Scharfe Reaktion aus Italien

Wie ökumenisch ist die Weltweite Ev. Allianz?

Die ökumenische Gebetsveranstaltung in Rom
Evangelikale Christen Italiens haben gegen die «aktive und öffentliche» Teilnahme des Leiters der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) an einer grossen ökumenischen Gebetswache protestiert, die im Vatikan organisiert wurde.

Am 30. September beteten bei einer fast dreistündigen Veranstaltung auf dem Petersplatz in Rom die Oberhäupter von zwanzig christlichen Konfessionen, darunter die der Anglikanischen Gemeinschaft, des Lutherischen Weltbundes, der orthodoxen Kirchen und des Methodistischen Weltrats. Thomas Schirrmacher, Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz, sprach von der Bühne aus ein Gebet, ebenso wie Leiter der Pfingstlichen Weltgemeinschaft und des Baptistischen Weltbundes.

«Verwirrt und enttäuscht»

Die Italienische Evangelische Allianz (AEI) reagierte auf die Teilnahme der WEA mit deutlichen Worten: «Wir sind verwirrt und enttäuscht», hiess es in einer Erklärung des AEI-Vorstands. «Wenn man öffentlich mit dem Papst betet, auf dem Petersplatz, vor einem Marienbild, und dabei die Botschaft der geistlichen Einheit mit Liberalen und Orthodoxen verkündet, wird die angebliche Unterscheidung zweitrangig. Die evangelische Identität geht in der ökumenischen Einheit mit der römisch-katholischen Kirche und dem Ökumenischen Rat der Kirchen auf», so die AEI. Die Teilnahme an dieser grossen ökumenischen Veranstaltung, um für die römisch-katholische Synode zu beten, sei «ein Tiefpunkt in der Geschichte der WEA mit einem erheblichen Verlust an evangelischer Glaubwürdigkeit» und bestätige, dass die von der Italienischen Allianz in der Vergangenheit geäusserten Bedenken über die «ökumenische Agenda» der WEA-Leitung «völlig legitim» seien.

Weltweite Diskussion gefordert

Die ökumenische Gebetswache vermittle das Bild, dass evangelische Christen «Teil einer grossen christlichen Familie» seien, die «mit dem Papst und unter der geistlichen Leitung des Papstes» stehe, erklärte Giacomo Ciccone, Präsident der Evangelischen Allianz Italiens.

Dieser Weg in Richtung Ökumene sei «eine Politik der WEA-Leitung (…), die ohne eine Abstimmung durch die Wählerschaft» getroffen worden sei, und entspreche daher «nicht dem Wesen der Allianz – sie ist eine Basisbewegung». Die Ökumene mit Rom und mit theologisch liberalen Kirchen sei «nicht der Grund für die Gründung der WEA», fügte Ciccone hinzu.

Die AEI forderte die WEA-Leitung auf, «nicht mit der historischen evangelikalen Position der Einheit zu brechen und sie durch eine ökumenische Position zu ersetzen, ohne die gesamte WEA-Wählerschaft in eine öffentliche Diskussion einzubeziehen, die zu einer Entscheidung führt. (...) Dies sind keine Angelegenheiten, die hinter den Kulissen von einigen wenigen Personen behandelt werden, deren Entscheidungen der Rest der Wählerschaft zur Kenntnis nimmt. Wir sind der Sache der evangelischen Einheit auf der Grundlage des Evangeliums verpflichtet. Wir lassen uns vom Evangelium Jesu Christi leiten und nicht von der ökumenischen Agenda», heisst es in der Erklärung abschliessend.

Nicht zum ersten Mal

Die Probleme, die die weitgehend katholischen Länder wie Italien und Spanien, in denen Evangelikale eine starke Minderheit sind, mit der eher offenen Politik der Weltweiten Ev. Allianz haben, sind nicht neu. Die Nationalen Allianzen von Italien, Spanien und Malta verfassten 2017 einen offenen Brief, in dem sie die «ökumenische Agenda» anprangerten, die die WEA ihrer Meinung nach verfolgte. 

Efraim Tendero, Generalsekretär der WEA, versicherte damals, «dass die in ihrem Brief geäusserten Bedenken sehr ernst genommen werden», und fügte hinzu: «Wir schätzen den Eifer dieser evangelischen Allianzen für theologische Integrität und hoffen, dass sie uns direkt kontaktieren werden, um mehr über unsere Pläne und Aktivitäten zu erfahren.»

Eine weitere Erklärung der WEA-Führung lautete: «Wir glauben nicht, dass wir die theologischen Grundsätze der WEA verändert, verraten oder kompromittiert haben», räumte aber ein, dass es eine «legitime Meinungsverschiedenheit unter den Evangelikalen darüber gibt, wie man sich der römisch-katholischen Kirche heute nähern soll».

Der Vorstand der Italienischen Evangelischen Allianz erklärte gegenüber dem Nachrichtenportal «Evangelical Focus», dass er entscheiden werde, wie sich die seiner Ansicht nach «überschrittene Grenze» in Zukunft auf seine Beziehungen zur WEA auswirken werde.

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Datum: 10.10.2023
Autor: Joel Forster / Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / Übersetzt und bearbeitet von Livenet

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