Vatikanische Forderungen für den Nahen Osten
Vize-Aussenminister Danny Ayalon liess am Sonntag verlauten, eine Israel-feindliche Mehrheit habe die Nahostsynode im Vatikan als Geisel genommen. Es gehe nicht an, dem Judenstaat die Hauptschuld für den Nahostkonflikt zu geben. Man sei enttäuscht, «dass diese bedeutende Synode ein Forum für politische Angriffe auf Israel auf der bekannten Linie arabischer Propaganda geworden ist».
Palästinenserstaat gefordert
Zum Ende der zweiwöchigen Synode hatten die Führer der mit Rom verbundenen Kirchen des Nahen Ostens eine Friedenslösung für Israelis und Palästinenser auf Grundlage der Uno-Resolution 242 von 1967 und einen Sonderstatus für Jerusalem gefordert. Die «Besetzung der verschiedenen arabischen Territorien» müsse beendet werden. Die Kirchenführer forderten ein unabhängiges und souveränes Heimatland der Palästinenser und Frieden und Sicherheit für Israel in international anerkannten Grenzen. Neben den Problemen der Palästinenser werden auch «Leiden und Unsicherheiten» der Israeli erwähnt. Auf der Grundlage von Religions- und Gewissensfreiheit könne das Verhältnis zu Juden und Muslimen besser werden.
Unrecht mit der Bibel gerechtfertigt?
Die Kritik an Israel findet auch Ausdruck in der Bemerkung, man könne nicht mit Hinweis auf die Bibel Unrecht rechtfertigen. Ein Synodale im Vatikan stellte dazu klar, Christen könnten nicht den biblischen Hinweis auf ein «versprochenes Land» für das jüdische Volk als Rechtfertigung jüdischer Siedlungen im Westjordanland deuten.
Der Sprecher des israelischen Aussenministeriums Yigal Palmor bezeichnete es als absurd, dass der Judenstaat derart an den Pranger gestellt werde. Israel sei das einzige Land in der Region, in dem es Christen gut gehe: Letztes Jahr hätten über 151.000 Christen in Israel gelebt, gegenüber 132.000 im Jahr 1999 und 107.000 vor zwei Jahrzehnten. Die Behauptung, Israel missbrauche die Bibel, um die Palästinenser zu unterdrücken, wies Palmor zurück. Nie habe irgendeine Regierung Israels dies getan; «diese Stellungnahme tönt besonders hohl. Wer nie gesündigt hat, werfe den ersten Stein.»
Friedensappell Benedikts
Papst Benedikt XVI. beendete die Nahostsynode am Sonnstag mit einem eindringlichen Appell für Frieden, Dialog und mehr Religionsfreiheit. Frieden sei in den vielen Konflikten zwischen Mittelmeer und Mesopotamien dringend nötig – und möglich, sagte er bei der Schlussmesse im Petersdom. Friede sei auch die Voraussetzung, um die oft schwierige Situation der Christen in der Region zu verbessern und die Welle der Abwanderung zu stoppen.
Undiplomatisches
Laut dem Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur Kipa hat die Synode «keine Patentrezepte geliefert, aber viele Probleme verdeutlicht. Viel gesprochen wurde etwa über das Verhältnis zum Islam.» Im Gegensatz zu zwei Muslimen, die vor den Synodalen das Idealbild eines toleranten Islam (in Religionsfragen kein Zwang), äusserte sich ein Kirchenmann aus dem Libanon: Der Koran erlaube seinen Gläubigen, die Religion mit Zwang und dem Schwert zu verbreiten und Christen im Dschihad zu töten. Der Islam kenne keine Religionsfreiheit für andere. Die Wortmeldung des Libanesen ging dem Vatikan laut Kipa zu weit: Der «Osservatore Romano» veröffentlichte eine bereinigte Version.
Abwanderung macht Sorge
Zwei Wochen lang hatten fast alle katholischen Patriarchen und Bischöfe der Region mit dem Papst und Vertretern der Weltkirche über die meist schwierige Situation der 20 Millionen Christen zwischen Kairo und Teheran beraten. Als besonders besorgniserregend bezeichnen die Synodalen die anhaltende Abwanderung von Christen aus den Ländern der Bibel. Zweck des Bischofstreffens sei die Weltkirche und die Öffentlichkeit für diese «dramatische Situation» zu sensibilisieren.
Im Schlussdokument findet sich ein konkreter Vorschlag: Wenn auswandernde Christen ihre Wohnungen und Häuser verlassen, sollen sie sie nicht an Fremde verkaufen, sondern ihren Gemeinden überlassen, um so das christliche Überleben in der Region zu sichern. Zudem sollten die Gemeinden arme Christen unterstützen, um sie von einer Abwanderung abzuhalten. Weiter empfehlen die Synodalen in ihrem Schlusspapier, das Pilgerwesen an die christlichen und biblischen Länder zu fördern.
Arabische Übersetzung des Vaterunsers
Neben innerkatholischen Fragen geht das Synodenpapier auch auf die Ökumene ein. Bereits bestehende Strukturen wie der Rat der Kirchen im Nahen Osten sollten gefördert, neue Initiativen und Treffen auch auf Lokalebene angeregt werden. Eine gemeinsame arabische Übersetzung des Vaterunsers wie des Nizäokonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses sollten erstellt werden. Schliesslich sollten sich die Kirchen endlich auf ein gemeinsames Datum für das Weihnachts- und das Osterfest einigen, so die Synode.
Nebeneinander der Religionen
Drei Vorschläge des Schlusspapiers gelten dem interreligiösen Dialog und dem einvernehmlichen Zusammenleben von Angehörigen unterschiedlicher Glaubensrichtungen in der Region. Dazu müssten religiöser Pluralismus akzeptiert und Fanatismus wie Extremismus ausgeschlossen werden. Konkret müssten Initiativen des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Juden ermutigt werden, «um menschliche und religiöse Werte, Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit» zu fördern. «Wir weisen Antisemitismus und Antisemitismus zurück und unterscheiden zwischen Religion und Politik.» Auch der interreligiöse und interkulturelle Dialog mit Muslimen sei notwendig. Mit den Muslimen sei ein «Dialog des Lebens» erstrebenswert, der die religiösen Werte erschliesst und jede Art von Fundamentalismus und Gewalt im Namen der Religion ablehnt.
Mit Nachdruck verlangt die Nahostsynode auch ein Ende der Gewalt im Irak und eine Wiederherstellung von Sicherheit zum Schutz aller Bürger und aller sozialen, religiösen und nationalen Sektoren. Auch für den Libanon mahnen die um den Papst versammelten Kirchenführer «Souveränität auf seinem ganzen Territorium» und nationale Einheit an. Das Land sollte weiterhin «das Modell für ein Zusammenleben von Christen und Muslimen im Dialog der Kulturen und Religionen sein».
Datum: 26.10.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch / Kipa / Haaretz