BigBrother-Award Verleihung

Big Brother

Bielefeld/Winterthur. Microsoft hat in Bielefeld bei der deutschen Verleihung der BigBrother-Awards nicht nur den Lifetime-Award, sondern auch den Hauptpreis erhalten. Begründet wurde die Entscheidung mit der Einführung von Digital-Rights-Management-Systemem (DRM) zum vermeintlichen Schutz von Urheberrechten. Dabei habe sich der Konzern grosszügige Rechte eingeräumt, die jeden User von MS-Produkten endgültig ans "Gängelband" des Unternehmens nehmen.

In der Kategorie Arbeitswelt geht der Preis an die Bayer AG für die "demütigende Praxis, Auszubildende vor der Einstellung einem Drogentest zu unterziehen".

Den BigBrother in Sachen Verbraucherschutz erhält die Deutsche Post AG wegen des datenschutzwidrigen Umgangs mit Nachsendeanträgen.

In der Politik kann sich der hessische Innenminister Volker Bouffier wegen der Wiederbelebung der gerichtlich gerügten Rasterfahndung mit einem Negativ-Preis für "Daten-Kraken" schmücken.

Auch der deutsche Bundesrat wird "ausgezeichnet", weil er Provider zur Vorratshaltung von Verbindungsdaten zum Zwecke polizeilicher Nutzung verpflichtet hat. Das Unternehmen Toll Collect GmbH erhält einen Award in der Kategorie Technik für die Entwicklung einer satellitengestützten Erhebung sowie zentralen Verarbeitung von Bewegungsdaten im Verkehrswesen. Das Bundeskriminalamt erhielt schliesslich einen BigBrother-Award für die Einführung von drei Präventivdatenbanken zur Speicherung von Personendaten.

Kantonspolizei Zürich erhält auch BigBrother

Die in diesem Jahr zum dritten Mal in der Schweiz vergebenen Negativ-Preise wurden in den Kategorien Staat, Business und Telekommunikation für die Förderung der Einschränkung persönlicher Grundrechte und die zunehmende Überwachung von Personengruppen verliehen. BigBrother-Awards werden inzwischen bereits in 14 Ländern verliehen.

Die "Preise, die niemand will" gehen an "Schnüffelratten", dies können Einzelpersonen, Institutionen oder Unternehmen sein. Die Kantonpolizei Zürich wird für ihre Fahndungs- und Journal-Datenbank "Joufara II" als staatliche Schnüffelratte gekürt.

Das Unternehmen Q-SYS aus St. Gallen erhält den Award für ein Computerprogramm zum kostenbewussten Qualitätsmanagement von Menschen in Pflegeheimen, das diese aufgrund von 250 fragwürdigen Aspekten in unterschiedliche "Pflegestufen“" einteilt, so die Begründung der Jury.

Adrien De Werra wird zum Grossen Bruder erklärt, weil er den Ausbau des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen "Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs" (BÜPF) forderte. Dieses Gesetz verpflichtet Telekomanbieter und Internet-Provider, die Anschlussdaten ihrer Kundschaft während sechs Monaten aufzubewahren. Aufgrund eines abschliessenden Deliktkatalogs regelt das Gesetz überdies die Überwachung in Echtzeit. Nach De Werra müsste dieser bereits heute mehrere Dutzend Gesetzesartikel umfassende Deliktkatalog in Zukunft ausgeweitet werden.

Neben den drei Hauptpreisen wurde ein Lebenswerk-Award für besondere Leistungen am Weg zum Überwachungsstaat an den "ominösen Club de Berne" vergeben. Gerüchten zufolge sei dieser informelle Verein 1971 in Bern gegründet worden, so die Jury. Inzwischen soll der exklusive Club Geheimdienste aus 19 Staaten versammeln. Was der "Club de Berne" tatsächlich tut, wer die Geschäfte führt, auf welcher rechtlichen Grundlage er operiert, all das sei unklar und offenbar selbst im Bundeshaus nicht bekannt.

In Zusammenhang mit dem Lebenswerk-Award wurde auch die Firma Hoffmann-La-Roche für ihre Hartnäckigkeit bei der Durchsetzung von systematischen Urinproben bei ihren Lehrlingen erwähnt.

Eine echte Auszeichnung ist hingegen der "Winkelried Award", der Zivilcourage und Ausdauer im Kampf gegen den Überwachungsstaat belohnt. Er ging an den Schöpfer der "4Q-Card" unter dem Pseudonym Bert Setzer. Mit der Rabattkarte für COOP und Migros werden die Rabattpunkte einem kollektiven Konto gutgeschrieben, wodurch die Anonymität der Nutzerinnen und Nutzer gewahrt bleibt.

Datum: 31.10.2002
Quelle: pte online

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