War König Salomo nur ein kleiner Provinzfürst?

Stuttgart. Unter Archäologen und Theologen wird hitzig über die Bedeutung des jüdischen Königs Salomo diskutiert. Der Bibel zufolge war Salomo der bedeutendste Herrscher Israels. Sein Reichtum und seine Weisheit seien weltberühmt gewesen, so dass ihm sogar die Königin aus dem sagenumwobenen Saba, dem heutigen Jemen, einen Besuch abstattete. Salomo regierte von 965 bis 926 v.Chr. An seinen Wirkungsstätten in Jerusalem und Meggiddo fanden Archäologen allerdings keine Anzeichen für wirtschaftlichen Wohlstand oder Spuren eines kosmopolitischen Handels, sondern nur die Überreste von Provinzstädten ohne besonderes kulturelles Niveau. Für die meisten Fachleute ist es deshalb ausgeschlossen, dass Salomo über ein ausgedehntes Reich von Ägypten bis Mesopotamien herrschte, wie es im 1. Buch der Könige heisst. Zu diesem Ergebnis kommt beispielsweise auch der Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Universität Rostock, Hermann Niemann.

Die Geschichten über Salomo, seinen Vorgänger David und die späteren Könige seien Erzählungen, mit denen sich das im babylonischen Exil leidende Volk im 6. Jahrhundert tröstete. Es handele es sich um eine “rückschauende theologisch-religiöse Aufarbeitung der Vergangenheit” zur “Ermutigung, Vorbildwirkung und ethischen Orientierung”,sagte Niemann gegenüber der Presse. Grundlage für die Behauptung, zur Zeit Salomos sei es mit einem Grossreich Israel nicht allzuweit hergewesen, bildet die Datierung von Keramik und anderen archäologischen Funden. Dabei orientieren sich die Archäologen an ähnlichen Funden in Ägypten, die für die Chronologie des zweiten vorchristlichen Jahrtausends massgeblich sind. Danach folgte auf die wohlhabende Spätbronzezeit, die man gewöhnlich von Anfang 1550 bis Ende 1150 datiert, eine ärmere Epoche; erst ab 900 ging es wirtschaftlich wieder bergauf.

Bis in die 80er Jahre hinein bemühten sich die Wissenschaftler, die Ursachen für die Widersprüche auch in der eigenen möglicherweise fehlerhaften Interpretation der Funde zu suchen. Seither hat sich unter den Gelehrten zunehmend Skepsis im Blick auf den historischen Wert der Bibel breitgemacht. In seinem 1992 erschienenen Buch “Auf der Suche nach dem Antiken Israel” (“In Search of Ancient Israel”) vertritt der britische Alttestamentler Philip Davies die These, die biblischen Geschichten über David und Salomo seien reine Erfindungen und mit dem archäologischen Befund völlig unvereinbar. Das Heranziehen biblischer Texte zur Interpretation archäologischer Funde sei ein katastrophaler methodischer Fehler gewesen. Etliche Theologen und einige Archäologen schlossen sich Davies an und bilden seither die kleine, aber einflussreiche Fraktion der sogenannten “biblischen Minimalisten”. Nicht wenige Gelehrte lehnen diese radikale Sichtweise jedoch ab.

Ist eine Neufassung der ägyptischen Chronologie möglich?

Zu ihnen gehören beispielsweise der englische Althistoriker John Bimson vom Trinity College in Bristol und der Ägyptologe und Bestsellerautor David Rohl (London). Sie halten es für denkbar, dass einige ägyptische Königshäuser aus der späten Pharaonenzeit nebeneinander anstatt nacheinander herrschten, sagte der Theologe und Archäologe Peter van der Veen (Schorndorf bei Stuttgart). Dann wäre die Spätbronzezeit deutlich später, um die vorchristliche Jahrtausendwende, anzusetzen. In der Folge hätte Salomo tatsächlich in einer wirtschaftlichen Blütezeit gelebt, soweit dies aus den archäologischen Funden ableitbar ist. Eine Neufassung der ägyptischen Chronologie würde auch sehr gut zu antiken astronomischen Texten passen, mit denen die traditionelle Geschichtsschreibung grosse Mühe habe. Dieses Vorhaben sei “zwar nicht einfach, aber auch nicht prinzipiell ausgeschlossen”, so Van der Veen. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe “Biblische Archäologie” der evangelikalen Studiengemeinschaft “Wort und Wissen”.

Datum: 14.04.2002
Quelle: idea Deutschland

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