«Wir glauben an den Gott, der den Schrei seines Volkes hört»
In der Wirtschaftszeitung porträtieren Korrespondenten Missionare in Brasilien, Taiwan, Jerusalem und Papua-Neuguinea. Vorgestellt werden auch Tobias und Esther Stöckli, die für die Überseeische Missionsgemeinschaft ÜMG nächstens nach Kambodscha ausreisen. Die Serie aus ganzseitigen Artikeln bemüht sich, den Wandel der christlichen Mission zu skizzieren. Eine Durchsicht der ersten sieben Texte ergibt ein facettenreiches Bild evangelischer und katholischer Mission in Übersee.
Amazonien: Kämpfer unter Polizeischutz
Der hierzulande bekannteste katholische Missionar ist wohl Erwin Kräutler, der als Bischof in Brasilien für die Rechte der Indianer kämpft. Der Vorarlberger lebt mit Morddrohungen, weil er sich mit den Mächtigen der Holzindustrie, des Agrobusiness und des Energiesektors angelegt hat. 1965 in den Amazonas-Gliedstaat Pará gelangt, kämpft er für die Rechte der Ureinwohner auf kulturelle Eigenständigkeit. «Wir glauben an den Gott, der herabsteigt und den Schrei seines Volkes hört, um es aus der Sklaverei zu befreien.» Wie kann, fragt Kräutler, die Liebe Gottes verkündigt werden, «wenn die Leute am Abgrund stehen und um ihr Überleben kämpfen?»
Vor seiner Haustür am Rio Xingu wird das drittgrösste Wasserkraftwerk der Welt errichtet. Die 418 vorwiegend brasilianischen Missionare des von Kräutler geleiteten Indigenen-Missionsrats leben mit den Ureinwohnern als ihre Helfer, Berater und Fürsprecher und suchen die christliche Botschaft mit der Naturreligion der Ureinwohner in Bezug zu bringen. Angesichts der Bulldozer sieht Kräutler Amazonien und seine Bewohner in Gefahr. «Ich habe apokalyptische Albträume.»
Bereit für Kambodscha
Auf einen mehrjährigen Einsatz in Kambodscha haben sich Tobias und Esther Stöckli vorbereitet. Der NZZ-Reporter schildert ihre Herkunft und nennt die Voraussetzungen für die Aussendung durch die ÜMG: 75+ Beter, ein Spenderkreis, der sie finanziert, und eine hiesige Gemeinde, die sie empfiehlt und aussendet. Die Kandidaten wurden eingehend geprüft, ihr geistlicher Lebenslauf unter die Lupe genommen.
Stöcklis diskutieren intensiv, wie soziales Engagement und christliche Verkündigung zu gewichten sind. Sie wollen zum Aufbau von christlichen Gemeinden wie zur Entwicklung des Landes beitragen. Esther: «Ich will auch von Jesus Christus sprechen und den Menschen in Kambodscha die Möglichkeit geben, Jesus kennenzulernen. Denn ihn zu kennen, ist das Beste, was mir passiert ist.» Die NZZ verweist im Zusatztext auf die Worte vom Jesus in Matthäus 25: «Der Text vom Weltgericht steht damit seit Beginn der christlichen Religion als mahnender Aufruf an die Gläubigen, sich um die Mitmenschen zu kümmern.»
Lebensqualität für Papua
In Papua-Neuguinea stellen Schulen und Spitäler, die von Schweizer Missionaren des Evangelischen Brüdervereins aufgebaut wurden, einen bedeutenden Teil des Bildungs- und Gesundheitswesens. Der NZZ-Reporter ist unterwegs mit Benjamin und Jeanine Somandin, die 1975 zum ersten Mal ins entlegene, ethnisch ungeheuer vielfältige Land im Südpazifik ausreisten. Ihre Mission, die Swiss Evangelical Brotherhood Mission (SEBM), ist ein grosser Arbeitszweig der Freikirche, die sich seit 2009 Gemeinde für Christus nennt. Mehr als 100‘000 Papua gehören der von der SEBM im Jahr 1974 gegründeten Evangelical Brotherhood Church (EBC) an – das Vielfache der Schweizer Mitglieder. Die Kirche beschäftigt 173 einheimische, in der eigenen Bibelschule ausgebildete Pastoren und mehr als 1‘800 Sonntagsschullehrer.
In der Station Komperi, welche Somandins besuchen, steht neben der Kirche die Gesundheitsstation für über 10‘000 Einwohner aus einem Dutzend Dörfern. Hier kommen bis zu 18 Kinder pro Monat zur Welt. Seit 2009, sagt der einheimische Leiter, sei es bei den Geburten zu keinem Todesfall gekommen. Die EBC betreibt insgesamt 127 Schulen und 36 Gesundheitseinrichtungen; der Staat zahlt die Löhne. Laut Emma Wapki, einer 33 Jahre alten Papua, hat die Mission «grossartige Arbeit geleistet». Zahlreiche Leute habe sie ausgebildet, ihnen in den letzten Jahren auch je länger, je mehr Verantwortung übertragen und damit die Abhängigkeit von der Mission reduziert. Die Zahl der SEBM-Missionare in Papua-Neuguinea hat sich in dreissig Jahren halbiert.
Ein Gott, eine Wahrheit für alle
In ihrer Serie hat die NZZ bisher auch Katholiken in Jerusalem und Priester der Bethlehem-Mission in Taiwan vorgestellt. Zu Beginn wurde der Zusammenhang zwischen dem Ein-Gott-Glauben und Mission erläutert: «Das Christentum, der Islam und bis zu einem gewissen Grad auch das Judentum… beanspruchen, eine für alle Menschen gültige Wahrheit zu vertreten, die den Worten des Religionsstifters oder göttlicher Offenbarung entspringt. Dieses Bekenntnis verbreiten sie bewusst im Namen der eigenen Glaubwürdigkeit auch unter jenen, die nicht Teil der eigenen Kultur sind.»
Muslime missionierten anders
Im Gegensatz zur christlichen Mission, die seit den Zeiten der Apostel darauf abzielt, «den biblischen Glauben zu verkünden und die neuen Kirchenmitglieder zu Christus zu führen», begann laut der NZZ «die islamische Mission als politische Verbreitung eines religiösen Rechts mit militärischen Mitteln. Denn der Islam breitete sich von der Mitte des 7. Jahrhunderts an in Folge der Eroberungspolitik der Araber im Nahen Osten und in Nordafrika aus. Nach islamischer Auffassung gehört die ganze Menschheit zu einer einzigen Gemeinschaft, der Umma, die dazu angehalten ist, an den einen Gott zu glauben.»
«Die christliche Missionierung wird immer noch mit ihrem negativen kolonialen Erbe in Verbindung gebracht», schreibt Patrick Huser im Eingangsartikel der Serie. Heute sei der Anspruch ein anderer und die Glaubensvermittlung vielfältiger. Denn zwei Drittel der Christen weltweit lebten in südlichen Ländern. Und Mission gehe indessen vom Süden Richtung Norden. Ob die NZZ nächstens Afrikaner und Latinos porträtiert, die in Schweizer Städten das Evangelium verkünden?
Datum: 08.02.2013
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet