Erinnerung

Erinnerungen sind meist subjektiv

"Lange habe ich mir überlegt, ob ich mit meinen Eltern sprechen soll. Aber dann ermutigte mich eine Freundin die Wahrheit zu sagen", berichtet Anne M., 29 Jahre alt und seit vier Jahren verheiratet. "Wie oft hat meine Mutter meinen zwei jüngeren Geschwistern den Vorzug gegeben."
Erinnerungen: Holzstich von 1864.

"Ob das Zeit für Hausaufgaben war, ob neue Kleidung für meine Schwester, ob ein attraktiverer Urlaub mit Kollegen für die Dritte von uns. Ich stand immer hinten an. Bis heute geht das so. Bei anstehenden Familienfesten werden zuerst meine Geschwister informiert. So packte ich allen Mut zusammen und sprach meine Eltern auf diese Ungerechtigkeit an. Aber meine Eltern konnten sich überhaupt nicht erinnern. Im Gegenteil, sie zeigten mir Eintragungen in ihr "Erziehungsbuch", wieviel sie welchem Kind zum Beispiel zum Geburtstag geschenkt haben oder wie viel sie für die Ausbildung ihrer Kinder aufgewendet haben. Das war von den Zahlen her etwa ausgeglichen. Aber die Eindrücke, die mir geblieben sind, waren völlig andere. Als ich dann mit meinen Schwestern sprach, merkte ich, dass sie sich an die gleichen Begebenheiten völlig anders erinnern. Dies verunsichert mich. Liege ich so falsch?"

Erinnerungen sind in der Tat "dünnes Eis" in unserem psychischen Erleben. Und es fällt sehr schwer, im Nachhinein objektiv festzustellen, ob es so auch wirklich war.

1. Vorsicht bei Erinnerungen!

Vielleicht haben Sie selbst schon einmal erlebt, wie bei Unfällen Zeugen ein und dasselbe Geschehen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen haben. Dann steht Zeugenaussage gegen Zeugenaussage. Gleiches gilt für die Erinnerung an vergangene Ereignisse. Wie Sie sind immer wieder Menschen überrascht, dass Geschwister oder andere nahe Verwandte die damaligen Ereignisse ganz anders erinnern. Daher ist es weise, einer Erinnerung nicht unbedingt einen objektiven Status zu verleihen: "So, wie ich es erlebt habe, muss es gewesen sein!" Lieber die Sache offen halten: "Ich erinnere mich so - wie erinnerst du dich?"

2. Ihre Erinnerung kann viel mit Ihrem heutigen Leben zu tun haben

Jede Erinnerung ist eine Form von Konstruktion. Gefühle, Bildfetzen, Gegenstände oder auch ein Tagebuch aus der Grundschulzeit geben Anlass, über diese Zeit nachzudenken. Und dieses Nachdenken ist sehr stark davon geprägt, wie wir heute als Erwachsene über uns und über unsere aktuelle Lebenslage denken. Diese Art und Weise unseres derzeitigen Lebensgefühls, dieser "Lebensstil" gibt die Spur vor, nach der wir die Vergangenheit rekonstruieren. Wenn Sie sich heute zurückgesetzt fühlen, kann es sein, dass Sie mit dieser Erfahrung auch die Zeit der Kindheit oder des Jugendalters deuten.

3. Seien Sie weise!

Es kann sehr stressen, wenn man zum Beispiel mit einer Schwester um die richtige Erinnerung kämpft. War es nun so oder ganz anders? Hier können Sie mehr Gelassenheit entdecken. Subjektiv mögen Sie in vielen Bewertungen im Unterschied zu Ihren Eltern und Schwestern Recht haben und immer wieder zurückgesetzt worden sein. Aber ob die anderen Ihre Sicht anerkennen ist eher unwahrscheinlich. Sie sind ja ebenso stark von ihrer Erinnerung überzeugt. Was früher geschehen ist, können Sie nicht mehr ändern. Aber wie Sie heute darüber denken, diese damaligen Ereignisse bewerten und wie stark diese Sie heute bestimmen dürfen, haben in hohem Masse Sie in der Hand.

4. Nach vorne schauen

Versuchen Sie, im Gebet und im Austausch mit anderen bewusst die Bilder und Gedanken an früher loszulassen! Wenden Sie sich dem zu, was Sie hier und heute vor sich liegen haben! Jesus Christus wird Ihnen dabei helfen. So können Sie mutig nach vorne schauen.

Datum: 13.07.2007
Autor: Wilfried Veeser
Quelle: Neues Leben

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