Begegnungstag und Festgottesdienste

„Gemeinde für Christus“ startet mit Tradition und Hoffnung

Am ersten Juli-Wochenende hat die „Gemeinde für Christus" mit einem Begegnungstag und Festgottesdiensten in Heimisbach im Emmental jubiliert - dort wo Fritz Berger vor 100 Jahren den Brüderverein lancierte. Der neue Name der Freikirche ist Programm. Prediger riefen die 1600 Versammelten auf, für Neues bereit zu werden; zugleich dienten die Gottesdienste der Vergangenheitsbewältigung.
Sängerinnen des EBV-Chors Biel am Festgottesdienst in Heimisbach.
Neuer Wein braucht dehnbare Schläuche: Matthias Welz (Bild: Jonas Bracher).
Jeder Platz besetzt: Aus allen Teilen des Landes kamen die GfC-Mitglieder an den Ursprungsort des Brüdervereins.
Spielraum für die Jungen: Hüpfburg in der Mittagspause.
Miteinander umsichtig vorwärts gehen: Fritz Pulfer, Matthias Welz und Beat Strässler (von rechts) in Heimisbach.
Vom Ende der Erde: Samuel Rumbai und Aine Goi aus Papua-Neuguinea.
Die Jungen haben Durst. Als Viergenerationen-Gemeinde will die GfC in ihr zweites Jahrhundert gehen.
Im Festzelt in Heimisbach

Mit dem neuen Namen „Gemeinde für Christus" (GfC) macht sich der Evangelische Brüderverein traditionsbewusst, hoffnungsvoll und generationenübergreifend-brüderlich auf den Weg ins zweite Jahrhundert. Die 1400 Stühle im Zelt im Heimisbach bei Trachselwald genügten nicht für die Besucher, die zum Jubiläum anreisten. Vier Chöre, darunter ein grosser Gitarrenchor, bereicherten die zwei zweistündigen Gottesdienste; die Zeltgemeinde sang mit E-Piano, Klarinette und Fagott.

Den Verantwortlichen ging es am Jubiläum um Selbstvergewisserung anhand der Bibel und einen geweiteten Blick. GfC-Vizepräsident Daniel Wyss machte am Vormittag die grössere Geschichte bewusst: Gemeinde von Christus gibt es seit bald 2000 Jahren. Doch „jede und jeder von uns, die zu Christus gehören, schreibt ein Stück der Geschichte der Gemeinde."

„...dass wir neue Kreaturen sind"

GfC-Präsident Beat Strässler unterstrich am Nachmittag, dass es nicht um die Bewahrung der eigenen Tradition, sondern um Christus geht. „Ein Fokus allein auf 1909 wäre überheblich." Gott habe in der Schöpfung gewirkt, im Kreuz und der Neuschöpfung. „Unser Schöpfer will, dass wir neue Kreaturen sind, damit wir in sein Reich hineinpassen", sagte der Missiologe aus dem Zürcher Unterland, der 2007 an die Spitze des Brüdervereins gewählt wurde. Wenn Menschen sich heute vom Christentum abwendeten, wolle die GfC weiterhin auf ihn hinweisen und - auch frei vom „Brüderverein-Slang" (Strässler) - die Frage nach der persönlichen Wiedergeburt stellen.

Mehrere Prediger nahmen Bezug auf Psalm 93, der Gottes Erhabenheit über gewaltigen Meereswogen und Flutwellen (als Bild für Krisen verstanden) preist. Wyss sagte, mit diesem Herrn gehe die GfC in die Zukunft. „Lebt in enger Verbindung mit Jesus - und Gott wird auch mit unserer Gemeinde noch Kreise ziehen." Neben anderen Gemeinden, „die dasselbe Evangelium weitergeben, dürfen wir für viele Heimat sein."

„Dehnbare Schläuche werden"

Neuer Wein braucht neue Schläuche. Das Bild von Jesus bezog der EBV-Evangelist Matthias Welz im Festgottesdienst am Sonntagmorgen auf die Geschichte der Kirchen: „Gott bereitete für geistliche Aufbrüche neue Gefässe zu." Der Brüderverein sei im Ursprung eine stürmische, draufgängerische Bewegung gewesen, sagte Welz; zuvor sei in einer Emmentaler Versammlung der Evangelischen Gesellschaft „alles ausser Rand und Band" geraten (Protokoll von 1904). Generationen später schöpfen die EBV-Verantwortlichen aus dem Bild von den Schläuchen Hoffnung. „Gott lässt neuen Wein wachsen, er will uns neuen Wein anvertrauen", sagte Matthias Welz in der Festversammlung.

Gebet für ein neues Erwachen

Dafür brauche es „neue, dehnbare Schläuche". Zwar wolle man „beharrlich und unerschrocken an den normativen Grundsätzen von Gottes Wort festhalten, auch im Gemeindebau". Aber dies gelte es, was Formen und Methoden betrifft, „beweglich und kulturorientiert" zu tun. Es gebe Tausende Wege, auf denen Menschen Christus finden könnten. Er sei den postmodernen Zeitgenossen nahezubringen. Laut Welz hat Gott Menschen „auf die Seite gestellt", die sich weigerten, dehnbare Schläuche zu sein. Der Prediger betonte, dazu gebe es keine Alternative. Auch aus der „Gemeinde für Christus" wolle Gott „ein neues Gefäss machen, dem er seinen Wein anvertrauen kann", sagte Welz. Daniel Graf, der Enkel von Fritz Berger, bat in einem Gebet um das Wirken des Geistes der Gnade und Liebe, um ein „neues Erwachen, das Feuer des Heiligen Geistes".

„Lasst euch rufen!"

Peter Oppliger, der gewandt durch die beiden Versammlungen führte, schloss in seiner Kurzpredigt an Welz an. Die eigene Tradition sei anhand von Gottes Wort zu überprüfen, auch die Lehrmeinungen. „Erkenntnis ist und bleibt Stückwerk", rief Oppliger aus und mahnte, Heiligkeit nicht in äusseren Formen zu suchen, sondern in der dauerhaften persönlichen Veränderung und in einem Lebensstil, der Christus zum Ausdruck bringt. Oppliger machte den Anwesenden Mut. Die „Gemeinde für Christus" habe ein ganz grosses Potenzial. Zu seiner Realisierung brauche man „gottgewirkte Verbindlichkeit und die Bereitschaft, Lasten zu tragen". Der erfahrene Missionar rief die Jungen auf, sich Gott zur Verfügung zu stellen. „Lasst euch rufen! Es lohnt sich!"

Segen am Ende der Erde

In Heimisbach sprachen zwei Gäste von Papua-Neuguinea, der ethnisch unglaublich vielfältigen Grossinsel östlich von Indonesien, auf der die GfC seit 1954 tätig ist. Sie überbrachten die Segenswünsche der Tochterkirche, welche ihre Mutter zahlenmässig übertrifft. Abseits der globalen Zentren, sagte der Bibelschulleiter Samuel Rumbai, arbeiteten die Christen auf Qualität hin; einen grossen Namen könnten sie sich nicht machen. Aine Goi erzählte, wie ein Christ mit ansehen musste, dass sein Bruder niedergeschlagen wurde. Er ging nicht auf die Angreifer los (was Brauch ist), sondern hob seinen Bruder auf und trug ihn fort.

Prägende Gründergestalt

 Mit zahlreichen Bezügen zur prägenden Gestalt Fritz Bergers liessen die Vorgänger des seit 2007 amtierenden GfC-Präsidenten die Nachkriegszeit Revue passieren. Der 82-jährige Fritz Pulfer (Vorsitz 1979-2001) sagte, Vater Berger habe man „geliebt und geachtet ohne unterwürfige Verehrung", doch habe sich mit Bezug zu ihm „ein starkes Traditionsdenken entwickelt". Nach der Spaltung 1967 (VFMG) verharrte die Leitung des Brüdervereins lange in einer defensiven Haltung und wehrte gesetzlichen Verhärtungen in den Versammlungen zu wenig, was Pulfer heute bedauert. Das Komitee war in der Folge stark mit Mission beschäftigt; alle zwei Jahre wurden Missionare ausgesandt, vor allem nach Papua-Neuguinea.

„Danken und loslassen"

Den autobiografischen Rückblick auf die EBV-Geschichte beschloss Fritz Pulfer in Heimisbach mit den Worten: „von Herzen danken und loslassen". Er wünschte den Versammelten, dass sie nach dem Wort des Petrusbriefs „zu Christus kommen und sich als lebendige Steine zum geistlichen Haus erbauen". Max Schlumpf, Präsident von 2001-2007, machte den Gläubigen Mut, auf dem Weg nicht mehr auf das eigene Manko zu blicken, sondern „aus dem Vermögen von Jesus Christus zu leben". Ein Manko sei eine Gelegenheit für Gottes Gnade.

Beim Namen hat der Brüderverein am Wochenende „umgeschaltet", wie sich der Tagesleiter Robert Oppliger ausdrückte. Mit dem Wandel, den die Leitung und wohl auch die meisten jüngeren Mitglieder als sinnvoll erachten, wird er noch viele Jahre beschäftigt sein.

Datum: 09.07.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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