180 Millionen Kinder in gefährlichen Beschäftigungen ausgebeutet

kk

Brüssel/Genf. Jedes sechste Kind muss nach neuesten Schätzungen des Internationalen Arbeitsorganisation (ILO - "International Labour Organization") als Kinderarbeiter eingestuft werden. Fast 180 Millionen der 5- bis 17-Jährigen und damit zwei Drittel aller Kinderarbeiter würden sogar in gefährlichen Beschäftigungsformen ausgebeutet, heisst es in einem in Brüssel vorgestellten ersten ILO-Bericht zur Kinderarbeit weltweit.

Als besonders alarmierend wird in der umfangreichen Studie bewertet, dass den Schätzungen zufolge mehr als acht Millionen Kinder von Zwangsarbeit, Kindersklaverei und Zwangsrekrutierung in Kriegsgebieten betroffen sind. Jedes vierte von ihnen und damit mehr als zwei Millionen Minderjährige weltweit werden nach ILO-Angaben für Prostitution und Pornografie missbraucht.

Teufelskreis der Kinderarbeit durchbrechen

Im Vergleich zu den 1995 vorgelegten Schätzungen seien zwar einige Fortschritte erzielt worden, erklärte ILO-Kinderarbeits-Experte Frans Röselaers. Es gebe jedoch keinen Grund zur Selbstzufriedenheit, denn die schlimmsten Formen der Kinderarbeit und insbesondere die gefährlichen Tätigkeiten seien stärker verbreitet als bisher angenommen.

Insgesamt würden rund 111 Millionen der unter 15-Jährigen durch die Art der Arbeit in ihrem geistigen und körperlichen Wohl geschädigt, so die ILO. Ziel der Weltorganisation sei es, den Teufelskreis der Kinderarbeit zu durchbrechen, betonte Röselaers. Kinderarbeit werde einerseits durch Armut bedingt, schaffe selbst aber auch immer wieder neue Armut. Oberste Priorität der ILO-Projektarbeit sei deshalb, die Öffentlichkeit in den betroffenen Ländern zu sensibilisieren und Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Schulen und Berufsausbildung zu ermöglichen.

Schicksal von Strassenkindern

Das "gewaltige Ausmass" der Kinderarbeit erstreckt sich der Studie zufolge auf verschiedene Wirtschaftszweige. 70 Prozent der Minderjährigen seien in Landwirtschaft und Fischerei beschäftigt. Darüber hinaus arbeiten Kinder im Gaststättengewerbe ebenso wie auf Baustellen oder im Bergbau. Verstärkt hätten in den vergangenen Jahren die Medien vor allem auf das Schicksal von Strassenkindern aufmerksam gemacht. Vergessen werden dürften jedoch nicht die im Haushalt arbeitenden Kinder, die - für die Öffentlichkeit nicht sichtbar - oft Opfer körperlicher, seelischer oder sexueller Misshandlungen seien, betonen die Verfasser der Studie.

Der mehr als 160 Seiten umfassende Bericht legt nicht nur die neuesten Zahlen zur Kinderarbeit vor, die allesamt auf Schätzungen beruhen und im Vergleich zu früheren Berichten durch differenziertere Methoden erhoben wurden. Zur Sprache kommen auch Analysen möglicher Ursachen von Kinderarbeit und die Vorstellung von Projekten, die von der ILO mit ihren Programm zur Bekämpfung der Kinderarbeit (IPEC) durchgeführt werden. Das IPEC-Programm ist nach eigenen Angaben zusammen mit 26 Geberländern und -organisationen in 75 Ländern tätig.

Strassenkinder in Brasilien

„Komm zurück, wir brauchen dich hier!“ Dies war der Ausspruch eines sechzehnjährigen Strassenjungen namens Paulo, welcher mich 1996 dazu veranlasst hat, auf dem zwölfstündigen Flug von São Paulo nach Zürich nur noch zu heulen und mich zu fragen: was kann ich für die Strassenkinder Brasiliens tun? Ich hatte lediglich ein Buch über Strassenkinder schreiben wollen, weil mein Verlag mal so nebenbei erwähnte: „Schreib doch mal was über die Strassenkinder!“

Doch beim Schreiben des Buches hörte ich die ganze Zeit Paulos Ausspruch: „Komm zurück, wir brauchen dich hier!“, und schliesslich gab ich mich geschlagen und sagte Gott: „Ok. Wenn du mehr von mir willst, als nur ein Buch, wenn du möchtest, dass ich mein Leben in die Arbeit mit Strassenkindern investiere, dann mach mir einfach die Türen auf. Und wenn ich auf der falschen Fährte bin, mach mir die Türen zu.“ Tatsache ist, dass einfach alles wie am Schnürchen klappte, und so stand ich am 16. Mai 1997 wieder in São Paulo, mit einem Visum für ein Jahr. Nun, aus einem Jahr sind in der Zwischenzeit fünf Jahre geworden, und ein Ende ist nicht in Sicht.

Zuerst arbeitete ich in einem Nachtprojekt mit. Dann gründeten wir ein Heim für 12 Buben, anschließend eröffnete ich ein Tagesprojekt mit Kursen für Strassenkinder und Jugendliche aus dem Jugendgefängnis. Und mein neustes Projekt ist eine Zahnarztklinik für Strassenkinder.

8 Millionen Strassenkinder in Brasilien

In Brasilien schätzt man die Zahl der auf 8 Millionen. Würde man pro Sekunde ein Kind zählen, bräuchte man 2 Monate, um diese 8 Millionen Strassenkinder Brasiliens zu zählen. Sie kommen aus zerrütteten Familien, zerstört durch Alkohol, Gewalt und Armut. Notdürftig hausen sie in Quartieren aus Plastikplanen, Kartons, Schaumstoffmatratzen und Decken. Sie leben unter Brücken und Viadukten, in Schächten, Tunnels, verlassenen Gebäuden, auf Müllhalden, Plätzen und Strassen, in jedem Winkel der Stadt.

Die Strasse ist ihr Haus, der Boden ihr Bett, der Rasen einer Parkanlage ihre Toilette. Sie haben Läuse, Hautausschläge und sind meistens schmutzig. Sie besitzen häufig nicht viel mehr als das, was sie auf dem Leib tragen und sind ständig auf der Flucht vor Drogenhändlern und der Polizei. Viel zu früh lernen Strassenkinder, mit Waffen umzugehen, um sich zu verteidigen und im Notfall zu töten, um nicht selbst getötet zu werden.

Die Hälfte aller Todesfälle von brasilianischen Kindern sind Morde. Laut dem ‚Jornal do Brasil‘ wurden in Rio de Janeiro zwischen 1985 und 95 6033 Kinder umgebracht, das sind 603 Kinder pro Jahr. Trotz dieser erschreckenden Summe wurden gerade 8 Personen für den Mord an Kindern verurteilt. Von 1138 Morden schafften es gerade 41 Fälle bis vors Gericht, das sind 3,6%, oder anders ausgedrückt: die Revolverkugeln erfassen die Strassenkinder schneller als die öffentliche Gerechtigkeit.

Für 400 Kinder gibt es 3 Duschen

Sobald die Kinder den Passanten nicht mehr mit ihrem traurigen, mitleiderregenden Blick ein paar Münzen abbetteln können, bleibt ihnen keine andere Wahl, als zu stehlen. Wenn sie dabei von der Polizei erwischt werden, landen sie im Jugendgefängnis. Im grössten Jugendgefängnis von São Paulo, Tatuapé, sind ca. 1400 Kinder gefangen. Für 400 Kinder gibt es 3 Duschen. Eine Matratze für 3 Kinder. Manchmal sitzen die Jugendlichen von morgens um 7 Uhr bis abends um 10 Uhr auf dem Betonboden, die Hände über dem Kopf verschränkt, und wer sich bewegt, wird bestraft. Ein Aufseher erklärt gegenüber der brasilianischen Zeitschrift ‚Veja‘: ‚Das hier gleicht Ausschwitz. Es ist ein Konzentrationslager für Kinder. Es ist die Hölle.‘

1990 unterschrieb Brasilien die UNO-Konventionen über die Rechte der Kinder. Darin wird unter anderem festgelegt, dass Kinder das Recht haben, nicht diskriminiert zu werden, das Recht auf elterliche Fürsorge oder Betreuung durch andere Bezugspersonen, das uneingeschränkte Recht auf Leben, das Recht auf einen Namen, das Recht auf einen minimalen Lebensstandard, das Recht auf Schutz vor ökonomischer und sexueller Ausbeutung sowie das Recht auf Schutz vor Folter, grausamer und unmenschlicher Behandlung. Dass diese Kinderrechte bis jetzt nur auf dem Papier existieren, braucht nicht erwähnt zu werden.

Eine neue Hoffnung

Haben diese Kinder überhaupt eine Hoffnung? Ja! Marcio, ein Junge, der mit 7 Jahren aus dem Waisenheim abhaute und sich 8 Jahre allein auf der Strasse durchschlug, ist heute mein bester Mitarbeiter. Auf einer Vortragstour durch die Schweiz, sagte er immer wieder: „Ich hatte Hunger, ich hatte Durst. Ich wurde von der Polizei geschlagen, weil ich keine Drogen für sie verkaufen wollte. Ich wollte zur Schule gehen, doch sie jagten mich davon, weil ich von der Strasse kam. Ich suchte eine Chance, und niemand gab sie mir. Doch als mir jemand ein Bett gab und Kleider, schaffte ich den Ausstieg.

Ich hab es geschafft, denn Gott hat mich all die Jahre auf der Strasse beschützt, weil er mich liebte, obwohl ich ihn nicht kannte. Heute kenne ich Gott, und ich möchte noch viel mehr für die Strassenkinder tun und ihnen sagen, dass sie den Ausstieg schaffen können, so wie ich es geschafft habe.“

Datum: 08.05.2002
Autor: Damaris Kofmehl
Quelle: Jesus.ch

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