Die Abrechnung
Szene 9. Wir haben ihn! Sie bringen ihn zum Verhör! Die Priester, die im Jerusalemer Tempel das Sagen haben, reiben sich die Hände. Ihre Wachleute haben Jesus im Getsemane-Park aufgegriffen. Nun wird er gefesselt vor sie gebracht. Hämisch mustern sie ihn. Er will nicht Auskunft geben über sein Wirken. Öffentlich habe er geredet, in Synagogen und im Tempel; die Hörer solle man befragen. Einer der Gerichtsdiener schlägt ihn ins Gesicht. Jesus: «Wenn ich etwas Falsches gesagt habe, so zeige auf, was daran falsch war; wenn aber richtig war, was schlägst du mich?» Doch vergebens - es ist der Tag der kaum bemäntelten Gewalt (17).
Kein Deal
Szene 10. Der Hohepriester selbst hat Jesus auch noch verhört - doch die Hinrichtung, die er und seine Clique ihm zugedacht haben, können sie nicht selbst vollziehen. Allein der Statthalter des römischen Kaisers kann sie anordnen. Sie muss aber heute über die Bühne; denn am Abend beginnt das Passahfest...Pontius Pilatus will das schmutzige Spiel nicht mitspielen. Ihn widert das niederträchtige Gebaren der Priester an. Nach kurzem Verhör weiss er: Jesus ist kein gefährlicher Aufrührer - eher ein religiöser Träumer. «Mein Reich ist nicht von dieser Welt», sagt er - und: «Ich bin ein König. Dazu bin ich in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.» - «Was ist Wahrheit?» fragt Pilatus zurück, mit einer Mischung aus Zynismus und Verwunderung (18).
Die Priester warten draussen vor der Residenz. Pilatus tut ihnen kund, dass er an Jesus keine Schuld findet und ihn freilassen will - ein Gefangener wird nach Brauch zum Passah freigegeben. Doch die Priester und ihr Anhang verlangen die Freilassung eines Räubers an seiner Stelle. Auch mit der grausamen Auspeitschung von Jesus - mit einem Kranz von Dornen auf dem Kopf wird er vorgeführt - kann Pilatus ihr Mitleid nicht erregen. Er habe sich zum Sohn Gottes gemacht - er müsse sterben. Ihren König wollten sie hingerichtet haben? fragt er. Die Hohenpriester antworten: «Wir haben keinen König ausser dem Kaiser!» Sie geheuchelt diese Unterwürfigkeit ist - sie setzt Pilatus schachmatt. Das Geschick von Jesus ist besiegelt (19).
Verflucht
Szene 11. Verflucht ist, wer am Holz hängt. So sagen die Heiligen Schriften der Juden (20). Kreuzigungen werden ausserhalb der Stadt auf einem Hügel vollzogen. Weithin sichtbar hängen an diesem Tag drei Männer am Holz. In der Mitte Jesus, mit einer Inschrift über seinem Haupt, die Pilatus zur Verhöhnung der Priester und aller Patrioten hat anbringen lassen: «Der König der Juden» (21). Darüber erbost, verhöhnen seine Feinde ihn hemmungslos. Die grausame, schreckliche Marter, von der erst nach Stunden der Tod erlöst, hält Jesus nicht ab, seine Mutter Maria zu trösten. Sie hat sich mit seinem Lieblingsjünger Johannes so nahe zum Kreuz gewagt, dass sie ihn verstehen kann. «Da ist dein Sohn», sagt ihr Jesus - und übergibt die Verantwortung, die er als Ältester für die verwitwete Mutter getragen hat. «Da ist deine Mutter», bedeutet er dem Johannes (22).Jesus schreit die Verzweiflung über die Finsternis menschlicher Schuld, die nun über seine Seele kommt, heraus - eine Finsternis, die der Vater im Himmel nicht fernhält (23). «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» ruft er, dem immer weniger Stimme bleibt, unter einem Himmel, der sich dramatisch verdunkelt hat (24). Und dann hören die Umstehenden ein letztes Wort: «Es ist vollbracht.» Jesus stirbt.
Im Tod umstritten
Szene 12. Von den vornehmen Sympathisanten, die Jesus in Jerusalem hat, wagt sich an diesem blutigen Nachmittag einer aus der Deckung. Joseph von Arimathia, ein Ratsherr, spricht bei Pilatus vor und bittet, den Leichnam von Jesus in seiner neuen Grabhöhle bestatten zu dürfen. Pilatus stimmt zu, erstaunt über die Verehrung, welche Joseph offensichtlich für ihn hegt. Es eilt vor dem Fest, das am Abend beginnt. Hastig wird der Leichnam in die Höhle gelegt (25).Szene 13. Die Priester sind noch nicht fertig mit Jesus. Eine Abordnung erscheint bei Pilatus und verlangt eine Wache vor der Grabhöhle und ein amtliches Siegel auf den Stein, der vor ihre Öffnung gerollt wurde - denn von Auferstehung nach drei Tagen habe der ‚Betrüger‘ geschwafelt, sagen sie, und einem Diebstahl der Leiche und jeglichem Auferstehungsgerede in der Folge müsse man vorbeugen, für alle Fälle. Pilatus gibt nochmals nach - das Grab wird bewacht, rund um die Uhr (26).
(17) Die Bibel, Johannes 18,19-23
(18) Johannes 18,28-38
(19) Johannes 19,1-16. Alle vier Evangelien der Bibel schildern das Verfahren gegen Jesus ausführlich, mit unterschiedlichen Akzenten und Details.
(20) 5. Mose 21,23
(21) Johannes 19,17-22
(22) Johannes 19,26-27
(23) Als Jesus sein Wirken in der Öffentlichkeit begann, hatte Johannes der Täufer ihn als Opferlamm Gottes bezeichnet, „das die Sünden der Welt hinwegträgt", Johannes 1,29.
(24) Markus 15,33-34. Das letzte von Johannes überlieferte Wort am Kreuz: 19,30.
(25) Markus 15,42-47
(26) Matthäus 27,62-66
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Datum: 02.04.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch