Genetische Ursache bei stressbedingtem Griff zur Flasche?

Drink

Bonn. Zumindest bei Mäusen spielt der Cannabis-Rezeptor CB1 eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Alkoholsucht. Dies haben Mediziner der Universität Bonn bei Experimenten mit zwei verschiedenen Mäusestämmen festgestellt. Fehlte genveränderten Mäusen die Erbinformation für den Rezeptor, griffen sie in Stresssituationen nicht schneller zur "Flasche". Ähnlich wie Menschen reagieren die Kleinnager normalerweise auf Stress, indem sie mehr Alkohol konsumieren. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe litten Mäuse bei Verlust des Rezeptors nicht unter Entzugssymptomen, berichten die Forscher im Fachblatt Neuroscience.

Alkohol und Marihuana ähneln sich in ihrer Wirkung. Schnittstelle beider Drogen scheint der Cannabis-Rezeptor CB1 zu sein. Es ist bereits bekannt, dass in Mäusegehirnen bei chronischem Alkoholkonsum die Zahl der CB1-Rezeptoren sinkt. "Wir fragten uns daher, ob ein kompletter Verlust des Rezeptors Trinkverhalten und physiologische Wirkung von Alkohol in Mäusen beeinflusst", erläutert Andreas Zimmer vom Bonner Institut für molekulare Neurobiologie.

Das deutsch-ungarische Forscherteam arbeitete dazu mit Mäusen, die besonders leicht eine Alkoholsucht entwickeln. Bei einem Stamm wurde die Information für den Cannabis-Rezeptor gentechnisch entfernt. Der zweite Stamm verfügte über ein normales CB1-Gen. Nach drei Wochen Alkohol-Dauerkonsum hatten sich die Tiere grösstenteils an die Droge gewöhnt. Trunkenheits-Symptome stellten sich bei beiden Stämmen dann erst nach erheblich höheren Dosen ein. Anders sah es bei den Entzugserscheinungen aus: Wurde die Droge abgesetzt, verhielten sich die rezeptorlosen Nager völlig unauffällig. Bei den Mäusen mit intaktem Cannabis-Rezeptor verstärkten sich die klassischen Symptome des Alkoholentzugs wie Krämpfe, Unruhe und Hyperaktivität.

Von "trockenen" Alkoholikern ist bereits bekannt, dass sie vor allem in Stresssituationen erneut zur Flasche greifen. Um bei den Mäusen die Auswirkung von Stress auf das Trinkverhalten zu bestimmen, führten die Forscher einen weiteren Versuch mit achtprozentigem Alkohol und Wasser durch. Fünf Wochen lang konsumierten beide Gruppen die gleiche Alkoholmenge. Stress wurde insofern ausgelöst, als sie den Mäusen über den Käfigboden drei schwache elektrische Reize zufügten. Bei beiden Gruppen stellte sich Unbehagen ein und ihre Hirnaktivität änderte sich auf ähnliche Weise. Allerdings nahmen nur Tiere mit intaktem Cannabis-Rezeptor in den 24 Stunden nach der Stresssituation mehr Alkohol zu sich - und zwar durchschnittlich um etwa das Doppelte. "Bei stressinduziertem Alkoholkonsum und beim Entzug scheint dem Cannabis-Rezeptor eine Schlüsselrolle zuzukommen. Medikamente, die den CB1-Rezeptor hemmen, könnten daher bei der Behandlung der Alkoholsucht sehr nützlich sein", resümiert Zimmer.

Datum: 28.03.2003
Quelle: pte online

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