«Deutschland sucht den Superstar»: Fall für den Jugendschutz

Kai Gehring
Christoph Kähler
Cornelia Pieper

Die aktuelle Staffel der RTL-Fernsehshow «Deutschland sucht den Superstar» ist nun ein Fall für den Jugendschutz.


Bohlen hatte in der Sendung mehrere Kandidaten beschimpft.

Beleidigungen und Blossstellungen der Kandidaten sowie unterstes Sprachniveau kennzeichneten die Kommentare von Jury-Mitglied Dieter Bohlen, erklärte die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in München. Wegen möglicher «sozialethischer Desorientierung von Kindern und Jugendlichen» sei daher ein Prüfverfahren eingeleitet worden.

RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer sagte, wer die Sendung auf harte Jury-Sprüche reduziere, habe diese noch nicht gesehen. Der Sender werde das Prüfverfahren abwarten. Die KJM handelt im Auftrag der Medienaufsichtsbehörden der Bundesländer.

Unsoziales Verhalten werde von einer Identifikationsfigur wie Dieter Bohlen als cool und erfolgversprechend dargestellt, sagte der KJM-Vorsitzende Wolf-Dieter Ring. Respektlosigkeiten im Umgang miteinander gehörten zur Machart der Sendung. Es handle sich nicht um eine singuläre Entgleisung, sondern offenbar um eine bewusste Inszenierung durch den Sender. Bei der KJM sei eine Reihe von Beschwerden von Bürgern eingegangen, so Ring.

Bohlen hatte in der Sendung mehrere Kandidaten beschimpft. Einer korpulenten Bewerberin sagte er etwa, sie sehe «scheisse» aus. Auch der Sender RTL machte sich über die Kandidatin lustig. Als diese zum Studio-Ausgang ging, liess RTL das Bild wackeln, als verursache die Frau mit jedem Schritt grössere Erschütterungen.

Dieter Bohlen erntet Kritik von Kirche und Politik

Kai Gehring, jugendpolitischer Sprecher der Grünen, empfindet das Verhalten des Musik-Profis als Zumutung: „Dümmer, dreister, Bohlen. Der Verbalradikalismus gegenüber jungen Bewerbern hat auf der Mattscheibe nichts verloren. Wie sich Herr Bohlen in einer Musiksendung gebärdet, ist eine Zumutung für alle Zuschauer.“

Der stellvertretende Vorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands, Bischof Christoph Kähler: „Ich kann nur an die Vernunft aufgeklärter Menschen appellieren, sich nicht durch den Kot ziehen zu lassen, der ihnen da vorgesetzt wird. Kandidaten, die dort antreten, stellen sich einem Musikwettbewerb und nicht mehr.“ Der Geistliche warnt: „Beleidigungen können zu schweren persönlichen Verletzungen führen.“

Kritik war zuvor auch vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, gekommen. Er warf Bohlen wegen dessen teils mit Fäkaliensprache gespickten Sprüchen vor: «Wer Menschen verachtet, beleidigt Gott.» RTL ermahnte er, Beleidigungen und Fäkaliensprache dürften keinen Raum im Fernsehen erhalten

Für die stellvertretende FDP-Vorsitzende Cornelia Pieper muss mit Bohlens Entgleisungen Schluss sein. Die Bildungspolitikerin: „Gerade weil diese Sendung viele Kinder und Jugendliche anschauen, ist das absolut verantwortungslos. Ich appelliere an RTL, solche menschenverachtenden Bohlen-Äusserungen künftig zu verhindern. Den Sender fordere ich auf, auf die Qualität der deutschen Sprache und den Erziehungsaspekt dieser Show zu achten.“

Bohlen: "Ich bin nicht der Diplomat vor dem Herrn"

Der Spruch klingt bekannt: "Ich kann das nicht, dieses Nette, und ich bin auch nicht der Diplomat vor dem Herrn", sagt Musikproduzent Dieter Bohlen. "Persönlich kränken will ich niemanden, nur einigen vielleicht ein bisschen drastisch sagen, dass sie scheisse singen."

Was sagt RTL zu den Vorwürfen?

Tom Sänger, Unterhaltungs-Chef von RTL: „Es kann nicht Aufgabe der Unterhaltungssendung sein, Menschen auf den rechten Weg zu bringen und Erziehungsaspekten gerecht zu werden.“

Das sieht SPD-Medienpolitiker Marc Jan Eumann anders: „Der Sender trägt die Verantwortung, dass solche Gossensprache nicht Schule macht. Da muss RTL auf seinen Mitarbeiter Bohlen einwirken. Denn Dieter Bohlen verstösst gegen den Kanon der guten Sitten.“

RTL-Sprecherin Eickmeyer sagte, auch in der vierten Staffel sei es Teil des Konzepts, starke Stimmen ebenso zu zeigen wie skurrile und witzige Szenen aus den Castings. Aufgabe der Jury sei es, die Kandidaten zu beurteilen. «Über einzelne Jury-Kommentare kann man dabei ohne Frage streiten», so die Sprecherin. «Die Beurteilung der Sendung sollte jedoch nicht an Einzelkommentaren oder einzelnen Szenen festgemacht werden.» Ernstgemeinte Kritik nehme der Sender aber durchaus ernst.

Unter Beobachtung

Ob RTL gegen die Jugendschutzbestimmungen verstossen habe, müsse für jede einzelne Folge geprüft werden, teilte die KJM weiter mit.

Offenbar sei keine der bisherigen Folgen der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vorgelegt worden, die Altersfreigaben für Fernsehsendungen vergibt. Bei einem Verstoss gegen Jugendschutzbestimmungen kann die KJM eine Beanstandung aussprechen oder ein Bussgeld gegen den ausstrahlenden Sender verhängen.

Ein möglicher Verstoss gegen Jugendschutzbestimmungen ist zum Beispiel eine zu frühe Sendezeit. Die Show «Deutschland sucht den Superstar» läuft ab 20.15 Uhr und muss daher für Jugendliche ab zwölf Jahren geeignet sein.

Quelle: epd/Livenet

Datum: 25.01.2007

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