöse Einrichtungen zu zerschlagen. Aber er verkündet unerbittlich, dass diese Einrichtungen zur Zeit ihren göttlichen Gehalt nicht haben.

Denen, die mit so viel frommem Eifer sich im Rahmen dieser Einrichtungen mühen, ruft er zu: Kehrt um! Es gilt nicht, das weiterentfalten, was heute besteht an kirchlichen Einrichtungen. Das führt nur immer mehr zum Leerlauf des Lebens, das bringt vollends in die Gottesferne. Es gilt, das wiederzuerlangen, was einst da war, als von dem ganzen weitschichtigen Reichtum frommer Anstalten und Überlieferungen noch nichts oder nur weniges existierte: die persönliche Nähe des Schöpfers.

Das Streben, die Erwartung, die Einstellung muss eine Wendung um einhundertachtzig Grad machen. Kommt es nicht dazu, so werdet ihr bei allem frommen Eifer dem Zorn Gottes nicht entrinnen (Matth. 3,7). Das ist die Busse, die der Täufer meint.

Seine Taufe ist eine Sinnhandlung, durch die der Eindruck dieses Rufs zur Umkehr verstärkt und vertieft werden soll. Wer sich von Johannes taufen liess, bekannte sich dazu, dass das Alte tot war und ein göttlich Neues kommen musste.

Das »Wasser« im Nikodemusgespräch bedeutet die Taufe des Johannes

Auf die Johannestaufe nimmt Jesus Bezug im Gespräch mit Nikodemus: »Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen« (Joh. 3,5; vgl. Matth. 3,11).

Das Wasser bedeutet den Untergang des bisherigen religiösen Daseins; es bedeutet das Begräbnis nicht dessen, was bisher als schlecht, sondern dessen, was als das Beste galt. Dieses Wasser muss erst über dem Haupt des Nikodemus zusammenschlagen, ehe der Geist kommen kann, der die göttliche Neuschöpfung und Gestaltung des Menschen bringt.**

Johannes sagt von seiner Taufe ausdrücklich: Sie ist nicht mehr als die Flut, das Alte unter sich zu begraben, oder sie bedeutet diese Flut. Die Taufe, die den Geist, die neue Schöpfung bringt, werde ein Grösserer vollziehen (Matth. 3,11).

* Siehe auch den Artikel zu «Busse».
** Eine andere Auslegung dieser Bibelstelle aus Johannes 3 besagt, dass «Wasser und Geist» als ein untrennbarer Gesamtbegriff anzusehen sind, nach der griechischen Grammatik als sogenanntes Hendiadyoin, «eines durch zwei»: Das Bild und die gemeinte «Sache» werden in einem Atemzug genannt. Demnach ginge es an dieser Stelle nicht um ein zeitliches Nacheinander von Johannes- und Geisttaufe, sondern Jesus legt dem Nikodemus umso eindrücklicher dar, dass er tatsächlich der Taufe mit dem Heiligen Geist bedarf.

Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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