Manchmal ist Schweigen tatsächlich Gold

Aktives Sprachlos-sein

Eine gewaltige Naturkatastrophe, ein Verlust oder unsägliches Leid kann uns sprachlos machen. Manchmal ist es aber auch «einfach so» besser zu schweigen.
Schweigen als Glückskarte

Das Sich-aussprechen hat zwar heilende Bedeutung. Aber auch das aktive Schweigen ist ein Heilmittel. Es soll helfen, Abstand zu gewinnen, zu reflektieren, bevor man (re)agiert. Sprachlos-sein meint kein liebloses Schweigen, das dem andern die Nähe entzieht, kein oberflächliches, grollendes oder auch überhebliches, vernichtendes Schweigen.

Die Gefahren des Redens erkennen

Mit einem aktiven Sprachlos-sein nehme ich die Gefahren des Redens ernst. Ich bin mir bewusst, dass Reden in die Oberflächlichkeit, in die Zerstreuung führen kann. Ich kann Dinge nicht beherrschen, indem ich sie benenne. Ich weiss um die Gefahr, dass beim Sprechen über andere schnell ein Urteil mitschwingt, dass ich von mir ablenken will oder um Anerkennung buhle. Es geht um die Erfahrung, dass wir uns im Reden immer wieder versündigen. Der Mönch Benedikt weist deshalb darauf hin, dass ich immer wieder die Erfahrung machen darf, dass ich durch Gottes Liebe und Vergebung in aller Fehlerhaftigkeit angenommen bin.

Benedikt will in ein aktives Schweigen als innere Haltung der Sammlung führen. Im Raum des Schweigens kann sich der Mensch neu für die Gegenwart Gottes und seinem Wort in der Liturgie und den verschiedenen Alltagsbegegnungen öffnen. Schweigen und Hören gehören für ihn grundlegend zusammen.

Damals wie heute brauchen wir ein bewusstes, aktives Sprachlos-sein. Doch, können wir es noch ertragen, nur da zu sein, wach zu schweigen? Melden sich dann nicht alle möglichen Gedanken, Wünsche, Bedürfnisse, was noch zu tun ist oder beginnen unsere Gedanken zu rasen?

Anselm von Grün beschreibt die Chance des aktiven Schweigens so: «Schweigen … ist Voraussetzung für einen inneren Weg der persönlichen Veränderung und zugleich der erste Schritt. Durch das Schweigen findet der Mensch zu sich selbst, zum Gebet, zum Dialog mit Gott.»

Schweigen als Sensibilität für Gottes Gegenwart

Ein bewusstes Verzichten auf die Sprache kann entspannen. Man kann hinunterfahren, reflektieren und verarbeiten. Bei Amseln von Grün und auch bei Benedikt geht es aber um mehr. Es geht um das aktive Schweigen, das Schweigen als geistliche Gabe und Aufgabe, um sich für Gott zu öffnen. Auch wenn Benedikt konkrete Räume des Schweigens und Zeiten anführt, die wichtig sind, um innerlich zur Ruhe zu finden, geht es ihm im Kern um ein Schweigen als Sensibilität für Gottes Gegenwart.

Wenn jemand aus dieser Ruhe, aus diesem Hören, aus der Verbindung zu Gott und seinem Wort spricht, dann wächst dies aus dem Schweigen heraus. Das Schweigen wird nicht zerstört, sondern das mit Gott beim aktiven Schweigen Erlebte wird geteilt. Somit ist dieses Schweigen – das ein Hinwenden zu Gott ist – auch ein Hinwenden in die Gemeinschaft, dabei bleibt diese aktive Sprachlosigkeit ein Geheimnis. Ist sie nicht immer wieder neu eine Reaktion auf Gottes mächtiges Erscheinen, sein Reden, sein Zu-uns-kommen?

Andreas Reich, Pfarrer EGW, Sumiswald

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Datum: 26.05.2013
Autor: Andreas Reich
Quelle: wort+wärch, April 2013

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