Wer das Evangelium ernst nimmt, wird innovativ
«Der Kontinent Europa wäre heute nicht das, was er ist, wenn es im Laufe der vergangenen 2'000 Jahre nicht immer wieder sehr viel Innovation gegeben hätte», stellt Markus Müller fest.« Um es deutlich zu sagen: … wenn nicht der Heilige Geist immer wieder Menschen inspiriert hätte, Verrücktes zu wagen und ‚Ver-rücktes’ in die Welt zu setzen.
Müller sprach am 10. September 2011 zur Eröffnung der «Innovationsmesse» im Konferenzzentrum St. Chrischona. Müller erinnerte: «Innovation kommt vom lateinischen ‚Novum’, also Neues: Neues wird hineinverpflanzt in das Bestehende. Die grösste Innovation dieser Weltgeschichte war Jesus, der in diese Welt kam und die Wiederherstellung der Beziehung zum Schöpfer, dem Vater im Himmel, in diese Welt brachte. Das war so innovativ und so umwerfend, dass er über Jahrhunderte hinweg immer wieder seine Projektmitarbeiter hatte.» Müller nannte Beispiele:
Hospitäler
«In der Zeit der Verarmung des Römischen Reiches, kombiniert mit Steuerdruck und Rechtlosigkeit, kam es im 4. Jahrhundert angesichts von Heeren von Armen, Kranken, Sklaven, Gefangenen, Dirnen ... zu den ersten Hospitälern, Waisenhäusern, Findlingsheimen, Entbindungsanstalten, Aussätzigenhäuser. Innovativ war die Umkehrung des üblichen Denkens. Neu galt: Die wahren Schätze der Kirche sind die Armen. Mönche und Nonnen waren die geborenen Innovationsträger bei der Entdeckung der wahren Schätze dieser Welt.»
Universitäten
F«ür Anselm von Canterbury (1033-1109) war klar: Wer glaubt, wird denken. 1158 kam es aus dem Raum der Kirche zur ersten Universitätsgründung in Bologna. Es war äusserst innovativ von Anselm, das Denken im Glauben verankert zu lassen, aber aus dem Glauben zu denken. Blaise Pascal hat hier angesetzt mit dem ‚Schauen des Herzens’». «Ich gestehe, dass das 21. Jahrhundert aus meiner Sicht nichts so sehr bräuchte wie ... eine Herzensuniversität, also einen Ort, wo vom Herzen her gedacht wird», betonte Müller. Sie würde ein neues Denken ermöglichen.
Sozialstaat
Ein besonderer Innovationsschub hat sich laut Müller in der Erneuerungsbewegung des Pietismus im 17. Jahrhundert entwickelt.
Philipp Jakob Spener, der «Vater des Pietismus», schrieb 1675 die «frommen Wünsche» (Pia desideria). Einer der sechs Wünsche betraf die «praxis pietatis», also die Praxis des Glaubens. Seine These lautete: «Der Glaube besteht nicht im blossen Wissen, sondern beweist sich durch die tätige Liebe.» Liebe ist nicht fakultativer, optionaler Zusatz zum Glauben, sondern fundamentaler Bestandteil des Glaubens.
Spener wandte sich gegen das planlose Geben von Almosen, trotz grosser Not. Er ordnete 1666 als Senior der Frankfurter Stadtgeistlichkeit die Armenpflege der Stadt Frankfurt neu. Müller stellte fest: «Er machte das derart gut, das Kurfürst Friedrich III 1693 um ein Gutachten bat, wie sich die Bettelplage in Berlin beseitigen liesse. Dabei zeigten sich mindestens drei sehr innovative Prinzipien, die den Boden für den modernen Sozialstaat und die soziale Marktwirtschaft bildeten:
- Almosengeben ist durch das Schaffen von Arbeitsplätzen zu ersetzen, einschliesslich für Invalide, Witwen, Waisen, ...
- Die mittellosen Menschen sollen menschenwürdig behandelt werden, d.h. diese sollen ohne Ansehen der Person und des Glaubens versorgt sein.
- Es ist die Bürgerschaft, die für diese Menschen aufkommt. Der Staat zahlt für die aus dem Militär entlassenen Soldaten einen Zuschuss, mehr nicht. Es gilt das Prinzip der Eigenverantwortung.»
Müller stellt im Rückblick auf die jüngste Geschichte fest: «Wir waren in der westlichen Welt 65 Jahre lang ziemlich fleissig. In den vergangenen 20 Jahren zudem sehr waghalsig, indem wir unser privates Leben auf Kosten der kommenden Generation eingerichtet haben.» Nun stünden wir vor dem Scheitern von Systemen wie der Altersversorgung, die in den 65 aufgebaut worden sind und immer weniger tragfähig sind. Es brauche daher eine «Herzensuniversität», welche in entscheidenden Bereichen neue Ansätze erarbeitet. Müller nannte die Bereiche Ehe und Familie, Bildung, Finanzen und Wirtschaft, Medien, Kultur, Kirche/Gemeinde und Staat.
Vorbild Spittler
Christian Friedrich Spittler, der Gründer der Pilgermission St. Chrischona, war für Müller dabei vorbildlich. Denn dieser habe über drei wichtige Fähigkeiten verfügt, welche auch für unsere Zeit wieder nötig seien:
- Die Bedürftigkeiten der Zeit erfassen (wir bemühen uns heute oft sehr, die Bedürfnisse des Einzelnen zu sehen, nicht aber diejenigen einer Gesamtgemeinschaft);
- Dementsprechend Pläne schmieden;
- Hartnäckig bleiben - bis zur Vollendung der Umsetzung diese Pläne.
Datum: 13.09.2011
Autor: Fritz Imhof