«Du bist der Einzige, der mir helfen kann»
Ich bin nach dem Krieg in Biel aufgewachsen. Meine Mutter war katholisch und litt darunter, dass ihre Kinder in die reformierte Kirche gingen. Doch so bestimmte es mein Vater, ein Protestant und Politiker. Wir sprachen zu Hause nicht über den Glauben. Unserer Mami wollten wir nicht weh tun; der Vater hatte mit Religion nicht viel am Hut. Als ich lesen konnte, schenkte mir die Mutter eine Bibel. Ich vertiefte mich in die Geschichten und war völlig fasziniert.
Weg in den Süden
Als ich 22 war, starb meine Mutter. Über viele Jahre krank, hatte sie uns gebeten, dass wir, wenn Vater wieder heiraten würde, die Stiefmutter annehmen sollten. Ich blieb nicht lange bei ihm. Im Jahr nach ihrem Tod habe ich Francesco, einen Tessiner, geheiratet und bin über die Alpen gezogen.
Die Konvertitin und der Priester
Im kleinen Dorf, wo wir uns einrichteten, wollte ich mich einfügen. So trat ich in die katholische Kirche ein. Dass man in Notsituationen Heilige anrief, kam mir immer abwegig vor. Doch als treue, anständige Ehefrau besuchte ich mit meinem Mann die Messe und ging auch zur Beichte. Dass der Priester viel über unsere eheliche Beziehung hören wollte, befremdete mich und stiess mich ab. Die Kirche müsse alles wissen, antwortete er auf meine Frage.
Stossgebet im Auto
Mein Mann distanzierte sich von der Kirche, als ein Priester seinen sterbenskranken ledigen Onkel überredete, ihm das meinem Mann versprochene Haus zu vererben. Mit dem Schritt steigerte sich sein Eigensinn – er hatte vermehrt Wutausbrüche, die unsere Ehe schwer belasteten. Einmal war ich mit Francesco im Auto unterwegs. Ich war so verzweifelt, dass ich zu Jesus betete und ihm sagte: «Herr ich sterbe langsam – du bist der Einzige, der mir helfen kann.»
Wer bin ich?
Heute sehe ich: Er hat mich durch all die Jahre beschützt und mir die Kraft gegeben, meinem Mann fröhlich zur Seite zu stehen. Francesco ist vor fünf Jahren, nach 43-jähriger Ehe, an Hirntumoren gestorben. Ein halbes Jahr später bin ich aus dem Dorf nach Mendrisio gezogen. Ich realisierte, dass ich mich Francesco komplett angepasst hatte – und tatsächlich wusste ich nicht, wer ich war. Ich bin immer noch am Lernen – und mit Jesu Hilfe auf dem Weg der Besserung (lacht).
Willkommen
Kurz nach dem Umzug erwähnte meine Schwester das Centro Cristiano. In der katholischen Kirche der Stadt fragte niemand nach mir – aber als ich ins Centro kam, wurde ich willkommen geheissen. Die erste Predigt von Pastore Marco war wie eine Erleuchtung für mich, und am folgenden Sonntag, bei der zweiten Predigt, wusste ich, dass ich meine geistige Heimat gefunden hatte.
Freude am Helfen
Wenn ich über mein Leben nachdenke, sehe ich, dass es unter dem Motto gestanden hat, das Paulus im Brief an die Christen in Philippi formulierte: «Nicht dass ich’s schon ergriffen hätte oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es wohl ergreifen möge, weil ich auch von Christus ergriffen worden bin» (Philipperbrief, Kapitel 3, Vers 12). Wie schon mit Francesco, freue ich mich jetzt, Dienste zu tun. Ich stehe älteren, gesunden, aber nicht mehr ganz unabhängigen Menschen im Alltag zur Verfügung, auch mit guten Gesprächen. Dass dies in unserem Centro möglich ist, erfüllt mich täglich mit tiefem Dank.
Datum: 02.06.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch