Halt im Glauben

«E schtarchi Frou»

Käthi sorgt sich ums Familienglück, denn ihr Res bleibt in der Beiz hängen. Im Bauerndrama nach Simon Gfellers Roman «Eichbüehlersch» auf der Moosegg im Emmental wirken Geistliche unterschiedlichen Kalibers. Welches Wort hilft Käthi in Ratlosigkeit und Trauer?
Wenn der Alkohol stärker ist als der gute Wille: Käthi stellt Res zur Rede.
Gutmütig: Res zahlt in der Beiz eine Runde.

Der Emmentaler Dichter Simon Gfeller hat in seinem Spätwerk zwei starke Frauen gezeichnet, die unter Schicksalsschlägen nicht zerbrechen. Res ist nach dem frühen Tod seiner Eltern von seiner Grossmutter Änni bemuttert und «verbibäbelet» worden. Sie hat ihm nach Jahren in Käthi eine tüchtige Frau gefunden. Den ersten Teil des Romans, der dies schildert, brachten Regisseur Peter Leu und Autor Marcel Reber 2010 auf die Bühne. Heuer steht Käthi, von Ursula Steiner überzeugend verkörpert, im Mittelpunkt. «E schtarchi Frou» wird hart geprüft. Ihr Res (Aschi Blaser), gutmütig und leicht beeinflussbar, rutscht in die Trunksucht. Wiederholt schlägt der Tod zu und Res sitzt in der Beiz, statt Frau und Kind beizustehen. Wie kann Käthi sich Glauben und Hoffnung bewahren?

Ein Prediger …

Das Emmentaler Stück führt auf den steinigen Weg unserer Vorfahren, auf dem der Doktor meist nur noch konstatieren, kaum kurieren konnte. Das Schwere im Leben will im Glauben bewältigt sein. Doch wie? Zwei Pfarrer und ein «Stündeler»-Prediger stehen zur Auswahl. Käthis Magd Bertha, glühende Anhängerin von Prediger Schaller, stösst «Eichbüehlersch» mit ihrem missionierenden Eifer vor den Kopf. Autor und Regisseur statten sie nicht nur mit einem Schwall von (für sich genommen oft passenden) biblischen Sprüchen aus, sondern auch mit Frömmelei. Dem Familiendrama auf der Moosegg tun die von Bertha provozierten Lacher fraglos gut. Deutlich wird, dass der tröstende, aufbauende oder wegweisende Charakter, den Bibelworte haben, durch ihren Einsatz in Serie dahinfällt. Doch wozu werden alte Stündeler-Klischees (in der Region mögen sie noch leibhaftig begegnen) aufgewärmt und Bibelworte derart unter Wert gehandelt?
 
In ihrer Verzweiflung über Res‘ Sucht gibt Käthi dem Drängen der Magd nach und besucht eine Bibelstunde Schallers. Die Wende bringt der Auftritt des schmierigen Stündeler-Predigers selbst, der mit Käthi auf den Knien für Res beten, aber auch seine Erbauungsstunden ins Eichbühl verlegen möchte. Sie weist ihn ab.

… und zwei Pfarrer

Interessanterweise lässt Simon Gfeller auch den jungen Dorfpfarrer die Gnade Gottes für den Sünder verkündigen – so forsch allerdings, dass ein Bauer die Predigt im Wirtshaus «abespüele» muss. Und Änni, die im Alter aus Dankbarkeit mit einer grösseren Gabe ans Spital ein gutes Werk tun will, kommt sich herabgewürdigt vor. Die Sünderbotschaft festigt ihre Meinung, man könne auch «nach der Schrift läbe», ohne ständig in die Kirche zu laufen. (70 Jahre nach Gfeller ist die Heilige Schrift als Richtschnur dem Grossteil der Bevölkerung abhanden gekommen.)
 
Als hilfreiches Gegenüber erweist sich hingegen der ergraute Pfarrer aus der Nachbarschaft, dem die Eichbühl-Kinder zur Taufe gebracht werden. Der junge Kollege im Dorf brauche den Vorschlaghammer für Reissnägel, bemerkt er versöhnlich. Über Käthis Verzweiflung, das «Warum?» der Trauernden, geht er nicht mit Sprüchen hinweg. Er rät, dazu zu stehen, dass man im Leben «mit dem lieben Gott seine liebe Mühe» habe – wie Gott sie wohl auch mit Menschen habe. Und zitiert den Propheten Hosea, der im Leiden nicht von Gott liess: «Kommt, wir wollen wieder zum Herrn, denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen; er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden.»

Engagierte Darsteller

«Eichbüehlersch – e starchi Frou», in diesen Wochen unter dem Emmentaler Himmel uraufgeführt, ist in seiner Schlichtheit ein bewegendes Stück, Dialekttheater erster Güte. Peter Leus LaienschauspielerInnen geben ohne Gage Frühling und Sommer dran, um dem Publikum Simon Gfellers Werk zu erschliessen. Ihnen und allen, die sich auf die Moosegg begeben, sind trockene Abende zwischen den Tannen zu wünschen.

Aufführungen:
Mittwoch - Samstag bis 20. August 2011
Infos und Tickets

Datum: 22.07.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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