Jahreslosung gegen «Rechts»

Theologe und Liederdichter Otto Riethmüller starb vor 80 Jahren

Dass es jedes Jahr eine Jahreslosung gibt, scheint so traditionell wie die Herrnhuter Losungen aus dem 18. Jahrhundert. Dabei war dies zuerst ein Akt des zivilen Ungehorsams gegen den Nationalsozialismus. Die hochpolitische Erfindung stammt von Otto Riethmüller, einem evangelischen Theologen, der vor 80 Jahren starb.
Jahreslosung 2019
Otto Riethmüller
Kreuz auf der Weltkugel

Am 19. November 1938 starb Otto Riethmüller (geb. 1889). Der Theologe ist in erster Linie für seine Lieder bekannt, die bis heute im evangelischen Gesangbuch stehen. Seine wahrscheinlich grösste Leistung war aber das hochpolitische Installieren einer Jahreslosung, die er mitten im Nationalsozialismus als christliches Gegengewicht zu den damaligen nationalen Parolen platzieren konnte

Zwischen Anpassung und Widerstand

Otto Riethmüller studierte Theologie in Tübingen bei Adolf Schlatter, der Vertrauen in die Bibel mit wissenschaftlichem Denken vereinigte. Er arbeitete als Pfarrer in mehreren Gemeinden, unter anderem im württembergischen Esslingen. Ein klassischer Pietist war er jedoch nie. Für ihn war klar: «Glaube ohne Theologie ist ein kräftiger Irrtum.» Fast von Anfang an war er als Liederdichter aktiv.

Nach der Machtergreifung der Nazis schien es so, als ob er sich zuerst mit ihnen arrangieren wollte. Doch er verfasste nur wenige Liedtexte für das national geprägte Liederbuch «Ein neues Lied». Und etliche gingen weit über das damals erwartete «völkische Liedgut» hinaus. Bald schon engagierte er sich in der Bekennenden Kirche, einer Oppositionsbewegung evangelischer Christen. Damals war Riethmüller Vorsitzender des evangelischen Reichsverbands weiblicher Jugend. Er prägte die evangelische Kirche unter anderem mit dem bekannten Symbol des Kreuzes auf der Weltkugel.

Ein begnadeter Prediger

Wenn Riethmüller sprach, waren Kirchen und Säle voll. Dem heute häufig zu hörenden Satz «Die Jugend ist unsere Zukunft» widersprach er schon damals: «Wir wollen die Jugend nicht, um eine Zukunft zu haben. Wir wollen vielmehr, dass die Jugend eine Zukunft hat», sagte er. Ihm war es immer wichtig, das Evangelium «lieber zu einfach als zu kompliziert» zu vermitteln – so Marcus Mockler in seinem Beitrag auf ekd.de. Der Schwabe entwickelte übrigens auch die Form der Sprechmotette, in der biblische Texte theatralisch aufbereitet werden. Bis heute werden Lieder Riethmüllers gesungen: «Herr, wir stehen Hand in Hand» oder «Sonne der Gerechtigkeit» sind vielen Christen bekannt.

Losung für ein Jahr

Die eingängigen Parolen des Dritten Reiches prägten die Zeit Otto Riethmüllers. Ihnen wollte er etwas entgegensetzen. So kam er auf die Idee, eine «Jahreslosung» zu installieren. Er wählte einen Bibelvers, den er über das gesamte Jahr stellen wollte. 1930 war dies Römer, Kapitel 1, Vers 16: «Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; denn es ist Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen.»

Dies war die erste Jahreslosung. Was heute wie ein x-beliebiger Bibelvers aussieht, war damals bereits ein politisches Statement. Diese Dimension ist heute nicht mehr erkennbar. Trotzdem prägt die Jahreslosung bis heute Millionen von Christen. Zum Beispiel durch die kommende Jahreslosung von 2019: «Suche Frieden und jage ihm nach!» (Psalm 34, Vers 15).

Zum Thema:
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Datum: 21.11.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / EKD.de

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