StopArmut-Preis 2012

«Mein Ziel ist ein grüner Gürtel von hundert Kilometern!»

Kurt Pfister war jahrelang in den obersten Etagen der Migros tätig. Nach seiner Pensionierung hat er die Stiftung «Green Ethiopia» gegründet. Ziel ist es, durch Bekämpfung der Erosion (Aufforstungen, Wassergewinnung, Gemüseanbau) die Lebensbedingungen für Bauernfamilien in Äthiopien nachhaltig zu verbessern. Kurt Pfister arbeitet vollzeitlich und ehrenamtlich für diese Stiftung. Die Landbevölkerung Äthiopiens liegt ihm sehr am Herzen. Er wurde für den diesjährigen StopArmut-Persönlichkeitspreis nominiert.Was hat Sie dazu bewegt, Ihr Leben in den «Dienst an Bedürftigen» zu stellen?
Baumschul-Arbeiten: Hier werden die Pflanzen produziert, die dann aufgeforstet werden.
Kurt Pfister: «Wenn es einen Award für Tiere gäbe, ich würde ihn den Eseln dieser Welt verleihen, diesen treuen, anspruchslosen Weggefährten und Helfer von Millionen von Menschen.»
Kurt Pfister ehrenamtlich für «Green Ethiopia» unterwegs

Kurt Pfister: Zuerst muss ich klarstellen, dass ich während meines Berufslebens die Priorität meiner beruflichen Arbeit zugeordnet habe. Die sozial-gesellschaftliche Verantwortung, welche wir als Menschen gegenüber unseren benachteiligten Mitmenschen haben, war mir in all meinen Berufs- und Führungsjahren stets sehr ausgeprägt. Schon während meiner Berufszeit setzte ich mich in der Freizeit für Benachteiligte ein, so z.B. in der Zeit von 1989 – 1995 sehr stark für Arme in Rumänien nach dem Sturz des Ceausescu-Regimes. Es war mir dann auch immer klar, dass ich mich nach meiner Pensionierung verstärkt im Bereich «Entwicklungszusammenarbeit – Hilfe für Bedürftige – Bekämpfung von Armut» einsetzen möchte. Als Folge gründete ich zusammen mit meiner Familie im Jahre 2000 die Stiftung «Green Ethiopia», welche zum Ziele hat, durch Bekämpfung der Erosion (Aufforstungen, Wassergewinnung, Gemüseanbau) die Lebensbedingungen für Bauernfamilien in Äthiopien nachhaltig zu verbessern. Mein Ziel ist es, im Norden von Äthiopien einen geschlossenen, grünen Waldgürtel von hundert Kilometern zu pflanzen.

Woher stammt dieses Bewusstsein der Verantwortung gegenüber anderen?
Sicherlich aus meinem Elternhaus. Ich wuchs in bescheidenen Verhältnissen als Bauernsohn auf. Trotz unseren beschränkten Mitteln erlebte ich meine Mutter als sehr grosszügig und hilfsbereit. Sie hat mir diese Verantwortung für den Nächsten mit auf den Weg gegeben. Vielleicht deswegen habe ich mich auch für eine Karriere in der Migros entschieden und nicht in einem anderen, nur auf den Gewinn fokussierten Unternehmen.

Wer sind Ihre Vorbilder? Und wieso?
Es gibt für mich nicht DEN bestimmten Menschen, der mir Vorbild ist. Es sind einfach alle jene Menschen, welche sich uneigennützig in den Dienst von Mitmenschen stellen und sich bestreben, das Leben armer Menschen nachhaltig zu verbessern. So bewundere ich z.B. jene Frauen und Männer, welche aus religiöser Überzeugung oder aus humanitärer Verantwortung in den Slums von Gross-Städten Strassenkinder und Randständige unterstützen, jene Ärztinnen und Ärzte welche in Spitälern der dritten und vierten Welt die nötigste medizinische Versorgung sicherstellen sowie wie jene Menschen, welche sich teilweise unter Lebensgefahr in Krisen- und Dürregebieten Verfolgten, Hungernden und Dürstenden helfen.

Das sind für mich Vorbilder, weil sie ihre Eigeninteressen hintenanstellen und sich für den Dienst am Mitmenschen einsetzen.

Jemand möchte beginnen, die Anliegen von StopArmut 2015 (Die acht Millenniumsziele derUNO)  in seinem Leben umzusetzen. Was würden Sie ihm raten? Wie soll er vorgehen?
Es gibt eine Unzahl von Organisationen, welche versuchen, einen Beitrag zur Erreichung der Millenniumsziele zu leisten. Man findet diese im Internet. Ich würde also empfehlen, solche Organisationen zu suchen und zu finden und dann abzuklären, ob die Möglichkeiten, welche solche Organisationen anbieten, mit den eigenen Interessen übereinstimmen und dann entscheiden. Ich erlebe gerade in solchen Fragen immer wieder: «Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg».

Mit welchen Schwierigkeiten sind Sie in Ihrem Engagement konfrontiert?
Eigentliche Schwierigkeiten habe ich keine, aber Herausforderungen und teilweise ärgern mich etwas schwerfällige Abläufe in der Zusammenarbeit. Die herausforderndste Aufgabe ist die Beschaffung von Geldern, um die Projekte zu finanzieren. Die zweite Herausforderung ist, dass wir dieses Geld auch wirklich nachhaltig einsetzen und dieses den Ärmsten zu Gute kommt. Das heisst, es braucht viele Abklärungen, Besprechungen und dann auch Kontrolle, um sicher zu stellen, dass die uns anvertrauten Gelder auch wirklich nachhaltig und zu Gunsten der Bedürftigen eingesetzt werden.

Und wenn ich von schwerfälligen Abläufen spreche so denke ich an die fehlenden Infrastrukturen bei unseren Projektpartnern, die häufig keinen Fax und keinen Internetzugang haben. In allen schriftlichen Belangen kommt die schwerfällige Bürokratie hinzu. Doch wenn man diese Umstände kennt, weiss man sich zu arrangieren.

Möchten Sie ein besonders schönes Erlebnis in Ihrer Tätigkeit mit uns teilen?
Ja, lassen Sie mich zuerst die Situation schildern und dann über eine Begegnung mit einer armen Bäuerin berichten:

In der Region Adwa, Tigray, Äthiopien, forsten wir seit 10 Jahren kahle Hügel und Bergflächen auf und nach der Aufforstung unterstützen wir die Bauern mit kleinen Staudämmen zur Wasserfassung, so dass auch während der Trockenzeit Gemüse und Getreide angebaut werden kann.

3 Jahre nachdem wir im Dorf «Weyenti» einen Damm gebaut hatten, ging ich zur Kontrolle wieder einmal dorthin. Als ich mich dem Damm näherte, kam eine ca. 40-jährige Frau mit offenen Armen auf mich zugerannt, neigte sich und hätte mir, hätte ich dies nicht verhindert, die Füsse geküsst. Sie redete in der einheimischen Sprache «Tigrynnia» auf mich ein, gestikulierte und schlug immer wieder die Hände über dem Kopf zusammen. Der Förster, welcher mich begleitete übersetzte, was die Bäuerin sagte wie folgt:

«Ich bin allein verantwortliche Frau und lebe mit meiner Mutter und vier Kindern in jener armseligen Hütte. Jährlich gegen Ende der Trockenzeit hungerten wir, da die Erntevorräte nicht über die ganze Trockenzeit ausreichten. Dank dem Wald und dem Damm haben wir nun das ganze Jahr Wasser. Ich kann nun Gemüse anbauen, habe Fruchtbäume gepflanzt, kann meine Familie das ganze Jahr ohne fremde Hilfe ernähren und sogar etwas Gemüse auf dem Markt verkaufen. Nie hätte ich geträumt, dass meine Kinder je zur Schule gehen könnten. Dank dem Ertrag vom Gemüseverkauf kann ich zwei meiner Mädchen zur Schule schicken. Alles was ich habe, sind meine Hände um zu arbeiten. Jetzt aber, dank dem Wasser vom Berg und vom Damm kann ich selbst Gemüse anbauen. Jetzt bin ich nicht mehr wie ein Stück Vieh, das auf der Suche nach Nahrung die Felder absucht, ich bin ein Mensch. Ich danke Ihnen, Gott schütze Sie».

Dieses «God bless you» von dieser armen, starken Frau, hat mich tief gerührt.

Ist die Stiftung noch in anderen Bereichen als der Aufforstung tätig?
Ja, wir sind auch in den Schulen präsent. Die Kinder sollen lernen, dass es Bäume braucht, um Wasser, Schutz und Biodiversität zu haben. Die Schulen pflanzen Fruchtbäume, für die die Kinder zuständig sind. So können sie, die häufig noch nie eine Frucht gegessen haben, ihre eigenen Früchte ernten. Die Eltern der Kinder verpflichten sich zum Aufforsten von 10–20h Wald in der Umgebung. Neben den Wildbäumen haben wir auch Baumschulen mit Fruchtbäumen, um den sehr einfachen Speiseplan der Bevölkerung zu erweitern.

Die Frauen von Äthiopien liegen mir besonders am Herzen. Die Hauptlast liegt auf ihren Schultern. Sie sind zuständig für die Ernährung und den Unterhalt der Familie, der Erziehung der Kinder, die Haustiere und auch für die Besorgung von Wasser. Die Frauen sind die tragenden Stützen der Gesellschaft.Ich habe grossen Respekt vor diesen Frauen, denn sie zeigen ein grosses Engagement. Deshalb haben wir das Eselprojekt gestartet. Wir kaufen Esel für alleinstehende, sehr arme Frauen. Diese Frauen und deren Töchter müssen häufig Wasser über weite Strecken tragen und verkaufen Brennholz in der Stadt. Diese Holzbürden sind bis 50 kg schwer und diese zierlichen Frauen tragen diese Bürden kilometerweit. Dadurch belasten sie ihren Körper ungemein und altern auch viel früher. Da ist ein Esel, der ihnen diese Last abnimmt, eine riesige Hilfe.

Gibt es einen Bibelvers, der sie besonders unterstützt?
Es gibt deren Viele, aber einer, an den ich mich bei meiner Arbeit immer wieder erinnere und der mich auch stärkt ist sicher die Aussage von Jesus in Matthäus 25: «Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan».

Was würden Sie als Ihre Stärke, was Ihre Schwäche bezeichnen?
Eine Stärke ist wohl der Wille und die Fähigkeit, Probleme zu erkennen, Dinge zu verändern und Pläne umzusetzen. Dazu kommen ein gewisses Geschick im Umgang mit Menschen und die Liebe zu Mensch, Kreatur und Natur generell.

Eine Schwäche ist eher eine gewisse Nachgiebigkeit und zu schnelle Kompromissbereitschaft bei Forderungen an Mitmenschen.

Wie kann man Green Ethiopia von der Schweiz aus unterstützen?
Stellen Sie sich vor, mit 120 Franken, kann man einer Frau einen Esel kaufen. So können ihre Kinder in die Schule gehen, anstatt stundenweise Wasser tragen zu müssen und die Frauen sind von den schweren Holzbündeln entlastet.

Mit 500 Franken können wir tausend Bäume pflanzen. Darin enthalten sind die Baumschule, die Terrassierung der Hügel, die Pflanzung und die Wächter für fünf Jahre. Wald verhindert die Erosion und schon nach wenigen Jahren sprudeln die Quellen am Hügelfuss auch während der Trockenzeit. Wo Bäume gepflanzt sind, müssen die Menschen während der Trockenzeit nicht mehr hungern, sondern können sogar zwei oder drei zusätzliche Ernten einfahren.

Datum: 15.06.2012
Autor: Cedric Zangger
Quelle: Livenet / StopArmut 2015

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