Zwar ist Indonesien mit 200 Millionen Anhängern der Religion Mohammeds das grösste Moslemland auf Erden. Seine bisherige Sonderstellung in der islamischen Welt hing jedoch mit der Art seiner Bekehrung zum Islam und dessen religionsrechtlicher Organisation zusammen. Überall sonst war der Islam auf dem Weg der meist militärischen Ausbreitung von Moslemstaaten der arabischen Kalifen, türkischen Sultane usw. ausgebreitet worden, bis tief in den Balkan, nach Russland, Afrika und Indien hinein. Auf die über 15.000 Inseln Indonesiens kam der Islam hingegen vor 800 Jahren durch arabische Händler, die lokale Fürsten für den Glauben an Allah und dessen Offenbarung, den Koran, gewannen. Mit den Inseloberhäuptern schlossen sich bald auch ihre Untertanen der neuen Religion an. Also eine islamische Expansion, die der mittelalterlichen Ausbreitung des Christentums glich. Militante Züge nahm der indonesische Islam nur vorübergehend beim Widerstand gegen die portugiesischen und dann holländischen Kolonialherren an. Dass er sonst bis in die Gegenwart weiter friedlich und tolerant blieb, hing vor allem mit seiner ganz anderen Rechtsordnung zusammen: In Indonesien hatte sich nie das strikte islamische Religionsgesetz der Scharia mit seiner Diskriminierung aller Andersgläubigen durchsetzen können. Stattdessen galt lokales Gewohnheitsrecht, das sogenannte Adat. So fand auch die sonst überall bei Todesstrafe verbotene christliche Moslemmission in Indonesien fruchtbaren Boden. Nach Anfängen durch die niederländischen Reformierten und Freikirchen waren es dann auch der 1884 in Weimar gegründete “Allgemeine Evangelisch-Protestantische Missionsverein” sowie die aus ihm 1948 hervorgegangenen Deutsche (DOAM) bzw. Schweizerische Ostasienmission (SOAM) oder die Missionarisch-Biblischen Dienste in Ostasien (MBK) aus Bad Salzuflen, die sich der Verkündigung in Indonesien annahmen. Gegen diese relativ starke christliche Präsenz auf den Molukken, Celebes, Flores und in Teilen von Java richtete sich nun plötzlich seit den neunziger Jahren eine ausufernde Moslemunrast: Kirchen brannten, evangelische und katholische Christen wurden ins Meer gejagt, lang bevor es zu Touristenmorden auf Bali kam. Radikalisiert hat sich der einst so freundliche indonesische Islam schon im ganzen 20. Jahrhundert, langsam und fast unbemerkt. Aber die längste Zeit nicht im Gegensatz zum Christentum, sondern in der Auseinandersetzung mit Kolonialismus, eigenem areligiösen Nationalismus und vor allem mit dem unter Präsident Ahmed Sukarno nach der Unabhängigkeit von 1945 vordringenden Kommunismus. So entstanden die “Islamische Union” (Sarekat Islam) und vor allem die “Islamische Wiedergeburt” (Nahda). Beide vertraten aber weiter interreligiös und politisch einen gemässigten, auch für alles Moderne offenen Kurs. Erst in den achtziger Jahren schwappte die Welle rigoroser Reislamisierung nach mittelalterlichen Leitbildern aus der arabischen Welt nach Indonesien über. Wie in Ägypten entstanden von einer Insel zur anderen Keimzellen der islamischen Revolution, die sich im Dachverband der “Islamischen Gemeinschaft” (Dschamaa Islamia) zusammenschlossen. Ihre Miliz, die “Heiligen Krieger” (Laskar Dschihad), haben in den letzten drei Jahren die meisten christenfeindlichen Gewalttaten auf dem Gewissen. Jetzt versucht die Dschamaa-Führung, jede Verantwortung für Bali von sich zu weisen und sie dem globalen Moslem-Terrornetz Al-Qaida zuzuschieben. Doch ist inzwischen nur zu gut bekannt, dass sich diese von Bin Laden aufgebaute islamische Internationale der Gewalt so gut wie überall der örtlichen radikalen Moslemorganisationen bedient. Diese Terrorinternationale ist nun lückenlos geworden, seit sich auch der sonst durchaus weltliche und gar nicht islamistische Irak an sie angeschlossen hat: In Anbetracht des amerikanischen Säbelgerassels drohten 500 in Bagdad versammelte islamische Religionsführer und Theologen den USA mit einem weltweiten Dschihad, falls der Irak angegriffen würde. Bali wäre dann nur ein grausiges Vorspiel für weltweiten apokalyptischen Schrecken. Nach den Terroranschlägen auf der Ferieninsel Bali ist die indonesische Regierung unter internationalem Druck bereit, stärker gegen militante islamische Extremisten vorzugehen. Presseberichten zufolge ist eine der brutalsten Gruppen, Laskar Dschihad, die in den letzten Jahren einen “Heiligen Krieg” gegen die christliche Bevölkerung vor allem auf den Molukken-Inseln geführt hat, auf dem Rückzug. Hunderte der mehr als 1.200 Kämpfer hätten die Hauptstadt der Molukken, Ambon, bereits verlassen. Dem indonesischen Militär war bisher vorgeworfen worden, Laskar Dschihad gewähren zu lassen oder sogar aktiv zu unterstützen. Dem “Heiligen Krieg” sind in den letzten Jahren schätzungsweise annähernd 10.000 Christen vor allem auf den Molukken und in Zentralsulawesi zum Opfer gefallen. Von den 207 Millionen Einwohnern Indonesiens sind etwa 80 Prozent Moslems, 16 Prozent Christen, zwei Prozent Hindus und der Rest Buddhisten und Angehörige von Naturreligionen. Unterdessen hat der sozialpolitische Sprecher der methodistischen Wesley Mission in Großbritannien, Keith Suter, darauf verwiesen, daß der gesamte südostasiatische Raum seit Jahren von Gewalttaten islamischer Extremisten geplagt wird. Dazu gehöre auch die Gruppe “Abu Sayyaf” (Vater des Scharfrichters), die Christen und andere Geiseln monatelang auf den Philippinen in ihrer Gewalt hielten und einige köpften. Hinzu komme ebenfalls auf den Philippinen die “Moro Befreiungsfront”. Ferner kämpfe die Organisation Jemaah Islamiyah für einen islamischen Gottesstaat, der sich von Malaysia über Indonesien bis in den Süden der Philippinen erstrecken soll. Als einen Tatverdächtigen des Attentats auf Bali, bei dem über 180 Menschen starben und mehr als 300 verwundet wurden, hat die Polizei zwei Indonesier festgenommen. Ein früherer Luftwaffenoffizier soll die Bomben gebaut haben. Die USA und Australien, das die meisten Todesopfer zu beklagen hat, verdächtigen die Terrororganisation El Kaida. Das Oberhaupt der anglikanischen Kirche Australiens, Erzbischof Peter Carnley (Sidney), hat sich dafür ausgesprochen, daß sein Land sich auf die Bekämpfung des Terrorismus in Südostasien konzentrieren solle, statt an der Seite der USA und Großbritanniens den Irak anzugreifen. Premierminister John Howard hat nach Angaben der ökumenischen Nachrichtenagentur ENI Vorwürfe zurückgewiesen, daß seine Unterstützung für US-Präsident George Bush die Anschläge auf Bali provoziert habe.Scharia konnte sich bisher nicht durchsetzen
Der freundliche indonesische Islam wandelte sich
Bali ein grausiges Vorspiel für weltweite apokalyptische Schrecken?
“Heilige Krieger” gegen Christen ziehen sich zurück
Islamischer Gottesstaat von Malaysia bis zu den Philippinen
Anglikanischer Erzbischof: Auf Terrorbekämpfung in Südostasien konzentrieren
Datum: 18.10.2002
Quelle: idea Deutschland