Kinder durch zu viel Fernsehen in der Entwicklung gestört

TV Kids

Durch falschen Umgang mit Medien und Mangel an sozialen Kontakten leiden immer mehr unter Störungen der geistigen und motorischen Entwicklung. Das ARD-Journal "Panorama" liess Experten zu Wort kommen, die eine unverantwortliche Erziehung und eine falsche Entwicklungspolitik kritisieren.

In dem Fernsehbeitrag wurde die siebenjährige Sarah vorgestellt, die seit einem Jahr eine Sprachtherapie besucht, weil ihre sprachlichen Fähigkeiten unterentwickelt sind. Als sie ein Bild beschreiben soll, auf dem sich ein Mädchen die Zähne putzt, ist ihr das kaum möglich. Erst mit der Hilfe durch die Logopädin stammelt sie: "Das Mädchen Zähne putzen".

Der Kinderarzt Ulrich Fegeler ist besorgt: "Gut ein Drittel der Kinder sind sowohl sprachlich als auch motorisch nicht ausreichend entwickelt und benötigen noch eine medizinische Förderung." Er fügte hinzu: "In dem Glauben, den Kindern etwas Gutes zu tun, werden Kinder dann vor so genannte Kindersendungen im Fernsehen gesetzt." Doch dies seien eigentlich keine Kindersendungen, meint der Experte, sondern "Möglichkeiten, ein Kind für eine Weile ruhig zu stellen". Lernen würden sie dabei nichts.

Lernen geschehe nur durch Interaktion, durch die Reize der Umwelt, die Kinder buchstäblich begreifen müssten, so der Report-Beitrag. Wenn Kinder in frühesten Entwicklungsstadien nicht optimal angeregt würden, dann entwickelten sich diejenigen Zentren des Gehirns nicht optimal, mit denen dieses Kind zeit seines Lebens Informationen verarbeiten und Emotionen wahrnehmen und produzieren solle, erläutert die Biologin Katharina Braun.

Enger Horizont

Ein weiterer Fall, den "Report" vorstellt, ist der vierjährige Marian, der jeden Tag stundenlang vor dem Computer sitzt. Sein "Erfahrungshorizont" begrenze sich auf die Tastatur. Zudem schaue er oft bis zu fünf Stunden täglich fern, sagt seine Mutter, die offenbar zu wenig mit ihrem Kind spricht.

Deswegen sei es besonders wichtig, dass Kinder in Kindergärten gingen, sind sich die Experten einig. Doch leider bekämen gerade die Kinder keinen Platz in Kindertagesstätten, deren Eltern sie nicht sinnvoll beschäftigten, etwa Sozialhilfeempfänger. Der Kinderarzt Fegeler findet die angebliche Begründung des Staates "absurd": demzufolge könnten sich die Eltern als Sozialhilfeempfänger zu Hause um das Kind kümmern und benötigten keinen "kostenlosen" Platz in Kindertagesstätten.

Hierzulande, so schliesst der Bericht, doktere man stattdessen für eine Milliarde Euro im Jahr an Entwicklungsstörungen herum, die es bei sinnvoller Frühförderung gar nicht gäbe.

Gesundheitliche Schäden

Untermauert wird die Kritik durch die neueste Studie der Universität von Otago in Neuseeland, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Demzufolge bringe exzessiver Fernsehkonsum in der Jugend überdurchschnittlich oft Übergewicht, Nikotinsucht und hohe Cholesterinwerte im fortgeschrittenen Alter mit sich. Die Forscher hatten 1.000 Kinder begleitet, die zwischen 1972 und 1973 geboren wurden. Als sie 26 Jahre alt waren, war das Fernsehen zu 17 Prozent für Übergewicht verantwortlich, zu 15 Prozent für erhöhten Cholesterinspiegel, zu 17 Prozent für Nikotinsucht und zu 15 Prozent für schlechte körperliche Fitness. Ihr Fazit: Eltern sollten ihren Kindern nicht mehr als eine Stunde Fernsehen pro Tag erlauben.

In Deutschland sitzen Kinder im Alter zwischen zehn und 15 durchschnittlich 118 Minuten täglich vor dem Fernseher, so ein Bericht der "Tagesschau".

Robert Hancox von der University Otago und seine Kollegen hatten für ihre Studie Kinder ausgewählt, die zwischen 1972 und 1973 geboren wurden. Zusätzlich zu den regelmässigen Untersuchungen hatten sie die Eltern und ab dem 13. Lebensjahr die Jugendlichen selbst zu deren Fernsehverhalten befragt. Anschliessend hatten sie die Daten bezüglich sozioökonomischen Status, Body-Mass-Index (BMI) im 5. Lebensjahr, BMI der Eltern, Rauchverhalten der Eltern und körperlicher Aktivität im 8. Lebensjahr bereinigt. Trotzdem liessen sich 17 Prozent des Übergewichts, 15 Prozent des erhöhten Cholesterinspiegels, 17 Prozent des Rauchens und 15 Prozent der schlechten körperlichen Leistungsfähigkeit auf einen Fernsehkonsum von mehr als zwei Stunden täglich zurückführen.

Webseite: www.thelancet.com
Quellen Kep/Thelancet

Datum: 11.08.2004

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