Holländische Kirche erreicht durch Protestaktion Änderung der Asylpolitik
Bereits am 26. Oktober hatte die Bethel-Gemeinde in Den-Haag einen Dauergottesdienst begonnen. Der Grund: Nur so konnte verhindert werden, dass die Polizei in das Kirchgebäude eindringt und eine armenische Familie in ihre Heimat abschiebt (Livenet berichtete).
Über 600 Fälle werden neu überprüft
Am 30. Januar wurde dieser rekordfähige dreimonatige Gottesdienst nun beendet. Am Tag zuvor waren Gespräche mit den Behörden geführt worden. Noch am selben Tag kündigte der für Asyl und Migration zuständige Staatssekretär Mark Harbers an, dass die Behörden die Fälle der vielen Kinder neu überprüfen werden, die abgelehnt wurde, weil sie nicht kooperiert hatten, als ihre Familien in die Herkunftsländer zurückkehren sollten.
«Die am Dienstag geschlossene politische Vereinbarung bietet der armenischen Familie Tamrazyan eine sichere Zukunft in den Niederlanden», heisst es auf der Webseite der Gemeinde. Es handelt sich um eine Familie aus Armenien, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft hatte und trotz Recht auf das «Kinder-Pardon» abgeschoben werden sollte. Demnach dürfen Familien mit Kindern, die seit mehr als fünf Jahren im Land leben, nicht abgeschoben werden. Aus diesem Grund erbat Familie Tamrazyan Kirchenasyl.
Ein ähnliches Schicksal hätte über 600 ausländischen Kindern und ihren Familien in den Niederlanden gedroht – alle Fälle, die zuvor abgelehnt wurden, sollen jetzt neu überprüft werden. Harbers erwartet, dass «eine grosse Anzahl der abgelehnten Kinder ausgewählt werden», um eine Aufenthaltserlaubnis für die Niederlande zu erhalten.
Dankbar für die Hoffnung
«Wir sind äusserst dankbar für die sichere Zukunft von Hunderten von Flüchtlingsfamilien in den Niederlanden», freute sich Theo Hettema, Vositzender des Generalrats der Evangelischen Kirchen von Den Haag. «Seit Monaten halten wir die Hoffnung aufrecht und nun nimmt diese Hoffnung Gestalt an. Wir sind zutiefst beeindruckt von allen freiwilligen Helfern und Menschen, die an diesem Kirchenasyl teilgenommen haben.»
«Sicher in den Armen Jesu»
Für die armenische Familie war der Schutz, den sie in der Bethel-Gemeinde fand, nicht nur eine letzte Ressource, sondern in ihrer Verzweiflung und für ihren Glauben unheimlich wichtig. Dies zeigt eines der vielen Gedichte, welche die 21-jährige Tochter der Familie, Hayarpi Tamrazyan, verfasst hat. Hier die deutsche Übersetzung:
«Kirchenasyl, so viele Wochen, Monate,
Ich frage mich, wie das möglich ist. Unglaublich, atemberaubend…
So viel Unterstützung.
Wir
beten jetzt seit Wochen
Wir singen jetzt seit Wochen
Wir lernen jetzt seit Wochen
Rund um die Uhr, 7 Tage pro Woche loben und preisen wir Gott.
Dadurch wachsen die Blumen in meinem Herzen
Es macht mich dankbar, so wie noch nie zuvor.
In Bethel herrscht Friede, Licht in der Dunkelheit, Hoffnung in den Augen
Es herrscht so viel Liebe als Geschenk von Gottes Gegenwart, die hier ist
Und es gibt Sicherheit in diesem Gotteshaus, Bethel
Wir sind sicher, sicher in den Armen Jesu.»
Ein weiteres englisches Gedicht von Hayarpi bringt auch ihre Dankbarkeit gegenüber Gott noch stärker zum Ausdruck.
Kirche ist weiter kampfbereit
Auch nach dieser teilweise sehr anstrengenden Erfahrung, die letztlich ein glückliches Ende nahm, möchte die evangelische Kirche von Holland weiterhin für eine humane Aufnahme von Flüchtlingen kämpfen, heisst es auf der Webseite. «Der biblische Ruf, Gott über alles und den Nächsten wie sich selbst zu lieben, bleibt die Leitlinie der evangelischen Kirche in ihrer Position für eine humane Lösung der Flüchtlingsproblematik», erklärte Pastor René de Reuver, Sekretär der protestantischen Kirche in den Niederlanden.
Für alle, die den Dauergottesdienst der vergangenen Monate möglich gemacht haben, wird die Bethel-Gemeinde noch einen privaten Gottesdienst und eine Party veranstalten – als Dank und Feier für den guten Ausgang des Kirchenasyls.
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Datum: 06.02.2019
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / betheldenhaag.nl / Mundo Cristiano