Bekenntnis eines Journalisten

«Ich bin ein Ernährer»

Die Familiendebatte von letzter Woche im Nationalrat hat polarisiert. Die Familieninitiative will das traditionelle Modell mit dem Vater als Alleinernährer und der Frau als Mutter und Haushälterin steuerlich begünstigen. Ein Modell, das es kaum mehr gibt, finden die Gegner. Doch da outet sich ausgerechnet ein Journalist als alleiniger Ernährer seiner Familie. 
Ein Alleinernährer, der im Home Office arbeitet, kann trotzdem Zeit für die Kinder einräumen.

«Im Jahr 2008, über 150 Jahre nach Gotthelfs Tod, wählten Esther und ich das traditionelle Ernährer- und Eigenbetreuer-Modell», bekennt der Journalist Thomas Matter in einem persönlichen Erfahrungsbericht in der «Schweiz am Sonntag». Seine Frau Esther war allerdings bereits 30-jährig, als sich das erste Kind anmeldete. Weil sie gleichzeitig eine «gewisse Leere nach mehreren Jahren Berufstätigkeit» spürte und ihr Mann – kurz nach Abschluss seiner Ausbildung – gerne voll in den Beruf einsteigen wollte, wählten sie das traditionelle Modell: er als Ernährer, sie als Hausfrau und Mutter. «Es war das Resultat eines längeren Prozesses, in dem wir ausführlich diskutierten und verschiedene Faktoren abwogen», betont dazu Matter. Und ergänzt: «Wir taten das als gleichberechtigte Partner». Was für ihn offenbar bei dieser Rollenaufteilung nicht selbstverständlich ist. 

Eine Herdprämie?!

Die Nationalratsdebatte mache ihn nachdenklich: «Vor, während und nach der Debatte bekam man als Vertreter der Ernährer- und Eigenbetreuer-Modelle... das Gefühl, von vorgestern zu sein.» Die abschätzigen Bemerkungen wie «Herdprämie für Mütter» oder «Frauen zurück an den Herd» ärgerten ihn. Sie hätten den Eindruck erweckt, «dass niemand zu diesem Modell zurück will, der bei Verstand ist». Auch seine Frau stehe unter Erklärungsdruck gegenüber Müttern, die zumindest Teilzeit arbeiten.

Er selbst erfahre allerdings öfters Anerkennung aus der Männerwelt für diese Rollenteilung, so Matter, der als Freelancer im Home Office arbeitet. Trotzdem fühlt er sich auch ein wenig als Exot, wenn er auf die Frage antworten soll, welchem Beruf seine Frau nachgehe.

Immerhin werde sein Familienmodell noch von 23 Prozent der Elternpaare in der Schweiz gelebt. Und immer noch nähmen mehr als die Hälfte der Familien keine bezahlte familienexterne Betreuung an. Allerdings habe sich der Anteil der traditionellen Haushalte – mit Kindern unter 7 Jahren – seit 1990 von damals 60 Prozent bis 2011 auf 30,8 Prozent halbiert.

Modell auf Zeit

Matter räumt allerdings ein, dass ihm seine Arbeitstätigkeit zuhause auch die Flexibilität einräume, seine Frau zu ergänzen und abzulösen. Auch seien da noch die Grosseltern, die bei Bedarf spontan einspringen würden. Und er verrät, dass sich inzwischen seine Frau damit beschäftige, eine eigene «Praxis für Energiearbeit» aufzubauen, da das ältere Kind schon bald den Kindergarten besuchen werde. Wichtig bleibe, dass sie als Familie ihren Alltag so selbstbestimmt wie möglich leben könnten. Voraussichtlich werde sich daher ihr Familienmodell in den kommenden Jahren verändern... «Das spielt keine Rolle, denn wir haben es nicht um des Modells willen gewählt», so Matter zum Schluss. 

Fazit: Das Einernährermodell ist längst nicht mehr der Normalfall, doch es bleibt eine Option, die sich auch heutige Eltern – zumindest während einigen Jahren nach der Geburt ihrer Kinder – nicht nehmen lassen wollen. Es bleibt Aufgabe der Politik, den verschiedenen Lebensmodellen gerecht zu werden.

Datum: 24.04.2013
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet / Schweiz am Sonntag

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