Weil sie selbst bewegt sind

Missionare sind die Typen, die das Tor zur Hölle zuschütten

«Missionare», fragt sie mich kämpferisch, «sind das nicht die Typen, die anderen Volksgruppen ihren Glauben absprechen und ihre Kultur zerstören, in der sie sehr glücklich waren?» – «Hoffentlich nicht», ist meine Antwort. «Eigentlich sind es die Typen, die das Tor zur Hölle zuschütten, damit Menschen leben können.»
Das «Tor zur Hölle» in der antiken griechischen Stadt Hierapolis

Die zuerst genannte Meinung muss kaum näher erklärt werden. Sie ist inzwischen fast gesellschaftlicher Konsens. Leider entspricht sie zum Teil der Wirklichkeit. Doch dieser negativ-aggressive Teil der Missionare ist wesentlich kleiner als uns viele einreden wollen. Die meisten Missionare gehörten und gehören zu Typ zwei, den Zuschüttern der Hölle. Aber dieses sehr reale Bild ist erklärungsbedürftig.

Das Tor zur Hölle

Das antike Hierapolis lag etwas oberhalb des Urlaubsortes Pamukkale in der heutigen Türkei. Die Stadt war bekannt durch ihre heissen Quellen und ihre Kalksinterterrassen. Sie war durch das Färben von Wolle und Textilien und den Handel damit reich geworden. 17 nach Christus wurde sie durch ein Erdbeben zerstört, doch durch ihren Wohlstand konnte die Stadt in kürzester Zeit noch grösser und schöner wieder erbaut werden.

Mitten in Hieropolis befand sich das «Plutonion». Der Weg in dieses Pluto-Heiligtum ging durch ein ganz besonderes Tor, quasi das «Tor zur Hölle». Das Heiligtum lag in einer Höhle. Durch eine kleine Seitenhöhle drang Kohlendioxid ein und bildete, wie der Geschichtsschreiber Strabon beschrieb, eine Art undurchsichtigen Dunst. Wenn nun ein Tier hineingelassen wurde – vom Spatz bis hin zum Stier –, verendete es. Diese religiöse Show war gut dazu geeignet, den Menschen zu zeigen, dass ihre Angst vor den Göttern berechtigt war. Denn der Eingang in die Unterwelt war nah…

Das Plutonion wurde vor wenigen Jahren durch Archäologen entdeckt und wird seitdem ausgegraben. Dabei strömte immer noch Gas aus dem Boden. Einige Vögel starben daran.

Der Hölle entgegentreten

In der Bibel wird Hierapolis nur ein einziges Mal direkt genannt. Im Kolosserbrief, Kapitel 4, Vers 12-13 richtet Paulus Grüsse aus: «Es grüsst euch Epaphras, der einer der Euren ist, ein Knecht des Christus, der allezeit in den Gebeten für euch kämpft, damit ihr fest steht, vollkommen und zur Fülle gebracht in allem, was der Wille Gottes ist. Denn ich gebe ihm das Zeugnis, dass er grossen Eifer hat um euch und um die in Laodizea und in Hierapolis.» Wahrscheinlich entstand die erste Kirche in Hierapolis, während Paulus auf seiner Missionsreise längere Zeit in Ephesus war (Apostelgeschichte, Kapitel 19, Vers 10). Die Gemeinde wuchs hier schnell – und erste Missionare konnten gar nicht mit Druck auftreten, selbst wenn sie es gewollt hätten. Sie luden einfach zum Glauben an Jesus ein, an einen Gott, der keine Freude am Tod seiner Menschen und Tiere hat. Und sie liessen sich in keiner Weise davon abhalten, dass der Boden hier angeblich «hart» wäre. Im wahrsten Sinn des Wortes traten sie der Hölle entgegen.

Mitten in die Hölle hineingehen

Für die ersten Christen mag es so gewirkt haben, als würden sie mitten hinein in die Hölle gehen, aber sie taten es, um Menschen zu retten.

William Booth (1829-1912) war der Gründer der Heilsarmee. Wie keine andere Kirche steht diese für ein Engagement für den ganzen Menschen. Ihre Mission findet unter dem Motto «Suppe, Seife, Seelenheil» statt. Hinter diesem etwas altbacken wirkenden Slogan – kein Wunder, er stammt aus den 1870ern – steckt derselbe Wunsch, Menschen in der «Hölle» zu begegnen, in der sie hier und jetzt stecken. So arbeitet die Heilsarmee bis heute in Brennpunktvierteln, unter Prostituierten, mit Obdachlosen, eben mit Menschen, die durch die Hölle gehen. Und sie hilft ihnen ganz praktisch. Gleichzeitig sieht sie alle Menschen als erlösungsbedürftig an und lädt sie ein zu einem Leben mit Jesus. Doch der Ausgangspunkt ist Hilfe für heute, so erklärte Booth immer wieder: «Du kannst die Herzen der Menschen nicht für Gottes Liebe erwärmen, wenn sie einen leeren Magen und kalte Füsse haben.»

Er wollte seine Missionare übrigens lieber für fünf Minuten in die Hölle schicken als für fünf Jahre auf ein theologisches Seminar. Denn ihm war klar, dass nur diejenigen andere bewegen können, die selbst bewegt sind. Solche Mission wirbt um Menschen, aber sie nimmt ihnen nichts weg.

Die Hölle zuschütten

Es dauerte eine ganze Weile, bis der christliche Glaube in Hierapolis richtig Fuss fassen konnte. Und eine der bezeugten Folgen war: Das Plutonion wurde zugeschüttet. Wer den Zugang zum Himmel haben kann, der will die Pforten der Hölle nicht offenhalten.

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Datum: 27.04.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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