Ein Bürgermeister, der sich fröhlich als Schwuler bekennt. Eine Schauspielerin, die selbstbewusst von ihren Abtreibungen spricht. Ein Modekonzern, der mit einem zum Tod verurteilten Kriminellen für seine Marke wirbt. Ein Prediger, der unrasiert und in Jeans das Wort Gottes verkündigt. Vor 30, 40 Jahren noch undenkbar! Tabu um Tabu wird demontiert. Talkshows und Psychoshows wie „Big Brother“ gaukeln uns vor, in einer freien Gesellschaft ohne Tabus zu leben. Die zahlreichen sexuellen Übergriffe von Priestern auf Kinder bringen das Thema „Tabu“ momentan stark in die Schlagzeilen. Auch andere gesellschaftliche Tabus rücken unvermindert ins Blickfeld: Sex, Moral, Tod, Religion, Rassismus, Diskriminierung. Das Basler Museum Karikatur & Cartoon zeigt dazu bis Ende Mai eine Ausstellung „Tabu-los“. Im Untertitel heisst es: „Über Tabus spricht man nicht. Man bricht sie. Manchmal.“ Tabus - nicht nur ein Thema für respektlose Karikaturisten und aufgekratzte Talkmaster! Auch Christen kommen nicht umhin, vermehrt über Tabus nachzudenken. Ihre eigenen Tabus zu hinterfragen. Was sind Tabus? Der Begriff stammt aus dem Polynesischen. Er bezeichnet das absolut Heilige, das sowohl in Menschen oder Tieren als auch in Gegenständen steckt und so heilig ist, dass es totalen Respekt verlangt. Tabus sind also „heilige“ Punkte. Man spricht nicht über sie. Man tut sie nicht, aus Rücksicht auf irgendwelche Verbote, Sitten und Gebräuche. Eine heterogene Gesellschaft wie die unsere freilich kennt keine allgemeinen Tabus mehr. Und die Tabus, die geblieben sind, sollen gebrochen werden. Zumal dieser Gesellschaft nichts mehr heilig ist. Weder der Papst noch das (ungeborene) Leben. Und auch Gott nicht. Die Gesellschaft will befreit sein. Wer Tabus bricht, will aber auch provozieren. Will Aufmerksam- keit erregen und etwas bewirken. So kann der Tabubruch auch ein legitimes Mittel zum Zweck sein. Auffallend in unserer Zeit ohne Tabus ist zweierlei. Das eine: Wir können heute über alles reden, ausser über uns selbst. Tabubrüche finden vor allem auf der Ebene des Verhaltens statt. Der Gefühlsbereich hingegen bleibt tabu. Von unseren Schwächen, inneren Nöten und Ängsten wagen wir kaum zu sprechen. Von unseren Ängsten vor dem Alleinsein, dem Versagen und besonders vor dem Tod. Und das andere: Man darf heute über jede esoterische oder okkulte Erfahrung reden. Doch der persönliche Glaube an Jesus Christus ist tabu. Während alle gesellschaftlichen Tabus fallen, sind Jesus und sein Evangelium zum grössten Tabu geworden! Man vergisst dabei, dass Jesus selber der bewusste Tabubrecher war. Der Sohn Gottes verkehrt als Mensch mit Huren und Betrügern. Er spricht zur ehrenwerten jüdischen Gesellschaft Klartext über Schuld und Umkehr. Er stirbt öffentlich als Verbrecher am Kreuz. Und immer wieder fordert Jesus leidenschaftlich zum Tabubruch auf: Zum konsequenten Glauben an ihn und zum öffentlichen Bekenntnis dazu. Nur der Glaube an Jesus ist der Schlüssel zum Leben und zur Ewigkeit - in einer aufgeklärten Gesellschaft ein Tabubruch! Und dieser Glaube ist keine Privatsache - in einer durchwegs säkularen Welt ein Tabubruch! Der Glaube an Jesus ist kein geheimer Standpunkt. Er ist ein öffentlicher Weg. Wer diesen Weg bewusst geht, wird zum Tabubrecher. Glaubwürdige Tabubrecher erkennen aber auch, dass sie selber Tabus brauchen. Heute mehr denn je.Gesellschaft ist nichts mehr heilig
Jesus als bewusster Tabubrecher
Datum: 30.04.2002
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: Chrischona Magazin