Ja zu Minarett-Verbot löst Enttäuschung und Freude aus
Die Zustimmung zum Verbot der Minarette zeige auch, dass sich das Schweizer Stimmvolk klar gegen die Entstehung von Parallelgesellschaften durch eine zunehmende Ausdehnung des Islams in der Schweiz stelle, hält die Schweizerischen Volkspartei (SVP) fest. Den Ruf der Muezzine bei den bestehenden Minaretten dürfe es nie geben, dafür habe der Bundesrat zu sorgen.
«Eine Chance für unser Land»
Die Eidgenössische Demokratische Union (EDU) wertet die Annahme des Minarett-Verbots als ein Zeichen dafür, «dass die Schweizer Bevölkerung an den bewährten Werten festhalten will». Sie erwartet nun von Regierung und Parlament die Respektierung und Umsetzung des Abstimmungsergebnisses, schreibt die Partei in einer Medienmitteilung. Die EDU erwartet von Regierung und Parlament, dass «allfällige Drohungen und Erpressungsversuche von islamischer Seite» unmissverständlich zurückgewiesen werden.Die EDU fordert das Schweizervolk auf, «sich auf die jüdisch-christlichen Werte und den christlichen Glauben als Fundament des erfolgreichen freiheitlichen Bundesstaates Schweiz zu besinnen». Ein klares und glaubwürdiges Bekenntnis zum christlichen Glauben und zu biblischen Lebensprinzipien seien «die beste und wirksamste Vorbeugung gegen die laufende Islamisierung und den Zerfall der christlichen Werte».
In Langenthal feierte die EDU den Abstimmungsverlauf: «Unser himmlischer Vater hat ein Wunder bewirkt», sagte Alt Nationalrat Christian Waber ins Mikrofon. Laut dem Politologen Claude Longchamp sind vor allem parteiunabhängige Stimmbürger ausschlaggebend für die Annahme gewesen. Auf die Frage, wer damit gemeint sein könnte, sagte Waber gegenüber Livenet, dass es der EDU gelungen sei, viel mehr Christen an die Urne zu bringen als üblich. «Man könne auch sagen, dass wenn die SVP und die EDU zusammenarbeiten bei brennenden Fragen, welche die Werte in der Gesellschaft betreffen, dann könne man zusätzlich mit parteiunabhängigen Stimmbürger eine Mehrheit erreichen.»
Bedauern und Enttäuschung
Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) ist enttäuscht über das Abstimmungsresultat, welches den Weg zu konstruktiven Lösungen schwieriger mache. Auch über die Muslimverbände zeigt sich die SEA enttäuscht, weil es die Leitenden der Muslimverbände verpasst haben, ein klares Zeichen für ein friedliches Zusammenleben zu setzen und die Ängste der Bevölkerung gegenüber dem politischen Islam zu zerstreuen.Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) der Schweiz weist in ihrer Reaktion darauf hin, dass die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels («Der Bau von Minaretten ist verboten») auf Schwierigkeiten stossen wird. Rechtsexperten haben im Vorfeld der Abstimmung wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Klage gegen ein allfälliges Minarett-Verbot vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wohl Erfolg haben dürfte.
In den Augen der CVP bestehen in der Bevölkerung Ängste gegenüber einem «religiösen Fundamentalismus», denen Rechnung getragen werden müsse. Die CVP werde sich deshalb weiterhin entschieden gegen die Entwicklung von Parallelgesellschaften einsetzen: «Für alle Menschen in diesem Staat gelten die gleichen Regeln.»
Muslime fühlen sich an Pranger gestellt
Die islamischen Verbände bedauern, dass es den Initianten gelungen sei, mit «verzerrender Propaganda» Ängste bei einer Mehrheit zu mobilisieren, die nichts mit dem Islam in der Schweiz zu tun hätten. Durch das Abstimmungsergebnis an den Pranger gestellt fühlen sich die in der Schweiz lebenden Muslime. Durch die Initiative hätten viele Muslime das Gefühl, «dass ihr Glaube und ihre Daseinsberechtigung in der Schweiz infrage gestellt wurden. Das hat bei ihnen Sorgen und Ängste ausgelöst, die nun durch das Abstimmungsergebnis noch verstärkt worden sind», bedauern die islamischen Nationalverbände in einer ersten Reaktion. Gleichzeitig betonen sie aber, dass durch die Annahme der Minarett-Initiative ihre eigene Verantwortung noch gewachsen sei, «auf legitime Befürchtungen in der Schweizer Bevölkerung einzugehen und zu antworten».Zeit für einen Religionsartikel
Die Evangelische Volkspartei (EVP) der Schweiz sieht den Augenblick für gekommen, die Bundesverfassung durch einen Religionsartikel anzureichern. Dabei soll das Christentum als Basiskultur der Schweiz in der Verfassung verankert werden. Die Religionsfreiheit der Muslime dürfe aber nicht angetastet werden; diese müssten ihren Glauben weiterhin ungehindert ausüben können.Das Minarett-Verbot löst keine Probleme, sondern wird neue schaffen. Dies befürchet der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) in einer Reaktion auf das Abstimmungsergebnis. Nach Ansicht des Evangelischen Kirchenbundes belastet die Zustimmung zur Initiative den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Entsprechend bedauert er den Ausgang der Abstimmung.
Der SEK erachtet den Abstimmungsentscheid insbesondere als eine Belastung für die Freiheitsrechte: «Es darf nicht sein, dass religiöse Minderheiten jetzt damit rechnen müssen, ungleich behandelt zu werden», so Thomas Wipf, Präsident des Rates SEK. «Die allgemeine Geltung der Menschenrechte, insbesondere das Recht auf freie Ausübung des Glaubens, sind Errungenschaften, die nicht aufgegeben werden dürfen.»
Ein Sieg für die Radikalen
Die einzigen Gewinner nach der Annahme des Minarett-Verbots sind die «Radikalen auf beiden Seiten»: Dieser Ansicht ist der Interreligiöse Think-Tank, ein Zusammenschluss von Schweizer Religionsexpertinnen der drei monotheistischen Religionen, die sich im interreligiösen Dialog engagieren. Der Think-Tank ist der Ansicht, dass sich durch ein Minarett-Verbot gar nichts ändert. «Ausgrenzung» und «Unsichtbarkeit des Islams» würden bestehen bleiben. Auch an der Zahl der Muslime ändere sich nichts.Reaktionen im Ausland
«Das ist ein sehr schlechtes Resultat; ein Zeichen, dass die Mehrheit der Schweizer gegen die Muslime ist», sagt Hassan Abou Taleb, Politologe am Al-Ahram-Zentrum für politische und strategische Studien in Kairo. «Die Schweiz hat uns ganz unerwartet eine andere, eine unschöne Seite gezeigt.»Die Partei der Muslimbrüder in Jordanien hat das Ja zur Minarett-Initiative umgehend und scharf als krasse Verletzung der Religionsfreiheit kritisiert. «Wir weisen ein solches Vorgehen zurück, weil es die Muslime in der Ausübung ihrer religiösen Handlungen hindert.»
Yussuf Qaradawi, Präsident der internationalen Vereinigung der muslimischen Gelehrten, warnte in der Tageszeitung «Sharq al-Awsat», das Minarett-Verbot würde den Hass der Muslime schüren.
Die Annahme der Initiative werde bestimmt nicht folgenlos bleiben. Sicher sei jedoch, dass die meisten arabischen Offiziellen «die Angelegenheit nicht politisieren werden», sagte der in London lebende palästinensische Islamwissenschaftler Adel Darwish. Allerdings müsse man damit rechnen, dass einige Geistliche in der Region das Schweizer Ja als «Verschwörung gegen den Islam interpretieren werden».
Der ägyptische Grossmufti hat das Bauverbot für Minarette in der Schweiz kritisiert. Es sei eine «Beleidigung» für alle Muslime und ein Angriff auf die Religionsfreiheit, sagte Ali Gomaa. Er rief die Schweizer Muslime dazu auf, mit legalen Mitteln gegen das Verbot zu demonstrieren und sich im gesellschaftlichen Dialog zu engagieren.
Votum ernst nehmen
Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), hat dazu aufgerufen, das Votum der Schweizer gegen den Bau von Minaretten ernst zu nehmen. Das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor der Islamisierung der Gesellschaft.Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) betonte Laschet im Deutschlandfun: «Ein Grundrecht ist ein Grundrecht und steht auch einer Minderheit zu», Die mehrheitliche Ablehnung von Minaretten der Schweizer Bevölkerung in einem Referendum mache ihn besorgt, sagte der Minister. «Man kann nicht Menschen über eine Religion abstimmen lassen, Religion ist ein Grundrecht.» Glücklicherweise seien in Deutschland Referenden nicht zugelassen, sagte der CDU-Politiker. Selbst wenn in Deutschland Referenden möglich wären, wäre eine solche Abstimmung über den Bau von Minaretten hierzulande gar nicht erst zugelassen worden.
Die deutsche Bundesregierung sieht die Religionsfreiheit in der Schweiz durch das Votum gegen den Bau von Minaretten nicht gefährdet. «Die Religionsfreiheit in der Schweiz ein ebenso hohes Gut wie in Deutschland», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans. Die deutsche Regierung sei bemüht, Religionsfreiheit und Integrationsbemühungen in Einklang zu bringen.
SPD, Grüne und Linke übten dagegen heftige Kritik am Ausgang des schweizerischen Referendums. Muslime müssten Moscheen bauen können, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Olaf Scholz. «Dazu gehört auch ein Minarett, so wie der Kirchturm zur Kirche.»
Die Schweiz hat mit der Abstimmung für einen Imageschaden gesorgt. «Aus der Mücke Minarett wird der Elefant Islamisierung» titelt die «Frankfurter Allgemeine». Und meint damit die Angst der Schweizer Bevölkerung vor dem Islam.
Für die deutsche «Bild»-Zeitung, die auf «Bild online» eine Umfrage laufen hat, zeigt, dass über 80 Prozent der Deutschen ebenfalls für ein Verbot von Minaretten wären.
Europas Rechte bejubeln Minarett-Verbot
In Österreich begrüssen vor allem die rechtsgerichteten Parteien die Entscheidung aus dem Nachbarland. Der Kärntner Landeshauptmann von der Partei «Bündnis Zukunft Österreich» (BZÖ) sieht im Schweizer Votum das vor zwei Jahren in seinem Bundesland beschlossene Bauverbot für Minarette bestätigt.Begeistert hat die rechtslastige und fremdenfeindliche Lega Nord in Italien das Votum gegen neue Minarette in der Schweiz aufgenommen. «Das ist ein klares Signal aus der Schweiz auch für uns», meinte der Lega-Nord-Minister. «Über dem heute schon fast islamisierten Europa flattert jetzt die Fahne der mutigen Schweiz, die christlich bleiben will», sagte der Europaabgeordnete der Lega Nord, Mario Borghezio. Sein Kollege Matteo Salvini verlangte eine solche Volksabstimmung auch in Italien und lobte die Schweiz, «die damit eine grosse Lektion in Demokratie und gesundem Menschenverstand» erteilt habe.
Ähnliche Stimmen kommen aus Frankreich und den Niederlanden. Die rechtsextreme französische Partei Front National begrüsste das Abstimmungsergebnis. «Die sogenannten Eliten sollten endlich aufhören, die Befürchtungen der Menschen in Europa zu ignorieren.» Es ginge nicht darum, die Religionsfreiheit einzuschränken, aber man wolle keine auffälligen Symbole, die politisch-religiöse Muslime der Gesellschaft aufzwingen wollten, hiess es weiter.
Auch die Rechtspopulisten in den Niederlanden fordern einen Baustopp für muslimische Gebetstürme. Die Holländer würden genauso abstimmen wie die Schweizer, sagte der Vorsitzende der Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders. Die Partei des Islam-Kritikers wolle daher einen Gesetzentwurf für ein Minarett-Referendum einbringen, berichtete die Zeitung «De Telegraaf». «Zum ersten Mal haben sich Menschen in Europa der Islamisierung widersetzt.»
EU kritisiert Minarett-Verbot
Die Europäische Union hat das Schweizer Votum gegen den Bau von Minaretten kritisiert. «Das ist eine Frage für Stadtplaner, eigentlich nicht für ein Referendum», sagte der schwedische Einwanderungsminister Tobias Billström im Namen der EU-Präsidentschaft. «Es ist problematisch, wenn Politiker anfangen, über Architektur und ähnliche Dinge zu entscheiden. Dafür sind wir nicht wirklich qualifiziert.» In Schweden wäre ein solcher Schritt schwerlich möglich, so Billström weiter.
Datum: 01.12.2009
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet.ch