Minarett-Initiative

«Selten war ich derart unschlüssig»

Die Minarett-Initiative sorgt für heisse Diskussionen - auch unter Christen. Sechs Kolumnisten des Magazins «ideaSpektrum Schweiz» sagen, wie sie persönlich zur Minarett-Initiative stehen.
Minarett-Initiative

Nur ein Nebenschauplatz

Helena Gysin, Mitglied der Schulbehörde (EVP), Rämismühle: «Ich lege ein Ja in die Urne, auch wenn mir klar ist, dass die Diskussion um Minarette nur ein Nebenschauplatz ist. Ich rufe in Erinnerung: Die Glaubensfreiheit von Muslimen ist nicht gefährdet. Sie geniessen in der Schweiz grosse Freiheiten, Christen in muslimischen Ländern gar keine. Mit meinem Ja signalisiere ich, dass ich nicht bereit bin, noch mehr von unserem (einst) christlichen Territorium preiszugeben. Auch dann nicht, wenn Repressalien durch radikale islamische Gruppierungen gegen Schweizer, insbesondere gegen evangelikale Christen, zunehmen könnten. Im Alltag begegne ich Muslimen unvoreingenommen und koche gerne das Rezept, das ich von meiner muslimischen Nachbarin bekommen habe.»

Unsinnige Lösung

Marc Jost, Pfarrer im Evangelischen Gemeinschaftswerk (EGW) in Thun und Berner Grossrat (EVP): «Die erste Reaktion - aus dem Bauch - war eher Zustimmung zur Initiative. Die schleichende Islamisierung Europas ist auch für mich offensichtlich. Je länger ich mich mit einem Verbot von Minaretten auseinandersetzte, desto unsinniger erschien mir jedoch der Lösungsvorschlag. Ein Verbot einer ganz bestimmten Art von Architektur soll verhindern, dass in der Schweiz die Scharia unsere Justiz vereinnahmt? So viel magische oder was für eine Kraft auch immer messe ich einem Turm nicht zu. Wenn die Initiative etwas Gutes bewirkt, dann ist es die breite Diskussion über den Islam. Im besten Fall sind wir nach der Abstimmung sensibilisiert dafür, dass wir keine parallele Rechtsordnung akzeptieren.»

Religionsfrieden gefährdet

Robert Rahm, Mitinhaber Rimuss- und Weinkellerei Rahm AG, Hallau: «Als Christ liebe ich den Moslem, möchte aber dem ideologischen Islam Grenzen setzen. Im Koran steht nichts von Minaretten. Sie gehören nicht zum Glaubensleben. Die meisten Moslems bei uns wünschen kein Minarett. Einzelne bezeugen sogar, dass sie vor dem militanten Islam, der als Zeichen der zunehmenden Weltherrschaft Minarette erstellt, geflohen seien. Wenn ein Muezzin in ein christliches Umfeld hinein ruft: «Allah ist grösser! Es gibt keinen andern Gott als Allah!», so stört dies den Religionsfrieden. Ich möchte mit oder ohne Minarette einem Moslem in Liebe begegnen und ihm zeigen, dass wir Christen um die Erlösung unserer Schuld durch Jesus Christus wissen.»

Keine Brücke gebaut

Verena Birchler, Kommunikations-Designerin, talkmotion plus, Pfäffikon ZH: «Kürzlich musste ich mich in einer Diskussion zurückziehen, weil ich mich einem Christen gegenüber fand, bei dem ich nur noch Hass hörte. In der Zwischenzeit haben viele mehr Angst, zu ihrer Meinung zu stehen, als vor der Initiative selbst. Das führt zu Aussagen wie: «Momentan würde ich die Initiative möglicherweise wohl eher ablehnen.» Ich selber bin gegen die Initiative. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Menschenrechte in vielen islamischen Ländern krass missachtet werden. Vor allem die der Frauen. Und diese Haltung kommt auch in die Schweiz. Aber diese Problematik lösen wir nicht mit dem Verbot von Minaretten. Diese Initiative hat viel Hass und Wut gebracht, aber keine Brücke zum christlichen Glauben und zur Frieden schaffenden Liebe Gottes gebaut.»

Gegen Machtansprüche

Esther Reutimann, Fundraisingbeauftragte Sozialwerke Pfarrer Sieber, Winterthur: «Als Christin möchte ich Moslems mit Liebe und Achtung begegnen. Ich kenne einige persönlich und erlebe sie als ebenso freundlich und ehrenwert wie Christenmenschen. Für mich ist es selbstverständlich, dass Muslime Räume benötigen, um ihren Glauben in Gemeinschaft ausleben zu können. Fern von der Heimat ist dieses Bedürfnis noch zentraler! Allerdings können sie dies ohne Minarett tun, genauso wie es Freikirchler ohne Kirchturm tun können. Sollten aber islamische Machtansprüche im Spiel sein, will ich mit meinem Nein diesen nicht noch Vorschub leisten. Ich möchte Muslime als Gäste behandeln, erwarte aber auch, dass sie sich entsprechend benehmen.»

Viel Angst geschürt

Daniel Albietz, Rechtsanwalt, Riehen: «Selten zuvor war ich vor einer Abstimmung derart unschlüssig: Ein Ja zur Initiative greift zu kurz, ein Nein setzt falsche Signale. Die Gegner der Initiative blenden in einer Art blauäugigem Gutmenschentum den territorialen Anspruch des Islams aus. Minarette sind Symbole für die Landnahme. Handkehrum haben die Initianten ein Machtsymbol einer einzigen Religion im Visier. Das Bestreben, die christlichen Relikte in unserem verweltlichten Staat mit einem Minarettverbot zu schützen, zeugt zudem von einem Misstrauen gegenüber der Kraft des Evangeliums. Von beiden Seiten schliesslich wird Angst geschürt. Doch Angst ist immer ein schlechter Ratgeber.»

Datum: 06.11.2009
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

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