Wetterklamauk mit Folgen

Dickschädel: Klimaforscher Jack Hall (Dennis Quaid) hat sich in den Kopf gesetzt, seinen Sohn aus dem vereisten New York zu retten.
Abgeschnitten: Nach einem Schulwettbewerb sitzt der 17-jährige Sam im Überschwemmungschaos von New York fest. Doch schon bald kommt es noch besser – das Wasser gefriert überall zu Eis.
Dramatisch: Passanten fliehen in die öffentliche Bibliothek, während sintflutartige Riesenbrecher ganz Manhattan unter Wasser setzen
Wetterwirren: Die globale Erwärmung stürzt das Klimasystem ins Chaos und erzeugt in der gesamten nördlichen Hemisphäre eine zweite Eiszeit – ein computergeneriertes Riesenspektakel
Plakat "The Day"

Die weltweit immer häufiger auftretenden Klimaschwankungen verleihen dem jüngsten Katastrophenfilm eine dramatische Aktualität. Zwar gehört ein Körnchen Wahrheit im Zentrum der sich überstürzenden Ereignisse zum Patentrezept des Genres, doch in „The Day after Tomorrow“ ist die Ausgangslage schon fast lebensecht.

Trotz vehementen Warnungen sieht die amerikanische Regierung keinen Handlungsbedarf in ihrer Umweltpolitik – schliesslich hat in erster Linie die Wirtschaft stabil zu sein und nicht das Klima. Welch folgenschwerer Trugschluss dies ist, zeigt sich in „The Day after Tomorrow“ weit schneller, als es selbst der Klimaforscher Jack Hall (Dennis Quaid) befürchtet hätte: Während sich der Meteorologe noch mit Meldungen von verrückt spielenden Wetterstationen auf der ganzen Welt herumschlägt, erlebt sein17-jähriger Sohn Sam (Jake Gyllenham) in New York die ersten Auswirkungen einer globalen Klimakatastrophe: Sintflutartiger Regen und riesige Meereswogen setzen die Strassen Manhattans vollständig unter Wasser, und nur Stunden später verwandelt ein Temperatursturz die ganze nördliche Hemisphäre in eine klirrende Polarlandschaft.

Dürftige Story

Regisseur Roland Emmerich präsentiert den Untergang der westlich-amerikanischen Zivilisation mit einer computergenerierten Bildergewalt, die wohl ihresgleichen sucht. Dagegen ist die dünne Story um eine wiedergutzumachende Vater-Sohn-Beziehung und die Botschaft vom Fortbestand der Menschheit unter widrigsten Umständen („Wenn wir aus unseren Fehlern lernen, ist es uns möglich, auch diese Eiszeit zu überstehen!“) reichlich dürftig. Mehr Originalität bietet die augenzwinkernde Situationskomik, die bisweilen ganz plötzlich auftaucht. Ein Beispiel dafür ist der Exkurs über die Unverwüstlichkeit altmodischer Münztelefone, die – wie sich herausstellt – selbst unter Wasser funktionieren. Daneben fallen auch einige gezielte Seitenhiebe auf Amerikas Aussenpolitik ab, was Emmerich im laufenden Wahljahr in den USA bereits heftige Kritik eingebracht hat.

Offene Fragen

„Wir wollten einen fantastischen Sommerfilm drehen, der vielleicht – aber nur vielleicht – nicht nur unterhält, sondern auch ein wenig aufklärt“, bringt Produzent Mark Gordon die Motivation von „The Day after Tomorrow“ auf den Punkt. Trotzdem – und trotz den eindeutig (über)dramatisiert Ereignissen auf der Leinwand – wirft das Werk Fragen auf. Wie nachhaltig ist unser Umgang mit natürlichen Ressourcen tatsächlich? Wie praktizieren wir in unserem Alltag – als Menschen, aber auch als Christen – Gottes Gebot der Verantwortung für unsere Umwelt? Es ist auffallend, wie uns Hollywood in schon fast regelmässigen Abständen immer neue Weltuntergangsszenarien auftischt. Zeigt sich auf diese Weise vielleicht eine verborgene Ahnung der Menschheit, dass wir nicht ewig so weitermachen können?

Was zählt wirklich?

Auf einer anderen Ebene bietet die Auseinandersetzung mit der fiktiven Katastrophe auch die Gelegenheit, unsere Werte und Lebensziele gründlich zu überdenken. „Alles, wofür ich immer gearbeitet habe, ist jetzt zerstört“, erkennt eine junge Frau in einer Filmszene. Was gibt uns Halt, wenn wir plötzlich ins Leere stürzen? Jesus sagt: „Ich bin bei euch bis an das Ende der Welt“. Das ist beruhigendes Versprechen, komme, was wolle. In der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit lassen wir die wirklich existentiellen Fragen nur noch selten an uns herantreten. „The Day after Tomorrow“ kann helfen, uns wieder auf das zu besinnen, was wirklich zählt.

Autor: Jonas Bärtschi

Datum: 29.05.2004
Quelle: Livenet.ch

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