Schweizer Reformierte zu Besuch in Syrien
«SEK-Delegation im Nahen Osten teilt Sorge um ausländische evangelikale Missionstätigkeit»: So ist die Medienmitteilung des Kirchenbunds zum viertägigen Aufenthalt in Syrien überschrieben.
Das Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Moran Mor Ignatius Zakka I Iwas, hatte gegenüber der Delegation seine wachsende Sorge um die Lage der Christen im Irak zum Ausdruck gebracht. Charismatische, missionarisch auftretende Gruppen, meist amerikanischen Ursprungs, gewännen im Irak zunehmend an Einfluss. Sie träten mit den traditionellen Kirchen in Konkurrenz und würden als politischer Teil der Besetzer des Iraks verstanden, so die Medienmitteilung. In der Folge würden alle Christen aus politischen Gründen verfolgt.
Thomas Wipf wird zitiert mit den Worten, die Besucher teilten «die Sorge der hier ansässigen Kirchen über die
Missionstätigkeit ausländischer evangelikaler Gruppen besonders im Irak. Sie
stören ein Zusammenleben in einer höchst labilen Umgebung und schaden den
Christen in der ganzen Region».
Zuvor hatte die SEK-Delegation mit verschiedenen Kirchenoberhäuptern
gesprochen. Im Zentrum der Gespräche seien das Zusammenleben mit der
muslimischen Mehrheit des Landes und die Situation der Christen im Nahen Osten
gestanden, heisst es in der Mitteilung.
Kommentar
Dass die Muslime in der arabischen Welt die Christen seit dem 7. Jahrhundert herabgestuft und diskriminiert, oft bedrängt und verfolgt und im Ergebnis schwer dezimiert haben, ist Tatsache. Gerade in diesen Ländern wäre die Religionsfreiheit einzufordern – doch dazu ist die Delegation des SEK nicht hingereist. Sondern um die Situation besser zu verstehen (was sehr zu begrüssen ist), aufs Zusammenleben zu fokussieren und Sympathie zu zeigen – und dass kann man offenbar, indem man sich gegen «evangelikale Missionstätigkeit» ausspricht.
Warum haben sich in der Reformationszeit und in den folgenden Jahrhunderten unzählige Menschen in Europa dem evangelischen Glauben zugewandt? Weil sie darin Hoffnung, Klarheit, geistliches Leben entdeckten. Eben dies geschieht auch im Nahen Osten seit langem. Führer der alten Kirchen orthodoxer, altorientalischer oder katholischer Prägung klagen über die Mitgliederwerbung («Proselytismus») von Bewegungen, die aus dem Westen kommen (was nicht erwähnt wird: Dutzende von christlichen Satellitenfernsehprogrammen in nahöstlichen Sprachen).
Wie überall gibt es auch im Irak kleine, lärmige Gruppen, die «missionarisch» wirken. Ihr Treiben ist anstössig und mag die Gefahr vergrössern. Ihre Tätigkeit nehmen Leiter alteingesessener Kirchen zum Anlass, über die Evangelikalen (auch einheimische!) insgesamt herzuziehen.
Der SEK-Mitteilung ist zu entnehmen, dass sich die Delegation dem orthodoxen Erzbischof anschliesst – ohne zuerst im Irak mit evangelischen Christen gesprochen zu haben. Doch zur Religionsfreiheit, die sie auf ihre Fahne geschrieben hat, gehört das Recht, die Konfession wie auch die Religion zu wechseln und einer anderen Gemeinschaft beizutreten. Sollte es im Nahen Osten – weil der Druck besonders gross ist und in manchen Gegenden Terror herrscht – nicht gelten?
Dass ein syrischer Erzbischof sich nicht schmeichelhaft über die US-Truppen im Irak äussert, war zu erwarten. Er muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass der grösste Teil abgezogen ist – zum Bedauern sehr vieler Einheimischer, Christen wie Muslime...
Datum: 05.10.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / SEK