Nach einer Umfrage unter Eltern in den USA haben 36 Prozent aller amerikanischen Kinder unter zwei Jahren einen Fernsehapparat im Zimmer stehen (27 Prozent einen Video- oder DVD-Player, 10 Prozent eine Spielkonsole, 7 Prozent einen Computer). Zwei Drittel der Kinder in diesem Alter nutzen zudem Bildschirmmedien wie Fernsehen, DVD oder Computer um die zwei Stunden durchschnittlich am Tag. Das Lesen gerät immer weiter in den Hintergrund. Solche Daten sind alarmierend, gerade im Zusammenhang mit einer anderen Studie. Ihre Ergebnisse führen zum Schluss, dass der Fernsehkonsum bei Kleinkindern im späteren Alter zu Aufmerksamkeitsstörungen führen kann. Der biologische Grund liegt darin, dass das Gehirn im Alter zwischen ein und drei Jahren stark wächst und neue Synapsen bildet. Der elektronische Bilderhagel vermag die normale Entwicklung zu stören. Die in der April-Ausgabe der Zeitschrift „Pediatrics“ veröffentlichte Langzeitstudie umfasst 1300 Kinder, die 1996, 1998 oder 2000 sieben Jahre alt waren und bereits auf Aufmerksamkeitsstörungen (Konzentrationsschwierigkeiten, impulsiv, leicht ablenkbar, ruhelos und Probleme mit Abhängigkeiten) befragt worden sind. Zehn Prozent der Kinder hatten nach den Kriterien der Wissenschaftler Aufmerksamkeitsstörungen. Berücksichtigt wurden Lebensumstände wie Geschlecht, Rasse, Geburtszeitpunkt (Früh- oder Spätgeburt), Alkohol-, Nikotin-Belastung während der Schwangerschaft, emotionale Unterstützung, Zahl der Geschwister, Situation der Eltern, bzw. des alleinerziehenden Elternteils. Doch der Fokus der Untersuchung lag auf dem Zusammenhang zwischen TV-Nutzung und Aufmerksamkeitsstörungen. Die Auswertung ergab bei den Einjährigen einen TV-Durchschnittstageskonsum von 2,2 Stunden; bei den Dreijährigen sind es 3,6 Stunden am Tag. Der Vergleich ergab, dass bei einem einjährigen Kind, das nochmals eine Stunde länger vor dem Bildschirm hockt, die Wahrscheinlichkeit um 28 Prozent steigt, dass es mit sieben Jahren Aufmerksamkeitsstörungen aufweist. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch bei dreijährigen Kindern. Eine Veränderung des Gehirns im frühen Alter, wo zahlreiche neue Synapsen gebildet und so das Gehirn "programmiert" wird, wirkt sich erst später aus. Aufmerksamkeitsstörungen werden oft erst im Alter von sieben Jahren nach Schuleintritt auffällig. Dimitri Christakis, Leiter der Forschungsgruppe, empfiehlt, Kleinkinder in den ersten Jahren nicht vor den Fernseher zu setzen. Die Studie lege nahe, dass es einen signifikanten und wichtigen Zusammenhang zwischen früher Aussetzung an das Fernsehen und darauf folgenden Aufmerksamkeitsproblemen gebe.
Datum: 20.08.2004
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: factum Magazin