Genf in Flammen – noch diese Woche

Wer das historische Freilichttheater „Calvin Genève en flammes" nicht verpassen will, muss sich bis kommenden Sonntag in die Rhonestadt begeben. Im grandiosen Spektakel gelingt der Brückenschlag ins 16. Jahrhundert, in die Epoche der Reformation.
Das private Fest mit einer Calvin-Parodie durch die Dame des Hauses – der Sittenwächter steht vor der Tür. Bilder: Genève en flames/Marc Vanappelghem
Niederlage: Calvin (Michel Kullmann, links) will Servet von seinem Nein zur Dreifaltigkeit Gottes abbringen – vergeblich.
Handgreiflich: Die Glaubensflüchtlinge und Einheimische geraten sich in die Haare.
Attraktion: Altes Genf im ‚Hugenottendorf‘, das abends um fünf öffnet.

In 17 Bildern wird auf der Bühne vor der monumentalen „Mauer der Reformatoren" eine ferne Zeit der Angst und des Streits lebendig. Doch paradoxerweise, so der Regisseur François Rochaix (Winzerfest Vevey, Eröffnung Expo 02), „offenbaren die Distanz und die Fremdheit oft Verhaltensweisen oder Konflikte, die uns auf uns selbst und unsere Zeit verweisen".

Drama des Aufbruchs

Das Schauspiel spannt den Bogen vom Jahr 1541, als Calvin zum zweitenmal in Genf eintrifft, zu seinen letzten Tagen. 1535/36 hat die Kleinstadt die Reformation beschlossen - nun sucht sie ihre neue Identität. Calvins Leitlinien, sein Ringen um die Ausrichtung aller Lebensbereiche auf Gott, um die evangelische Bildung aller Einwohner, die Verpflichtung aller zur Arbeit und zum Gottesdienst am Sonntag und Werktag: all dies erregt die Geister.

Den Reformator ängsten jene, die die unruhige Gemeinschaft mit Zweifel, Unmoral oder Lässigkeit infizieren könnten. Durch Glaubensflüchtlinge von nah und fern (darunter eigensinnige Fromme) verdoppelt sich die Bevölkerung innert kurzem. Zu alledem fährt die Pest in Genf ein: Welcher Pfarrer ersetzt den im Spital verstorbenen Kollegen?

Hochkarätiges Ensemble

Künstler von Format haben zum 500. Geburtstag des Reformators Jean Calvin seinen Kampf mit der Stadt, ihren Freigeistern, Eiferern und Patrioten auf die Bühne gebracht, mit einem hochkarätigen Ensemble von 15 Schauspielern, einem zwölfköpfigen Chor von Psalm-SängerInnen aus vier Kontinenten, drei Posaunen und Statisten.

Hugenottendorf

„Calvin Genève en flammes" hatte seit der Première am 1. Juli durchschnittlich gegen 1000 Besucher, wie die Veranstalter des Gedenkjahres auf Anfrage mitteilen. Zwei Vorstellungen mussten wegen Regen ins Théâtre du Léman verlegt werden. Als weitere Attraktion erweist sich das Hugenottendorf im Parc des Bastions beim Reformationsdenkmal. Viele Besucher kämen bloss seinetwegen her, heisst es in Genf.

Doch wer erahnen will, wie Calvin als Theologe und Humanist kämpfte, wie er mit dem Evangelium Genf in Flammen setzte und der Stadt die bis heute spürbare Ausstrahlung und Prägung gab, sollte sich das Schauspiel ansehen. Spätestens am 26. Juli.

Datum: 22.07.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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